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Skulptural: Konstantin Grcics „Chair One“ für Magis ist jetzt schon ein Designklassiker.

STYLEPARK MAGIS – FOCUS ON HOSPITALITY
Willkommen am Tisch!

Tische und Stühle von Magis entstehen nicht nur aus einem intensiven Miteinander. Ihnen wohnt ein besonderer Geist der Gastlichkeit inne.
von Thomas Wagner | 25.10.2016

I.

Sätze nach dem Muster „Grün ist das neue Weiß“ klingen bestenfalls albern. Sie saugen die Hektik des Allerneusten auf wie ein Schwamm, um die professionell erhitzten Gemüter der Warenwelt für einen kurzen Moment mit dem kühlenden Versprechen zu benetzen, im Trend zu liegen. Ähnliches könnte man vermuten, wo davon die Rede ist, Essen sei die neue Konferenz. In der Wendung vom Geschäftsmäßigen zum Geselligen steckt freilich mehr. Seit selbst im Büro Teamgeist und Kreativität gefordert sind, finden informelle und das Gemeinschaftsgefühl befördernde Formen des persönlichen Austauschs besonderen Anklang. Ob sie um ihrer selbst willen gepflegt werden oder vor allem dem wachsenden Effizienzdruck entgegenwirken, steht auf einem anderen Blatt. Wahr daran aber bleibt: Das Essen ist vermutlich das archaischste aller Gemeinschaftserlebnisse. 

Trattoria 2.0: Jasper Morrisons „Pipe Chair“ passt hervorragend zum raffinierten Spiel mit der Tradition im „Da Giovanni Tre“ in Antwerpen.

Ob zuhause im Kreis der Familie, ob in Werbeagenturen, Start-ups oder Designer-Studios, überall gibt es heute offene Küchen. Wo früher die Pizza aus dem Karton gefuttert wurde, machen die Kollegen heute Essen füreinander und sitzen gemeinsam mit dem Chef um einen Tisch. Der alltägliche Sinn fürs Kulinarische entwickelt sich mehr und mehr zur Leitkultur. Angenehmer und leichter als beim gemeinsamen Kochen und Essen lassen sich Dinge nicht bereden, Differenzen in der Sache kaum klären. Auch Menschen, die nicht zur selben Abteilung gehören und sonst nicht miteinander sprechen würden, treffen hier aufeinander. So formiert sich für eine halbe oder ganze Mittagsstunde eine Gemeinschaft rund um den Tisch als sozialem Ort – im Geist der Gastlichkeit und jenseits des täglichen Business. 

Biergarten à la française: „Cyborg“-Stühle von Marcel Wanders und „Table_One“-Tische von Konstantin Grcic in der „Paulaner“-Brasserie in Marseille.

II.

Möbel werden, das wird oft vergessen, nicht für Showrooms gemacht, sondern für Menschen und deren Leben. Um dem Rechnung zu tragen, sprechen wir für gewöhnlich etwas umständlich von Nutzern, ohne dabei genauer auf deren Bedürfnisse einzugehen und auf die Einrichtung zu achten, die diese befriedigen soll. Nehmen wir zum Beispiel Tisch und Stuhl. Im Bereich des zeitgenössischen Designs gibt es zahllose Tische und Stühle in diversen Materialen und Formen und für die unterschiedlichsten Zwecke. Viele werden heutzutage von namhaften Designerinnen und Designern in bester Absicht gestaltet und von nicht weniger namhaften Herstellern solide und verantwortungsbewusst produziert. Doch ohne sich in eine Lebenswelt eingefügt und in unterschiedlichster Art und Weise bewährt zu haben, bleiben sie seltsam abstrakt und lebensleer: bloße Produkte. Ihr eigentlicher Sinn und Zweck hat sich noch nicht entfaltet, aus ihnen wurden noch keine in bestem Sinne gebrauchten Dinge, die mehr für uns sind als ansprechend gestaltete Waren.

Das „Fiori il Restaurante“ in Kiew wurde mit Möbeln der Serie „Steelwood“ von Ronan und Erwan Bouroullec ausgestattet.

III.

Neben freundlichen Willkommensworten des Gastgebers vermögen Möbel allein noch recht wenig zu einer Kultur der Gastlichkeit beizutragen. Das gilt auch für Tische und Stühle. Man denke nur an jene Politikerrunden, bei denen sich die Vertreter verschiedener Länder – oft in historischen Räumen – zwar um einen Tisch versammelt haben, um aktuelle Fragen oder ernste Probleme zu erörtern, die Atmosphäre aber, vorsichtig ausgedrückt, eher eisig, bestenfalls förmlich genannt werden muss. Auch hierarchische Verhältnisse können mittels Tisch und Stuhl zelebriert und zementiert werden. Jeder kennt das vom Amt, aus altmodischen Chef-Büros oder, parodistisch gewendet, aus Charlie Chaplins Film „Der große Diktator“.

Ein großer Tisch, um ihn herum einige Stühle – ein solches Ensemble kann aber auch einladend wirken. Es vermag das Gespräch zu befördern, gewissermaßen demokratisch und gemeinschaftsbildend zu wirken. Wie sehr die Kombination den Austausch selbst zwischen bislang einander fremden ermöglichen, befördern und beleben kann, lässt sich – neben vielen anderen Lokalitäten – leicht in einem Kölner Brauhaus oder in einer italienischen Trattoria erfahren. Wo Menschen gemeinsam um einen Tisch sitzen, miteinander reden, essen, trinken und lachen, geht die bürgerliche Gesellschaft entspannt in einen anderen Aggregatzustand über. Vielleicht liegt eben darin einer der Gründe, weshalb gemeinsames Kochen und Essen derzeit auch im Büro en vogue ist wie lange nicht. 

Rossonero: Die Stühle aus der Serie „Cyborg“ von Marcel Wanders greifen farblich die imposanten Raumeinbauten im Restaurant der „Casa Milan“, dem Sitz des AC Mailand von Fabio Novembre, auf.

Tische und Stühle, wenn auch nicht nur sie, bringen uns nämlich auf sehr einfache und selbstverständliche Weise in Gesellschaft. Ob zuhause beim Frühstück mit den Kindern, im Restaurant um die Ecke oder im heimischen Esszimmer beim festlichen Abendessen mit Gästen: überall wo Menschen um einen Tisch sitzen entsteht so etwas wie Öffentlichkeit. Was sich um den Tisch herum entfaltet ist ein Raum, der bei allen Unterschieden und Differenzen der Beteiligten, von einem Gefühl für Gemeinschaft geprägt ist. Wenn Menschen zusammenkommen und gemeinsam Platz nehmen, entsteht eine Tischgesellschaft, wie rudimentär sie auch sein und wie rasch sie sich wieder auflösen mag. Ein Tisch, um den einige Stühle stehen, verkörpert geradezu den Wunsch und die Kraft, sich wenigstens für den Moment über alles Trennende hinweg einander zuzuwenden. Der Tisch nimmt die rudimentäre Form einer Gesellschaft an, in der ein jeder jeden von einer ihm eigenen Position aus sieht und hört, in der offen miteinander geredet, gefeiert oder gestritten werden kann. Fast möchte man sagen: Unser aller Fremdheit weicht in jenem Augenblick, in dem wir gemeinsam – am besten bei Speis und Trank – um einen Tisch sitzen. Man mag dann noch immer in diesem oder jenem geteilter Meinung sein, der eine mag dieses befürworten, ein anderer jenes ablehnen, wirklich fremd aber ist man sich nicht mehr.

Royaler Rahmen: Der Stuhl „First“ von Stefano Giovannoni in der Königlichen Oper in Lüttich.

IV.

Vielleicht haben es einige noch nicht bemerkt: Magis ist nicht irgendein im Umgang mit zeitgenössischem Design versierter Hersteller, Magis ist eine ganz besondere Firma. Eine, in deren DNA sich lokale und globale Elemente in bester Weise ergänzen. Auf der einen Seite stehen dabei Einstellungen und Eigenschaften, die sich aus jahrhundertealten Traditionen des Veneto speisen. Dazu gehört zuallererst ein offenes Verhältnis gegenüber allem Neuen, Fremden und in der Ferne Liegenden. Die Neugier darauf, was morgen sein wird, hat man bei Magis nie verloren, im Gegenteil. Man hat sie verdichtet und zu einer ganz eigenen experimentellen Kultur geformt. Hartnäckig und willensstark, wagemutig, manchmal auch gewürzt mit einer Spur Verrücktheit, wird daran gearbeitet, Produkte zu entwickeln, die ihre Herkunft so wenig verleugnen wie den Wunsch, in der Gegenwart Wurzeln zu schlagen und in die Zukunft zu wirken. Und nicht zuletzt ist Magis ein Familienunternehmen, in dem der Wille zu gutem und überzeugendem Design vor allem anderen rangiert.

Der Bar des Keramikherstellers „Mutina“ auf der Cersaie 2015 bietet zahlreiche Sitzplätze auf Konstantin Grcics Hockern „Stool One“.

All das findet seinen Ausdruck nicht nur in außergewöhnlichen Produkten. Die gewachsene kulturelle Mischung, aus der sie bei Magis hervorgehen, fördert eine ganz eigene Kultur der Zusammenarbeit und der Gastlichkeit. Wer sich das aktuelle Programm von Magis ansieht, wird schnell bemerken, dass es nicht nur überraschend viele Tische und Stühle von global agierenden und weithin geschätzten Designern wie den Gebrüdern Ronan und Erwan Bouroullec, Konstantin Grcic, Jasper Morrison oder Philippe Starck enthält, sondern dass all diese Möbel, die stets in enger Zusammenarbeit mit Eugenio und Alberto Perazza erdacht, entworfen und entwickelt wurden, sich Materialien und Verarbeitungsweisen bedienen, die ebenso auf dem neuesten Stand der Technik wie in alten handwerklichen und industriellen Verfahren verankert sind. Auf dem Weg zu einem neuen Produkt wird nichts dem Zufall überlassen. Meist sind es Firmen in der Umgebung, die über das nötige Know-how verfügen, ohne das es nicht geht. Hand auf’s Herz: Wer außer Magis hätte einen in Form und Material so außergewöhnlichen Stuhl wie den „Chair One“ auf den Weg bringen können? Welcher Hersteller hätte es sich zugetraut, mit „Officina“ eine Serie von Tischen und Stühlen zu entwickeln, deren Gestelle aus Schmiedeeisen bestehen? Und wer hätte sich, wie im Fall der 2016 beim Salone del Mobile in Mailand vorgestellten Serie „Brut“ von Konstantin Grcic, an Tischgestelle und Bänke aus Gusseisen gewagt?

Programmüberblick in Schwarz: Das Magis-Stuhlsortiment ist hier um den Tisch „Officina“ von Ronan und Erwan Bouroullec gruppiert.

V.

Es bleibt also festzuhalten: Bei der Entwicklung und der Produktion kommt bei Magis eine ausgeprägte und tief verwurzelte, aber niemals nur das Althergebrachte bewahrende Form des Miteinanders zu Anwendung. Das gilt freilich nicht nur, wenn es darum geht, in intensivem Austausch mit den Designern in zahllosen Gesprächen und Telefonaten etwas Neues zu denken und Schritt für Schritt Wirklichkeit werden zu lassen. Die offene, experimentierfreudige Art, wie sie bei Magis gelebt wird, durchdringt und prägt am Ende auch die Produkte. Man könnte auch sagen: Was in den Produkten zum Ausdruck kommt, ist eine ebenso fortschrittliche wie traditionsverbundene Form der Gastlichkeit, die nie abstrakt oder gar aufgesetzt wirkt. Gastlichkeit verlangt ja nach einer Rückbindung an Orte und Räume, und Magis schafft es immer wieder, dies mit einem Blick nach vorne zu verbinden und Möbel anzubieten, die aus dem Geist italienischer Gastlichkeit heraus ein junges, urbanes Publikum begeistern.

In der Unternehmenskultur von Magis und in vielen seiner Produkte steckt dieser besondere Geist. Immer geht es darum, Menschen zusammen zu bringen, Menschen, die gemeinsam etwas gestalten, die in einem Restaurant oder zuhause an einen Tisch sitzen oder sich zufällig in einer Hotel-Lobby treffen. Solchermaßen gelebte Gastlichkeit ist und bleibt ein zutiefst menschlicher Zug und ein politischer Akt – nicht nur in Zeiten von Flucht und Vertreibung, auch im Design und bei jeder Tischgesellschaft.