Die Debatte um Licht und Sparsamkeit kreiste um rechnerische Erträge und vernachlässigte Fragen der Qualität. Jahrzehntelang warben Sparapostel dafür, die Glühbirne abzulösen. An ihre Stelle sollte die Energiesparlampe treten, sachlicher Kompaktleuchtstofflampe genannt. Wie traurig und irritierend künstliches Licht sein kann, erfuhr, wer diese Lampen tatsächlich nutzte. Dagegen war die Glühbirne ein Standardprodukt alter Art. Ganz gleich, wo man sie erwarb: Ihre Farbwiedergabe war stets hervorragend, sie hatte eine bestimmte Lichtfarbe, eine klar definierte Leistung. Für ihre Nachfolger gilt das nicht. Elektronik und Bauweise sorgen für Varianten in Qualität, Leistung und Lebensdauer, die von vielen Faktoren abhängig sind. Der Hamburger Designer Peter Unzeitig, der gerade mit dem Ludwigsburger Lichtplaner Wesenlicht die Außenbeleuchtung eines neuen Quartiers am Stuttgarter Killesberg komplett mit LED-Leuchten plant, wünscht sich dagegen, dass man den Übergang von einer Technik zu einer anderen auch als Chance begreift, die Wahrnehmung insgesamt zu verändern.
Das Irrlicht
Mit der vorgeblich so vernünftigen Kompaktleuchtstoffröhre gelingt dies nicht. Schon formal ist sie ein Imitat. „Retro-Fit" nennt man inzwischen ihre Bauweise, die trotz veränderter Technik eine überholte Form anstrebt, um mit alten Leuchten und ihren Schraubgewinden kompatibel zu sein. Selbst wenn die Kompaktleuchtstoffröhre der Edison-Glühbirne formal ähnlich ist, emittiert sie anders als diese kein kontinuierliches Farbspektrum: Ursache der vielfach vermiesten Lichtstimmung. In ihrem Sockel enthält sie elektronische Bauteile, die länger halten als die eigentliche Leuchtstoffröhre. Das macht sie erheblich teurer als Glühbirnen und hinterlässt Unmengen von Elektronikschrott. Als würde all das nicht reichen, enthält sie kleine Mengen von Quecksilber, eines der schlimmsten Umweltgifte, und müsste daher bei Produktion, Gebrauch und selbst als Abfall besonders sorgfältig behandelt werden.
Neue Wege zum Licht
Als sich Lichtplaner, Designer und Nutzer gegen das Vertriebsverbot der Glühbirne in Europa und Australien zur Wehr setzten, war es bereits zu spät. Was blieb, ist die Suche nach neuen, besseren Möglichkeiten zur Erzeugung von künstlichem Licht. Einen Ausweg aus dem Dilemma scheint die Licht emittierende Diode (LED) zu bieten. Sie ist ein elektronischer Halbleiter, ein seit den 1960er Jahren etabliertes elektronisches Bauteil, dessen Potenzial zur Lichterzeugung erst in den letzten Jahren erkannt und stetig ausgeweitet wurde. Noch vor kurzem schien die LED nicht mehr als ein schönes Versprechen. Der Hamburger Lichtdesigner und -produzent Tobias Grau etwa stellte 2006 den Prototyp einer Hängeleuchte namens „Helena" vor, die mit LED bestückt war. Über Kosten und Lichtausbeute war er derart unzufrieden, dass er das Projekt bald schon stoppte. Langsam und zunächst in kleinen Schritten tastete sich Grau an das Thema heran, entwickelte Leuchten wie „Falling Star", die Lichtakzente im Wohnraum oder auch in Bars und Lobbys setzen. Zugleich argumentiert Grau für ein gesteigertes Qualitätsbewusstsein von Auftraggebern und Konsumenten. Anders als viele Leuchten-Hersteller propagiert er, auf Farbtemperatur und auch Farbwiedergabe-Werte der LED zu achten, um angemessenes Licht zu erzeugen.
Maßstäbe neuen Lichtdesigns
„Die LED erfordert ein komplett anderes Denken", sagt Grau heute. „Ihr Leuchtmittel ist klein, muss aber nicht ausgetauscht werden. Die Leuchte insgesamt hat eine hohe Effizienz, muss aber sehr gut entblendet werden", außerdem sei die Lichtlenkung – anders als etwa bei der Leuchtstoffröhre – nicht nur möglich, sondern geradezu Voraussetzung eines sinnvollen Einsatzes. Ein Vorteil für Designer und Lichtplaner: Die Berechnung des Lichts kann man komplett virtuell durchspielen, die Eigenschaften der Leuchte können vorab bis ins Detail im Rechner erprobt und optimiert werden. Die rasanten Fortschritte der Halbleitertechnik ermöglichten es Tobias Grau zusammen mit dem Hamburger Lichtplaner Christof Fielstette für ein neuartiges Bürogebäude der Hochtief-Niederlassung in Berlin, extrem ehrgeizige Anforderungen zu erfüllen. Bislang gab es für LED-Projekte kaum wirtschaftliche Argumente. Der Stromverbrauch einer konventionellen Ausleuchtung per Leuchtstoff-Lampen war identisch. Um ein Büro per LED normgerecht auszuleuchten, benötigte man genauso viel Energie, nur das Leuchtmittel war teurer. Das hat sich in diesem Jahr verändert. Erstmals gibt es eine Amortisationszeit für LED-Projekte, auch wenn diese noch sehr lang ist.
Hochtief versammelt in seinen Niederlassungen jeweils alle eigenen Einheiten einer Region unter einem Dach (one roof-Konzept). Das Bauunternehmen erstellt sein Verwaltungsgebäude in Eigenregie und verkauft es später. Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit sind daher entscheidend für den Werterhalt der Immobilie. Die Hochtief-Manager bestanden darauf, dass sich der Einsatz der neuen Technik amortisieren solle. Zudem wollten sie keine Sonderleuchte für ihr Projekt verwenden, sondern ein Serienprodukt mit Gewährleistung und weitergehenden Serviceangeboten. Lichtplaner und Hersteller erarbeiteten zunächst eine Studie, mit der sie die Realisierbarkeit überprüften. Durch intensiven Austausch simulierten Grau und Fielstette eine Leuchte, die den wirtschaftlichen Anforderungen entsprach. Resultat: die neue Leuchte „XT-A" mit direktem und indirektem LED-Licht. „Meine Konkurrenz bestand nicht aus anderen Unternehmen", sagt Grau in der Rückschau, „sondern aus der traditionellen Leuchtstoffröhre". Lichtplaner Fielstette achtete neben der Lichtlenkung besonders auf die Entblendung, damit die Nutzer mit der neuen Technik einverstanden sind. Entscheidend waren das Zusammenspiel aus qualitätvollen LED, deren Positionierung, die Lichtlenkung durch asymmetrische Kunststoffelemente unterhalb der LED und die Entblendung durch ein Raster, das den direkten Blick in die starken, punktförmigen Lichtquellen verhindert.
Lichtbauten
Das Stuttgarter Unternehmen Nimbus gilt als Pionier umfassender LED-Beleuchtung. Anders als Tobias Grau verwendet Nimbus für die Leucht-Dioden Trägerplatten aus Acrylglas mit nach unten ausgerichteten Kegelsenkungen. 2007 eröffnete die Handelskammer Hamburg ihr „Haus im Haus" ‒ eine offene Raumstruktur inmitten eines historischen Gebäudes. Entworfen wurde sie von Behnisch Architekten, beleuchtet mit 380 LED-Lichtmodulplatten von Nimbus, in der jeweils 400 Dioden montiert sind. 2009 wurden die Unilever Headquaters in der Hamburger Hafencity eingeweiht, entworfen ebenfalls von Behnisch Architekten und ausgestattet mit „LED.next"-Leuchten von Nimbus. Beide gelten als Pilotprojekte der energieeffizienten Beleuchtung. Das neuste Großprojekt des Stuttgarter Unternehmens ist die Ausstattung der ADAC-Hauptverwaltung in München, entworfen von Sauerbruch Hutton. Ein „innovatives und nachhaltiges Konzept in Verbindung mit einer völlig individuellen Lösung" sei letztlich der entscheidende Vorteil gegenüber dem Wettbewerb gewesen, sagt Dietrich Brennenstuhl, Gründer und Inhaber der Nimbus Group. Wettbewerber wollten die Beleuchtung weitgehend mit Halogenlicht realisieren, das Hamburger Anschauungsbeispiel Unilever gab den Ausschlag. Nun sorgen „Office Air LED"-Stehleuchten an rund 2.800 Arbeitsplätzen für eine deutlich sparsamere Ausleuchtung. Hinzu kommen für die Raumbeleuchtung Pendelleuchten und Deckenanbauleuchten. Der direkte Lichtanteil der Stehleuchten kann vom Mitarbeiter individuell eingestellt werden, während der Indirektanteil des Lichts zentral per DALI-Steuerung geregelt wird.
Branche in Bewegung
Mit den flexiblen, innovativen Herstellern geraten die einstigen Riesen der Lichtbranche wie etwa Osram, Philips oder General Electric unter Druck. Bislang ist erst ein kleiner Teil von Investoren und Privatleuten bereit, sich mit neuen Lichtlösungen und deren Besonderheiten zu beschäftigen. Schon heute stellen die Traditionsfirmen Leuchtdioden in großen Stückzahlen her. Doch für individuelle Lösungen und Angebote sind eher die neuen, aktiven Licht-Mittelständler bekannt. Konzernmutter Siemens möchte sich von seiner Lichtsparte Osram trennen. So wird derzeit der Börsengang vorbereitet, um Geld für Innovationen in die Kasse zu bekommen. Zugleich sollen von weltweit 41.000 Arbeitsplätzen zehn Prozent wegfallen. Auch das stilisierte Signet einer Glühbirne im Firmenzeichen soll verschwinden. „Es rumort im Reich der ‚Osramiten'" titelte kürzlich die „Welt". Philips Licht investierte viel in Zukäufe. So gehören Unternehmen wie Luceplan und Modular Lighting zum niederländischen Konzern, der zugleich bei Retro-Fit-LED-Leuchten einen starken Preisdruck verspürt.
Eine LED ist kein homogenes Gut wie die Glühbirne. Jeder Hersteller muss für sich herausfinden, welche Bauteile für welches Produkt geeignet sind. Er kann wählen, was die LED leisten soll, wie gut ihr Licht sein soll und welche Lichtfarbe sie hat, wie gut ihre Farbwiedergabe ist. Derzeit verständigt sich die Industrie auf neue Standards für LED-Produkte. Es wird Aufgabe der Öffentlichkeit sein, darauf zu achten, dass die Industrie die Gelegenheit nicht missbraucht, um die extreme Lebensdauer der Halbleiterbauteile künstlich zu verkürzen, wie es einst das Kartell der Glühlampenhersteller tat.
„Was die Digitalisierung von Licht angeht, stehen wir erst am Anfang", sagt Michael Sturm vom Marketing der Messe Frankfurt. Recht hat er, die diesjährige Light+Building wird Weichenstellungen aufzeigen.
Für die Nutzer sind Leuchten in Zukunft eine Einheit mit variablen Eigenschaften, die sich dank Digitalisierung womöglich demnächst programmieren lassen. Eine neue Unübersichtlichkeit zeichnet sich ab. Die Auswahl wird schwieriger. Doch bald schon wird man unterscheiden können, wer sich als Treiber der Innovation begreift, wer vorwiegend traditionelle Lichttechnik anbietet, und wer die neue Technik vor allem aus Imagegründen in seine Produkte integriert. Es gibt viele Wege zum neuen Licht.
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