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Ludwig dirigiert auf großer Bühne
von Sandra Hofmeister | 29.01.2010

Der Wecker klingelt. Ludwig steht auf, rutscht durch die Dachrinne auf die Straße hinunter und läuft schnurstracks zur Philharmonie. Das Publikum sitzt schon auf den Plätzen - über 2.200 Besucher sind an diesem Abend da. Ludwig steuert die Bühne an, lässt seine Tasche fallen und beginnt zu dirigieren. Konzentrische Licht- und Klangkreise breiten sich um seinen Taktstock aus, durchdringen den Saal und breiten sich in seinem gesamten Raumvolumen aus.

Der Animationsfilm von Vincent Escrive und seinem Team stellt ein Klangerlebnis in Aussicht, das erst in Zukunft gänzlich nachvollziehbar sein wird: Ludwig heißt die Puppe, die auf der Bühne des Modells der neuen Philharmonie von Paris schon einmal probedirigiert. Das Gebäude selbst wird nach den Entwürfen von Jean Nouvel im Parc de La Villette gebaut und soll 2012 fertig gestellt sein. Ludwigs Dirigentenglück ist im Maßstab 1:10 verkleinert - eine Klanghöhle für Puppen und für die japanischen Akustikingenieure von Nagata Acoustics, die das Klangvolumen des Konzertsaals testen. Um die verfälschten Einflüsse der Atmosphäre auf die Messung auszuschließen, wird das Akustikmodell für die Messung mit Stickstoff gefüllt und abgeschlossen.

Rasant geschwungene Balkonbrüstungen, kurvengekrümmte Deckenreflektoren und Zuschauer mit Hüten im Puppenformat: Das Akustikmodell des Konzertsaals gibt sämtliche Details genau wieder. In der Werkshalle der Schreinerei Ackermann im fränkischen Wiesenbronn gefertigt, wurde die verkleinerte, fünf Tonnen schwere Raumstation aus lackierter mitteldichter Faserplatte kürzlich auf LKWs verladen und nach Paris gebracht. Für den Transport ist das vier Meter hohe Konstrukt in dreißig Baugruppen zerlegt - eine gewagte Aktion, der eine kühne Fertigung vorausging: Die insgesamt tausend Einzelteile des Modells sind maßgerecht angefertigte Unikate, die in etwa sechs Monaten Planungs- und Fertigungszeit entstanden. Mit mehreren eigens entwickelten Softwareprogrammen haben die Frankfurter Fachplaner von One-to-One die 3D-Daten der Architekten für die Schreinerei aufbereitet - mit einer theoretischen Genauigkeit von einem Millionstel Millimeter. Für die Planung des Modells war das Schließen der Schnittstelle zwischen den Architekturzeichnungen und der softwaregesteuerten Fertigung mit CNC-Fräsen entscheidend: So konnten die Schreiner bei Ackermann ein Modell herstellen, dessen doppelsinnig gekrümmte Einzelteile auf einer Fünf-Achs-Fräse gefertigt sind, die auf einen Zehntel Millimeter genau ist.

Die Philharmonie und ihr Modell, die Architektur- und die Modellplanung: Bei Konzertsälen, die nicht dem klassischen Schuhschachtelprinzip folgen, spielt die Akustikplanung schon im Entwurfsprozess der Architekten eine besondere Rolle. Denn imposante Klanghöhlen wie der von Jean Nouvel geplante Konzertsaal bergen viele akustische Unabwägbarkeiten. Je nach den Messungen des Klangvolumens, die im akustischen Präzisionsmodell mit zuverlässigen Daten belegt werden können, müssen beispielsweise Balkonbrüstungen in ihrer Krümmung angepasst oder Reflektoren verschoben werden. Für die Schreinerei Ackermann ist dieser Zusammenhang ebenso wie die Fertigung eines komplexen Akustikmodells übrigens nicht neu: Der Familienbetrieb ist nicht nur Zulieferer für Schreiner und Tischler, Laden- und Messebauer. Schon bei der Elbphilharmonie in Hamburg konnten sich die Franken bei der Fertigung eines komplexen Akustikmodells unter Beweis stellen.

Innenansicht des Akustikmodells; Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Konstruktionselemente des Akustikmodells; © One-to-One GmbH
Animationsfilm Ludwig von Vincent Escrive für die Philharmonie de Paris
Rendering © Artefactory
Innenansicht des Konzertsaals, Rendering © Artefactory
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann
Foto: © Georg Ackermann