Konstantin verfolgt Jasper, Franco hat den Bogen raus, Marcel fehlt die Zeit, Vitra betreibt ein Nagelstudio – und Gemüse verrät per Touchdisplay, was es wiegt.
Mailand im Monat April, da kommt einiges zusammen, auf den Straßen, in einer Kirche, in den Showrooms und den Messehallen. Eventi, Eventi, wohin man kommt und worauf man schaut. Jede Menge Gestaltung und „Design after Design“ – mit Prosecco, netten Leuten und Überraschungen. Das Stylepark-Team war auch dieses Jahr mittendrin.
Rapidité, rapidité, rapidité Dienstag, erster Tag von Salone und FuoriSalone, gegen 22 Uhr: Jasper Morrison legt vor. Saust auf einem schwarzen Rad (Marke bei dem Tempo, das er vorlegt, nicht erkennbar, aber schnittig) von der Via Palermo (entgegen der Einbahnstraße) links in die Via Solferino. Er ist nicht zu fassen. Hinterher saust – auf der neuen Ikone des milanesischen Straßenbildes, dem Mietrad – Konstantin Grcic. Zwei, die das Tempo vorgeben. Dank „bikemi“ sind Showroom- und Event-Hopping eine „cosa semplice“. (ua) |
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Lee mobil Im vergangenen Jahr hatte er noch ein ganzes Kaufhaus mit seinen Neuheiten eingerichtet. Dieses Jahr nun machte Lee Broom mobil – und kutschierte banale Kugelleuchten im Laster durch die Stadt. Sein Selbstbewusstsein hat – das konnte man in der Via Solferino vor dem Showroom des Küchenherstellers Boffi beobachten – allerdings nicht gelitten unter dem radikalen Downsizing. (jj) |
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Kling, kling, kling Was ist der Klang von Mailand? Eine Frage, der die Künstlerin Chiara Luzzana mit ihrem Projekt „The Sound of City“ nachspürt, in dem sie Warntöne eines rückwärtsfahrenden Müllwagens ebenso aufzeichnet wie den Ton, der entsteht, sobald sie typische Mailänder Metallgitter anschlägt. Die Stadt tönt unablässig. Selbst die Ausstellungen der Triennale sind stets von einer esoterisch angehauchten Musikwolke unterlegt. Handfester geht es inmitten der Halle für Küchentechnik der Messe zu, wo Gaggenau einen Hephaistos auftreten lässt. Schon von Ferne ertönt sein regelmäßiges Kling, Kling, Kling. Der Schmied und Gestalter Tom Carstens aus Degerndorf, so sein tatsächlicher Name, lässt vor Ort Nägel entstehen, wie sie die Hammer- und Nagelschmiede Gaggenau um 1683 in ähnlicher Form produzierte. So feiert Gaggenau sein 333jähriges Bestehen. Der Rhythmus sei entscheidend, sagt Carstens nicht etwa die Kraft, „die kommt dann schon von selbst“ – und lässt den Hammer wieder tanzen. (te) |
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Design im Bademantel Ob mitten in der Brera oder weit draußen in einem der Randbezirke – die Plakate, die für die wiedererstandene Triennale und deren Thema „Design after Design“ werben, sind in Mailand allgegenwärtig. Man sieht zum Beispiel einen Mann im Bademantel, der am Herd steht. Oder einen, der vor seinem Bett kauert. Der eine hält ein seltsames gelbes Objekt in der Hand, der andere scheint dasselbe bewundernd zu betrachten. Beide werden sie, wie übrigens auch die Triennale, das Objekt nicht los. (tw) |
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Der hat den Bogen raus Regelmäßigen Salone-Besuchern kennen sie: die geschwungenen roten Handläufe in den Stationen der Mailänder U-Bahnlinie M1. Im Showroom von Cassina tauchte der Bogen nun überraschenderweise im Gestell eines Sessels wieder auf. Kein Wunder, ist der Sessel namens „Tre Pezzi“ doch die Reedition eines Entwurfs von Franco Albini, dem Architekten der Bahnhöfe der 1964 eröffneten M1 der Metropolitana di Milano. (jj) |
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Warten auf Marcel Godot Der Mann ist omnipräsent: Moooi, Poliform, Cybex, Magis, Baccarat, Louis Vuitton, Safilo… Er ist in greifbarer Nähe – und doch so fern. Ein fixer Termin bedeutet in manchen Universen wohl – genau: nichts! Aber selbst mein Programm ist stramm getaktet, deshalb sind dieses Mal aller guten Dinge nicht drei – und das Interview mit Marcel Wanders wird nach zwei Versuchen hinfällig. Ich werde ihn wohl künftig Godot nennen. Fazit: Auch ich kann Diva! (ua) |
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Rund ums Rad Endlich kamen Bewegung und Realität ins Design. Man muss ja kein Prophet in Sachen urbaner Mobilität sein, um zu bemerken: Dem Fahrrad gehört die Zukunft. Und wenn Dario Pegoretti – eine Legende, wenn es um hochwertige, individuelle Rahmen für Rennräder geht – Uwe Fischer, Hans-Georg Pospischil und Studierende der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart die Köpfe zusammenstecken, dann kommen eben 15 wirklich überraschende und innovative Kreationen rund ums Fahrrad zustande – vom innovativen Sattel bis zur Jacke, die sich beim Fahren aufmerksamkeitsfördernd aufbläst und so für mehr Sicherheit sorgt. Und wo hätte „Più di Pegoretti“ besser vorgestellt werden können als bei Rossignoli mitten in der Brera. (tw) |
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Korrekt glotzen Es handelt sich vermutlich um eines der meistgesehenen Produkte in Mailand: der Flachbildfernseher der Bouroullecs! Viele Hersteller schienen regelrecht erleichtert, dass es jetzt eine gestalterisch korrekte Glotze gibt und stellten „Serif“ deshalb vielfach in ihren Wohninszenierungen auf. Demnächst wird der Fernseher übrigens auch in Deutschland verkauft, aber nicht im Elektromarkt, sondern in den Showrooms von Vitra und Ligne Roset. (jj) |
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Mind the gap Das Messegelände, das der Salone del Mobile alljährlich ins satte Rot seines Corporate Design taucht, ist auch schon 10 Jahre alt. Wie Architekt Massimiliano Fuksas Pavillons anordnete, Wege dazwischen legte und über die Verbindungen Glasdächer stülpte, die wirken wie ein sanft darüber gelegtes transparentes Tuch, ist bis heute sehenswert. Und es lässt sich gut benutzen. Bis auf dieses kleine Detail, das alle regelmäßigen Nutzer des Pressezentrums im ersten Stock des Centro Sud auf dem Messegelände kennen. Wer von dort auf die Messe zusteuert, sieht auf nahezu gleicher Ebene einen Zugang. Was würde man nicht dafür geben, den direkten Weg gehen zu können? Erst recht bei gefühlt 15 bis 30 Kilometer Fußweg pro Tag auf dem Messegelände, durch Bahnstationen, Unterführungen und auf Mailänder Straßen mit ihren grob behauenen Platten und hohen Trottoirs. |
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Fleißiges Bienchen Diese Arbeitsbiene fliegt nicht von Blüte zu Blüte – sie liefert sie aus. Denn Mailand ist nicht nur die Stadt des Duomo und der Palazzi – versteckt in unzugänglichen Höfen oder auf üppig begrünten Dachterrassen pflegen die Mailänder auch viele prachtvolle Gärten, als Gegenpol zu den steinernen Straßen. (jj) |
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Angepackt und mitgemacht! „Design after Design“ – das Thema der Triennale erwies sich leider als recht abstrakt und leicht missverständlich. Die Folge: Oft genug werden doch wieder nur Objekte präsentiert. Ganz anders bei „Hands On“, dem deutschen Beitrag. Der Rat für Formgebung hat die Veränderungen ernst genommen und ein Projekt mit Schülerinnen und Schülern aufgesetzt, bei dem Teamarbeit, Gestaltungsprozess und Problemlösungskompetenz im Zentrum stehen. In einem Workspace wird angepackt und mitgemacht – damit, angeleitet von renommierten Designern, sich die Fächer an der Außenseite des temporären Designstudios mit den Lösungen einer intensiven „Co-Creation“ füllen. Ein Plakat, handmade by Erik Spiekermann, gibt’s obendrauf. (tw) |
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Pyramidales Gefühl Der Kontrast hätte größer kaum sein können: Hier die Home Collection von Hermès – ein Inbegriff von Perfektion. Dort die 17.000 Ziegelsteine, die das Setting für die Präsentation im Teatro Vetra bildeten – eher rau, fast unfertig. Charlotte Macaux Perelman und Alexis Fabry, die beiden neuen künstlerischen Direktoren des französischen Luxuslabels, hatten dem mexikanischen Architekten Mauricio Rocha eine Carte Blanche für den Bau gegeben. Er konzipierte eine Struktur, die an das Innere von Pyramiden erinnerte, mit Licht und Schatten spielte und immer wieder neue Perspektiven eröffnete – geheimnisvoll und virtuos. (ua) |
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Hellas Nagelstudio Hella Jongerius kümmert sich bei Vitra nicht nur um die Farben der Sofas, Stühle und Kissen. Die niederländische Designerin beweist auch bei der Auswahl einer ganzen Palette von Nagellacken Geschmack, wie Besucherinnen der „Casa Vitra“ ausprobieren konnten. Nur beim Farbton Mausgrau waren wir uns nicht ganz sicher. (jj) |
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Planetarischer Geschirrkorb Die Zona Tortona bot einst eine spannende Mischung aus Experiment, Traum und Realität. Heute machen sich Straßenkünstler und Tinnef-Bastler sowie Marken aller Branchen hier breit, oftmals mit eher kurzfristigen kommerziellen Interessen. Ausnahmen wie Moooi oder e15 bestätigen die Regel. Erstaunlich, dass Miele seine visionäre Inszenierung „The Invisible Kitchen“ gerade hier präsentiert. In einem abgedunkeltem Raum steht auf vier Metallstützen ein ringförmiges transparentes Gehäuse, eine Art Riesengeschirrkorb, angestrahlt von LEDs in wechselnden Farben. Zumindest ältere Semester fühlen sich ein wenig an die Cover art des „Electric Light Orchestra“ von 1977 erinnert, die Illustrator Shusei Nagaoka schuf. Sie stellte ein in grellen Farben leuchtendes Raumschiff dar. Vom Effekt-Rock („Don’t bring me down“, „Confusion“) der britischen Antwort auf die Gibb-Brüder ist hier sonst wenig zu verspüren. Von Konfusion durch Technik schon. So verrät uns das Gemüse künftig per Touchdisplay wie viel es wiegt, welche Bestandteile es hat und wo wir es am besten durchschneiden. Für alle, die sich auf dem großen Rundsofa unterhalb des schwebenden Gebildes niederlassen, gibt’s unterhaltsame Belehrung. Es geht ums Planen, Kochen und Aufräumen in der Küche von morgen. Und die projiziert uns den richtigen Platz für Teller und Besteck gleich auf den Tisch. Denn auch in Zukunft wird es darum gehen, bloß nichts falsch zu machen bei den alten Kulturtechniken. Hübscher Lerneffekt! (te) |
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Bekenntnisse Ingo Maurer hat nicht nur Mailands brutalistischen Hochhauskasten Torre Velasca des nachts in lodernd rotes Licht getaucht, er ist auch in die Kirche gegangen, genauer in die 1631 fertiggestellte, heute profanierte Chiesa San Paolo Converso an der Piazza Sant’Eufemia. Woraus ein ganz besonderes Zusammenspiel aus barocker Architektur, Wand- und Deckengemälden der Cremoneser Malerfamilie Campi und Maurers schwebenden Lichtobjekten entstanden ist. (tw)
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