Wassertropfen perlen eine geneigte schwarze Ebene hinab. Wie kleine Edelsteine entspringen sie einer verborgenen Quelle und bilden am oberen Ende der schiefen Ebene den Schriftzug „Senseware". Jeder Buchstabe entsteht aus vielen kleinen, sanft wachsenden Wassertropfen, die, haben sie eine bestimmte Größe erreicht, die schwarze, mit Stoff bezogene Fläche hinunterkullern. Gebannt verfolgen die Besucher das Schauspiel, das sie in ein Wechselbad der Gefühle stürzt, die von Erstaunen, Neugier und Bewunderung bis zu Begeisterung reichen. So berauscht, betritt man die Ausstellung und fühlt sich willkommen in der fabelhaften Welt der Schau „Tokyo Fiber '09 - Senseware" im Gebäude der Triennale in Mailand.
Unter der Leitung des japanischen Designers Kenya Hara haben sich siebzehn kreativ Schaffende aus den Bereichen Architektur, Interieur Design, Produktdesign, Kunst, Medienforschung, Fahrzeugbau und Mode Design - darunter so bekannte Namen wie Shigeru Ban, Ross Lovegrove und Antonio Citterio - sich der Aufgabe gestellt, neue, mittels hoch-technologischer Verfahren hergestellte Materialien, die aus künstlichen Fasern produziert werden, auf ihre mögliche Nutzung hin zu untersuchen und ästhetisch ansprechend und originell vorzustellen. Denn mit den neuen Materialien wächst auch das Bedürfnis nach einer Antwort auf die Frage, wie diese attraktiven Materialien angewendet werden können: Ohne entsprechende Ideen lässt sich das Potenzial der neuen Stoffe kaum ermessen. Also wurden in Zusammenarbeit mit sieben japanischen Faserherstellern die Eigenschaften und die Leistungsfähigkeit der Materialien sichtbar gemacht und hervorgehoben.
Die Schau „Senseware" hat es sich somit einerseits zur Aufgabe gemacht, Materialien dazu zu nutzen, den kreativen Instinkt des Menschen anzuregen und den Wunsch zu wecken, überraschende Dinge zu schaffen. Andererseits galt es, innerhalb einer Ausstellung ein eigenständiges Werk zu schaffen, das sensibel auf die Wünsche des Menschen eingeht und diese in einer sinnlichen Weise zum Ausdruck bringt. Eben das ist auf außergewöhnliche Weise gelungen. Was man sieht, will man auch fühlen, und was man gesehen und erfühlt hat, davon will man mehr wissen. Also wurde man überrascht, inspiriert und unterhalten, ohne Bevormundung angeleitet und spielend informiert.
Der Entwurf „To be someone", eine Atemschutzmaske aus einem hoch thermoplastischen Faservlies, spielt mit dem Bild von Mundschutz tragenden und gesundheitsbewussten Japanern. Die Maske gibt es entweder in einer menschlichen Gesichtsform oder mit dem Maul eines Affen. Die Affenmaske zeugt nicht nur von ostasiatischem Humor, sondern auch von der Akzeptanz der menschlichen Abstammung vom Affen.
Das eigenartig fremde Wesen in menschlicher Form mit dem Namen „Fiber Being" wird, wenn es mit einem Mal anfängt zu atmen, plötzlich viel artverwandter. Am Rücken deutet ein Reißverschluss auf eine Ganzkörperbekleidung hin, die vor unerwünschten Blicken und harten Stößen schützt, wird das halbdurchsichtige, aufgewickelte Fasermaterial doch hauptsächlich zur Polsterung benutzt.
So flaniert man von einem Objekt zum nächsten, begegnet Sofas, die ihre Gestalt verändern, durch Zimmer kriechenden Beuteln, die Staub aufsammeln, extrem leichten Stühlen und leuchtenden Geweben. Jeder Entwurf ist ein Blick in eine neue, andere Welt - und alle sind sie in einem freundlich-hellen, weißen Universum vereint. Willkommen im 21. Jahrhundert.
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