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"Corner", Design: kaschkasch

MICROLIVING
Lebensnahes Handwerk

Müller small living fertigt seit 150 Jahren im friesischen Bockhorn alle Produkte in Eigenregie. Mit puristischer Formensprache und multifunktionalem Charakter treffen ihre Holzmöbel auch 2019 noch den Nerv der Zeit.
von Anna Moldenhauer | 13.06.2019

Wenn man auf den großen Möbelmessen von Stand zu Stand geht, könnte man den Eindruck bekommen, dass jeder Besucher in den eigenen vier Wänden mindestens 100 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung hat. Ausladende Sofalandschaften, überdimensionierte Beistelltische und imposante Raumtrenner sind schön anzuschauen, haben mit der gängigen Wohnsituation in den Großstädten aber nicht viel gemein. In den kleinen Apartments zählen Lösungen, die sich elegant im Hintergrund halten, Stauraum bieten und flexibel auf die Anforderungen des Alltags reagieren. Müller small living hat den Trend zum multifunktionalen Möbel früh erkannt und schon 1966 mit der Stapelliege von Rolf Heide eine raumsparende Schlafmöglichkeit geschaffen. Noch heute ist das reduzierte Bett Ausdruck der Produkt- und Designphilosophie des friesischen Unternehmens: Die Funktion steht an erster Stelle, die Form folgt. Handwerk und frische Ideen sind für Jochen Müller, der das Familienunternehmen in der fünften Generation leitet, Kernpunkte für die Entwicklung der Produkte. "Wir wollen keine Möbel aus der Raumfahrtindustrie anbieten, sondern erschwingliche, handwerkliche Lösungen", resümiert er.

"Stapelliege", Design: Rolf Heide
"Wingcube" mit dreh- und klappbarer Tischplatte, Design: Murken Hansen
Regal "Vertiko", Design: Sascha Sartory

Für den Entwurf lässt er den Kreativen so weit wie möglich Freiraum: "Wir definieren für unsere Designer Produktkategorien, aber keine klaren Vorgaben. Das hat sich bewährt und neue Typologien geschaffen. Wenn man sagt, man hätte gerne einen Schaukelstuhl, bekommt man einen Schaukelstuhl. Wenn man aber angibt, man hätte gerne eine 'bewegte Sitzmöglichkeit' kommen Ideen ans Licht, die für den Markt überraschend sind", so Müller. Auf diese Weise entstanden beispielsweise der "Duotable" von Michael Hilgers, dessen zweigeteilte Platte sich stufenlos aufklappen lässt und sowohl Stauraum als auch eine Halterung für das Tablet vereint. Benötigte Kabel werden versteckt durch das Tischbein in den Stauraum geführt. Vom Arbeitstisch bis zum Esstisch bietet der leichte Helfer aus Birkenschichtholz zudem für jede Tageszeit eine praktische Fläche. Stylepark prämierte die Idee des "Duotables" zur imm 2019 mit dem Stylepark Selected Award.

In der Position flexibel zeigt sich auch "Workout" vom Designerduo Murken Hansen, der sich mit verstellbarer Arbeitsplatte schnell vom Sitz- zum Steharbeitsplatz wandeln lässt. Gleichzeitig bietet der Wandsekretär viel Stauraum für Büroaccessoires und eine magnetische Rückwand für Notizen. Auch hier besteht der Korpus aus Birkenschichtholz, ein Rohstoff, der für Müller viele Vorzüge hat. Neben dem schnellen Wachstum des Holzes lässt sich das stabile Material auch mit einfachen Werkzeugen gut verarbeiten, ein Merkmal, das den Designern viel Spielraum für Experimente gibt.

"Duotable", Design: Michael Hilgers
"Workout", Design: Murken Hansen

Aktuell in Arbeit sind ein neues Regalsystem und ein Bett mit dem Kölner Designstudio kaschkasch sowie ein weiteres Regalsystem mit den Designern Wladimir Rommel und Enzo Sundermann. Zudem feilt Müller small living im Objektbereich an neuen Perspektiven für kleine Räume: "Wichtig ist, dass der Stauraum leicht wirkt und robust ist", so Jochen Müller. Anhand des Grundrisses entwickeln sie jeweils die Möblierung bis ins Detail. Dazu arbeitet das Team gemeinsam mit Florian Kallus und Sebastian Schneider von kaschkasch daran, das Programm "Corner" als Serienprodukt für den Objektbereich anzubieten und somit eine Alternative zu den gängigen Sonderanfertigungen zu stellen.

Blick in die Produktion bei Müller small living

Für die Produktion der Möbel setzt Müller small living auf das Prinzip "Alles aus einer Hand" – das Unternehmen bildet selbst Tischler aus und fertigt so viel wie möglich selbst. Muss etwas hinzugekauft werden, wie Bauteile aus Glas oder Metall, kommen für Jochen Müller schon aus Gründen der Produktivität nur lokale Spezialisten in Frage. "Wir wollen mit den Menschen, mit denen wir arbeiten als Familienunternehmen gute Partnerschaften eingehen, da sind kurze Kommunikationswege wichtig", sagt er. Das Ergebnis sind funktionale Produkte mit einem kleinen Aha-Effekt, die sowohl in der Studenten-WG wie auch im luxuriösen Microapartment ihren Platz finden.

Jochen und Katja Müller