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ZiegertKnightFrank

Im Zusammenspiel

Oskar Melzer entwirft Innenarchitekturen, die aus jedem Blickwinkel gut aussehen. Im Interview erzählt er, worauf es seiner Meinung nach bei der Gestaltung von Räumen ankommt.
von Anna Moldenhauer | 23.07.2019

Anna Moldenhauer: Oskar, wie schaffst du es, immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein?

Oskar Melzer: (lacht) Ich glaube, das ist rein intuitiv bei mir. Ich versuche so weit wie möglich auf mein Bauchgefühl zu hören. Wenn man nur danach geht was modern ist, wird es kompliziert. Aber eine Formel gibt es dafür nicht.

Du warst bisher unter anderem DJ, Gastronom, Clubbetreiber, Regieassistent, Galerist und hast ein Internet Start-up gegründet. Würdest du dich selbst als Autodidakt bezeichnen?

Oskar Melzer: Alle diese Stationen sind quasi ineinander gewachsen. Als Teenager habe ich angefangen Platten zu kaufen. Dann war der nächste Schritt, in Clubs aufzulegen. Durch die Musik bin ich in eine avantgardistische Welt hineingekommen, somit haben sich weitere Schritte ergeben. Bei dem Entwurf des "Weekend Club" haben wir mit Robertneun Architekten zusammengearbeitet, die ganz toll sind. Über sie habe ich gelernt, wie Architekten arbeiten. Viele Sachen sind zudem durch einen Zufall entstanden.

Spielt der Zufall eine große Rolle in deinem Leben?

Oskar Melzer: Ja. Zufall spielt eine große Rolle, aber man muss auch darauf vorbereitet sein, ihn greifen zu können.

Wie würdest du deine Berufsbezeichnung nennen? Innenarchitekt, Interieurdesigner, Konzeptentwickler?

Oskar Melzer: Es ist eine Mischung aus dem Ganzen. Eine Idee zu haben, daraus ein Konzept zu entwickeln, etwas zu entwerfen, zu gestalten. Und dann als letzten Schritt nach vorne zu gehen und zu hoffen, dass es erfolgreich wird.

Kürzlich hast du in Zusammenarbeit mit dem Architekt Paul Bauer für ZiegertKnightFrank einen neuen Showroom entworfen.

Oskar Melzer: Ich würde es "Shop" nennen.

Hattest du hierfür ein klares Briefing?

Oskar Melzer: Ich glaube ihnen war wichtig, dass dieses Büro nicht aussieht wie alle anderen Immobilienbüros. Es hat mich in der Recherche sehr überrascht, wie die Räume eines Start-ups besser designt sein können als die Immobilienbüros, wo Millionen von Euro umgesetzt werden. Schließlich ist es dort sehr wichtig auf den ersten Blick zu sehen, dass der Makler weiß was Qualität, was Style bedeutet. Den Raum für ZiegertKnightFrank habe ich in zwei Atmosphären geteilt: Wenn man ihn betritt, kommt man in eine Art Loungebereich, der zum Kennenlernen dient. Der hintere Bereich dient mehr der Konzentration. Die Farbe der Fronten dort, das Petrol, stammt übrigens aus einem OP-Bereich. Die vielen Einbauschränke bringen neben der Farbwirkung zudem optische Ruhe.

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Was ist dir in der Gestaltung wichtig?

Oskar Melzer: Farbe ist extrem wichtig für mich, ebenso wie die Qualität der Materialien. Ich denke, das sieht im Ergebnis auch der Kunde.

Woher kommt dein Gespür für Farben? Du hast zum Beispiel Saphirblau und Rotorange bei der Gestaltung des Maxie Eisen bereits zu einer Zeit verwendet, als diese Töne noch nicht im Trend waren.

Oskar Melzer: Ein bisschen aus der Not, weil ich glaube, dass man mit Farben auch bei sehr begrenztem Budget viel bewirken kann. Wie entscheidend Farben für eine Wirkung sein können, habe ich auch von Farah Ebrahimi gelernt, der Artdirektorin von e15.

Du hast die letzten Jahre viel im Bereich der Gastronomie und Clubkultur gearbeitet, aktuell entwirfst du zunehmend das Interieurdesign von Büros, von Showrooms. Siehst du das als Neuausrichtung?

Oskar Melzer: Dass, was mir bei allen meiner Projekte am meisten Spaß gemacht hat, war das Gestalten der Räume. Wenn der Laden fertig war, war für mich eigentlich die Sache abgeschlossen. Daher war es logisch zu sagen – ich mache das, was mir am meisten Spaß macht und was ich höchstwahrscheinlich auch am besten kann: Innenräume gestalten.

Sprich die neue Fokussierung ist für dich eigentlich keine Herausforderung, sondern mehr eine logische Schlussfolgerung?

Oskar Melzer: Es ist eine logische Schlussfolgerung, aber auch eine neue Herausforderung, weil ich ja nicht mehr der Bauherr bin. Das heißt, ich verwalte Geld von anderen Leuten, die Verantwortung ist komplett anders.

Und du hast jetzt auch Stimmen von außen, mit denen du dich auseinandersetzen musst.

Oskar Melzer: Je weniger mir andere Leute in meine Ideen hineinreden, desto besser wird das Resultat. Vielleicht habe ich da Glück: Natürlich hat man einen Abstimmungsprozess, aber meine Entscheidungen wurden bisher von den Auftraggebern nicht negativ kommentiert.

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Wie kann ich mir deinen Arbeitsprozess vorstellen?

Oskar Melzer: Meistens entwickelt sich die Idee von der Innengestaltung bereits, wenn ich den Raum besichtige. Anschließend erstelle ich Moodboards, verwerfe meine Ideen tausendfach und am Ende wird meist die Idee, die ich als erstes hatte, umgesetzt. Bei der Farbauswahl hilft mir auch oft meine Frau, mit ihr arbeite ich viel zusammen.

Wenn du nach vielen Schleifen die Idee umsetzt, die du als erstes hattest, warum setzt du diese nicht sofort um? Brauchst du den Prozess des Hinterfragens?

Oskar Melzer: Der Prozess ist mit Blick auf die Bauherren schon relevant. Ich kann ja nicht sagen "Ich habe etwas im Kopf, ich baue jetzt und hier sind die Schlüssel. Viel Spaß." Für mich ist es auch hilfreich die Idee ein paar Mal zu drehen. Im ersten Schritt sind die Details noch nicht ausgereift. Wie Materialien zusammenpassen, oder ganz praktische Dinge. Die entstehen dann in Zusammenarbeit mit dem Architekten, wie mit Paul Bauer. Der fragt mich dann zum Beispiel was mit dem Wasseranschluss ist, an solche Dinge denke ich oft nicht sofort. Ich kümmere mich um die Gestaltung, er um die Details. Immer, wenn es kompliziert wird, muss es Paul machen. (lacht)

An welchen Ort gehst du, um den Kopf freizubekommen?

Oskar Melzer: Ich habe in den letzten Jahren das Spazierengehen für mich entdeckt. Das kann man in Frankfurt ganz gut, weil die Stadt ja relativ klein ist. Die besten Gedanken entstehen, wenn ich ein bisschen raumlaufe und für mich bin.

Deine Interieurs wirken auf mich oft wie Filmsets. Gleichzeitig sind viele deiner Läden nach jüdischen Gangstern benannt. Warum faszinieren dich diese künstlichen Welten?

Oskar Melzer: Die Filmwelt hat mich schon immer interessiert, deswegen gab es auch den Punkt, an dem ich Regie studieren wollte. Ob das jetzt in der Architektur so eine große Rolle spielt, weiß ich nicht. Trotzdem sagt man mir oft, dass meine Entwürfe wie Filmsets aussehen. Vielleicht liegt das daran, dass ich stets hinterfrage, wie der Raum auf einem Foto wirkt. Ich versuche eine Form der Perfektion zu erreichen, egal aus welchem Winkel man den Raum betrachtet.

Was ist dein Lieblingsfilm?

Oskar Melzer: "Badlands".

Warum?

Oskar Melzer: Ich könnte noch zehn andere nennen. "American Gigolo" finde ich vielleicht genauso wichtig. Ich finde auch "Der Pate" toll. Am Ende sind es die Dialoge, die Ästhetik, die Kameraführung, die Schauspieler.

Das Zusammenspiel.

Oskar Melzer: Ja.

Zum Punkt Zusammenspiel: Du setzt gerne auf Kontraste, im Material und in den Farben. Gleichzeitig sind deine Räume wohnlich und strahlen eine gewisse Coolness aus. Welcher Punkt ist dir im Ensemble am wichtigsten?

Oskar Melzer: Das A und O für mich ist die Gemütlichkeit. Man muss sich in einem Raum wohlfühlen. Solange das funktioniert, ist es egal, ob ein Raum cool ist oder nicht. Und wer definiert diesen Begriff? Was heute cool ist, kann übermorgen auch schon wieder uncool sein.

Wenn ein Projekt kommerziell wurde, bist du ausgestiegen. Ist es nun ein Spagat für dich, wenn du einen Raum für eine Immobilienfirma entwirfst?

Oskar Melzer: Ich glaube kommerziell ist das falsche Wort. Es geht um Kompromisse. Bei meinen Läden war es zumindest so. Der "Weekend Club" ist da ein gutes Beispiel, da er zu Beginn kein kommerzieller Club war. Irgendwann ist das Projekt in eine Richtung gegangen, die für mich nicht mehr richtig war. Wenn man zu viele Kompromisse eingehen muss, entsteht etwas Neues. Dann muss man für sich entscheiden, ob das Neue einem gefällt oder nicht.

Was hat dich angetrieben trotzdem weiterzumachen und dir stets neue Felder zu suchen?

Oskar Melzer: Der Spaß an der Sache. Man darf nicht vergessen: Die Clubs habe ich vor gut 15 Jahren gemacht. Mit Ende Zwanzig, Anfang Dreißig macht es viel Spaß, einen Club zu betreiben. Die Projekte müssen zum Lebensabschnitt passen. Ich könnte mir nicht vorstellen, heutzutage einen Club zu machen. Ich wüsste gar nicht, was ich meiner Frau sagen sollte, wenn ich um sieben in der Früh nach Hause komme und um acht die Kleine in den Kindergarten fahren muss.

Oskar Melzer im Gespräch mit Anna Moldenhauer, Stylepark

Du bist noch nicht so lange in Frankfurt, vorher hast du in Berlin und München gelebt. Seit du hier bist, hast unter anderem die Bar Maxie Eisen und das Restaurant Stanley Diamond entworfen, ein Projekt für den Frankfurter Flughafen geplant, du arbeitest eng mit e15 zusammen. Für jemanden der von außen kommt, ist das nicht schlecht. Was hat dich nach Frankfurt gezogen?

Oskar Melzer: Erst einmal bin ich in der Stadt wegen der Familie. Das ist natürlich der Hauptpunkt, meine Tochter geht hier zum Kindergarten, meine Frau lebt hier, die Großeltern sind da. Dass ich in Frankfurt ein bisschen etwas bewegt habe, ist toll. Aber ich glaube, das liegt eher daran, dass ich gerne Projekte realisiere. Es war nie die Intention zu sagen "So, jetzt mische die Stadt auf."

Gibt es denn noch etwas, was du gerne in Frankfurt verändern möchtest?

Oskar Melzer: Die Freßgass ist mit Blick auf den Quadratmeterpreis höchstwahrscheinlich eine der teuersten Straßen in Deutschland – und schau dir einmal die Läden da an. Das würde ich wahnsinnig gern verändern, weil ich glaube, da kann man mehr rausholen.

Was genau würdest du gerne verändern?

Oskar Melzer: Hauptsache es kommen nicht noch mehr Boutiquen dazu, lieber ein paar schöne Lebensmittelläden. Heißt ja auch – Freßgass. Ich glaube die Straße könnte unglaublich toll werden. Newcomer können hier nur leider kaum etwas mieten, da die Fläche zu teuer ist.

Fehlt Frankfurt ein wenig der Blick nach vorne?

Oskar Melzer: Es hat sich in den letzten Jahren schon extrem viel verändert in Frankfurt. Aber ja, ich glaube, da ist noch viel Platz für größere Entwicklungen.

Woran arbeitest du gerade, auch über Frankfurt hinaus?

Oskar Melzer: Es gibt ein Boarding-House, an dem ich arbeite. Dann gibt es ein paar Pop-up-Läden. Und was für mich auch wahnsinnig interessant ist – ich glaube 45 Prozent aller Immobilien, die gerade verkauft werden, werden als Investment verkauft. Und die müssen natürlich eingerichtet werden. Hierfür das richtige Paket anzubieten finde ich spannend. Ich bin an einem Punkt, an dem ich mich auch noch einmal neu orientieren und definieren möchte. Ich denke, dass die Rolle des "Creative Director" für den Immobilienmarkt immer wichtiger werden wird. Dass man ein Projekt kreativ begleitet und schaut, wie man das Beste rausholen kann.

Sprich, du würdest das Gesamtkonzept erstellen wollen?

Oskar Melzer: Genau. Im Endeffekt geht es ja darum, dass man die richtigen Leute in das Projekt bringt. Wer wäre der richtige Architekt, wer wäre die richtige Agentur, welchen Grafiker sollen wir nehmen, wer soll die Musterwohnungen einrichten? Das ist ein Feld, das mich interessiert, weil du da viel mitbestimmen kannst.

Im Fazit: Du möchtest in der Zukunft mehr in Richtung Vermittlung, Dienstleistung gehen? Kann man das so sagen?

Oskar Melzer: Das kann man genau so sagen. Trotzdem liebe ich es Läden zu gestalten. Aber im Gesamtbild ist es das. "Lifestyle" ist ein schlimmes Wort, aber ich denke in Zukunft wird es entscheidend sein für den Erfolg eines Projektes. Man muss in der Innenarchitektur die Generationen auf beiden Seiten abholen, eine gute Atmosphäre schaffen und gleichzeitig Eindrücke bieten, die man gut über soziale Medien transportieren kann. Ich glaube je besser die Geschichte erzählt wird, desto besser kann man sie vermarkten.

Hast du bereits Rückmeldungen von ZiegertKnightFrank bekommen, wie ihre Kunden auf dein Konzept reagieren?

Oskar Melzer: Ich habe direkt am ersten Tag das netteste Kompliment bekommen, weil ein Kunde zum Makler gesagt hat: "Entschuldigung, können Sie ein bisschen zur Seite treten? Ich würde gerne das Büro fotografieren." Das fand ich toll. Der Kunde muss bereits beim Betreten des Raumes das Gefühl haben "Die wissen, was sie machen". Ich glaube, das ist das Entscheidende.

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