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2018 fotografierte Peter Lindbergh das Model Saskia de Brauw in Christian Diors "Diorama Dress" von 1947 auf dem New Yorker Times Square.

Lindbergh fotografiert Dior

Im Taschen-Verlag ist ein opulenter Doppelband erschienen, für den der kürzlich verstorbene Fotograf Peter Lindbergh die Modegeschichte des Hauses Dior in Szene gesetzt hat.
von Fabian Peters | 25.02.2020

Das Haus Dior ist eine Ikone der Haute Couture – und ein Spiegelbild der Modegeschichte. Christian Dior war der einflussreichste Modedesigner der Nachkriegszeit und machte Paris praktisch im Alleingang wieder zur führenden Modemetropole der Welt. Es war die Zeit als Eleganz das Ideal der Damenmode darstellte. Dior entwarf für seine vermögende Kundschaft Kreationen, die von den Zeitschriften in aller Welt bekanntgemacht und anschließend millionenfach von Kaufhäusern kopiert oder von Hausfrauen nachgeschneidert wurden. Als Dior 1957 starb folgte ihm sein Assistent, der damals erst 21-jährige Yves Saint Laurent, als künstlerischer Leiter des Hauses nach und bestätigte umgehend seinen Ruf als Wunderkind. Doch 1960 endete die Zusammenarbeit. Saint Laurent musste seinen für ihn zutiefst traumatischen Militärdienst antreten und eröffnete wenig später sein eigenes Modehaus. Während er dort nicht nur die Mode, sondern auch Vertriebswege und Marketing revolutionierte, begann für das Haus Dior ein schleichender Niedergang. Die Kundschaft überalterte zusehends, eine Vielzahl von Lizenzen spülte zwar Geld in die Kassen, aber verwässerte das Image des Modehauses immer weiter. Erst mit der Übernahme durch Bernard Arnault kam die Wende. Mit Gianfranco Ferré und vor allen Dingen John Galliano als Chefdesigner gelang es, Diors Ruf in der Haute Couture wiederherzustellen– und mit dem wiedergewonnenen Ruhm Prêt-à-porter-Mode, vor allem aber Handtaschen, Schuhe und Parfums zu verkaufen. Dior wurde zu einer der Blaupausen für Luxusmarken im 21. Jahrhundert.

Über Jahrzehnte begleitete der im September 2019 verstorbene Peter Lindbergh die Wandlungen des Hauses Dior mit der Kamera. 2018 unternahm er ein großangelegtes Projekt, bei dem er einige seiner bevorzugten Models, unter ihnen Alek Wek, Saskia de Brauw und Amber Valetta, in 80 Kleidern aus dem Dior-Museum auf dem New Yorker Time Square fotografierte. Die entstandenen Aufnahmen sind zugleich momenthaft und dramatisch. Immer wieder spielt Lindbergh mit Licht und Schatten, Schärfe und Unschärfe. Fast irreal scheinen die extravagante Roben Gallianos aus dem ununterbrochenen Strom der Passanten herauszublitzen. Die klassischen Abendkleider und Kostüme der Ära Christian Diors stehen dagegen in eigenartigem Kontrast zu den modernen Gesichtern der Fotomodelle während sie gleichzeitig auf der Bühne des Times Square seltsam stimmig wirken.

165 Bilder aus diesem Fotoprojekt umfasst der großformatige Doppelband, der nun im Taschen-Verlag erschienen ist. Hinzu kommen 100 Fotografien aus Lindbergh Archiv, auf denen er Schöpfungen von Dior für Zeitschriften wie die Vogue und Harper's Bazaar abgelichtet hat. Es war Lindbergh letztes großes Projekt vor seinem frühen Tod. Jetzt ist der prachtvolle Fotodoppelband gleichermaßen zu seinem Vermächtnis und zu einer Hommage an ihn geworden.

Peter Lindbergh: Dior
Mit einer Einführung von Martin Harrison
2 Bde., 520 S.
Köln: Taschen-Verlag 2019
150 Euro