Als Koziol ankündigte, mit einer Ausstellung in einem eigens erstellten Firmenmuseum, einer „Glücksfabrik", die mehr als achtzigjährige Unternehmensgeschichte zeigen zu wollen, war Skepsis angebracht: Wie kann sich ein Hersteller von Kunststoffgegenständen aus dem Odenwald mit einem Museum behaupten, ohne Gefahr zu laufen, mit all den millionenschweren Markenwelten verglichen zu werden, die in jüngster Zeit errichtet wurden? War das nicht ein bisschen zu viel an werblicher Emotionalisierung, an Glücksbegrifflichkeiten und Traumkugelei? Ein „Designgenerator" in der „Glücksfabrik", Shopping im „Glücksoutlet", Essen in der „Glückskantine" - all das hätte eine Menge Peinlichkeit und seltsames, hinterwäldlerisches Kleinklein bedeuten können. Doch die 1500 Quadratmeter große „Glücksfabrik" von Koziol ist ein lebendiger, kreativer und vor allem authentischer und liebenswerter Ort geworden.
Der klassischen Typologie eines Heldenepos folgend, beginnt man eine schicksalhafte Reise mit einem rituellen Aufbruch, etwa dem Überschreiten einer Wegmarke, die keine Rückkehr erlaubt, um schließlich in das Unbekannte einzutreten und einen Weg mit zahlreichen Aufgaben zu durchlaufen, an dessen Ende Erkenntnisgewinn und Läuterung stehen: Auch die Glücksfabrik betritt man zunächst durch ein bunt leuchtendes „Glückstor" von Maria Christina Hamel, das den Besucher - so ist es in der Pressemeldung zu lesen - auf eine „koziolisierte Weltanschauung" vorbereitet und einen „kathartischen Effekt" hervorruft. Ein „Time Cone" sorgt für die zeitliche Rückreise und leitet über zum Betreten der „Ivory Box": Hier werden die Anfangsjahre des 1927 als Elfenbeinschnitzerei gegründeten Unternehmens gezeigt, aus denen auch das sympathisch-kitschige Logo der Glücksfabrik, ein Rehkitz, stammt.
Vom Wiener Designer Tino Valentinitsch konzipierte Maschinen stehen dann für jede relevante Epoche des Unternehmens: die „Ivory Machine" für den Übergang von der Elfenbeinschnitzerei zur Spritzgussproduktion, die „Peace Machine" für den kreativen Erfindergeist, mit dem nach dem Krieg aus Plexiglasresten Schmuckstücke hergestellt wurden. Die „Souvenir Machine" in Wohnwagenform zeigt die Andenkenproduktion der Fünfziger, die „Wirtschaftswunder Machine" führt schonungslos röhrende Hirsche und andere Kitschprodukte vor. Die „Home Sweet Home Machine" steht für die Produkte der Siebziger zwischen Rebellion und Spießigkeit, die „New Wave Machine" für die schrägen Formen der Achtziger. Dazwischen gilt es laufend Hebel und Knöpfe zu betätigen, Maschinen in Gang zu setzen, Radarblitzer zum Fotografieren zu bringen. Man findet ein Schwarzes Brett aus der Firma der Vierziger, ein Traumkugellabor oder eine exemplarische Wand von Bonbongläsern voller Kleinteile aus der Produktgeschichte des Unternehmens, die im Firmenarchiv ganze Räume füllen. Man erlebt ein bisschen „gläserne Manufaktur" mit Einblick in die laufende Produktion, einen „Designgenerator", der die Entstehungsschritte eines Produktes sichtbar macht und auch eine „Good Machine", die den Umwelt- und Nachhaltigkeitsanspruch des Unternehmens vorstellt. Am Ende des Parcours - was sonst könnte heute wohl besser für Katharsis stehen? - betritt der Besucher das „Glücksoutlet", um der Dinge habhaft zu werden, die nun für ihn mit Geschichte aufgeladen sind.
All das kann man überzogen finden, man kann aber auch einfach Spaß daran haben: Koziol hat sich einen kleinen, gelungenen Erlebnisparcours gegönnt - keine Stararchitektur und kein so großes Spektakel wie in Charlys Schokoladenfabrik, aber auch kein übertriebenes Mehr-Schein-als-Sein und kein peinlicher Vogel-Pony-Märchen-Park. Es ist eine charmante Ausstellung, mit der die Firmengeschichte von ihren Anfängen als Elfenbeinschnitzerei über die kitschige Nippesproduktion der Fünfziger und die „crazy" Achtziger bis hin zum heutigen Unternehmen mit gewachsenem Designanspruch erlebbar gemacht wird. Das geschieht mit glaubhafter Emotionalität und zum Glück auch mit einer Bodenständigkeit, die davor bewahrt hat, überhaupt den Versuch zu unternehmen, mit den ganz großen Firmenmuseen mithalten zu wollen. Koziol erlaubt dem Besucher Einblicke in die eigene kleine und vielleicht tatsächlich noch heile Odenwälder Welt, bei der es dazugehört, jedem einzelnen beim Bau beteiligten Handwerksbetrieb in der Festschrift namentlich zu danken. Auch die „Glücksfabrik" vermittelt diese Haltung überzeugend und zeigt auf, dass klein und kreativ manchmal besser ist als groß und pompös. Nach dem Durchwandern und dem siegreichen Bezwingen der Maschinen kann sich der Besucher ein Stück Alltagskultur in die Mendini-Tasche packen und um ein paar Erkenntnisse reicher vielleicht sogar ein bisschen Glück mit nach Hause nehmen.