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Samstags baden wir im Wasser für Canitoga
von Silke Gehrmann-Becker | 19.03.2011

Ein Schreck. Ein Schrei. Ein Todesfall - und die Rettung für St. Peter ist nah. Wer das Glück hatte, mit dem Filmuniversum der Großelterngeneration aufgewachsen zu sein, damals schon in der Wiederholung der Wiederholung, das uns Kindern der siebziger Jahre mitgegeben wurde, kennt das Drama. Hansjörg Felmy als Roman Blatter, der sich mit Eisen und Seilen in die Gletscherwand hängt, um „An heiligen Wassern" im Schweizer Kanton Wallis für Leben zu sorgen, nämlich dafür, dass die zerstörten Gebirgsleitungen wieder kühles Nass transportieren. Die Liste der sonntagnachmittäglichen TV-Erlebnisse ließe sich beliebig fortsetzen, von „Wasser für Canitoga", in dem Hans Albers „Goodbye Johnny" zum Besten gibt, über „Und ewig singen die Wälder", in denen es das Erbe von Björndal über einen Flussweg zu retten gilt, bis hin zum „Hausboot", auf dem Sophia Loren und Cary Grant ihre Temperamente testen. Wasser floss und fließt seit jeher über die Leinwände, nicht erst seit Leonardo di Caprio seine Seele freiwillig (wie konnte er nur!) dem Ozean übergab, sind wir geprägt von allem, was H2O an schicksalsträchtigen Einschnitten in das Leben der Erdenbürger bringen kann.

Die moralische Ableitung solch früher Erlebnisse jedenfalls fällt kurz und knapp aus: Wasser ist kostbar. Baden immer samstags. Deine Geschwister können die verseifte Brühe auch noch nutzen. Regenwasser aus der Tonne zum Gießen der Blumen nehmen. Schlechtes Gewissen beim Ausleeren des Farbkastenwassers in die Spüle. Und auch die Waschmaschinen hatten es in sich - Spülstopp bis die orangefarbene Taste „weitergedrückt" wurde, erst dann rauschte neues Wasser auf die Wäsche für einen weiteren Waschgang.

Die erste Spülmaschine in den achtziger Jahren geriet dann auch zum kollektiv-familiären Gewissenskonflikt: Brauchen diese Dinger nicht schlicht viel zu viel Wasser - und dürfen wir das? Es folgte eine Phase des gierigen Geschirrkonsums aus allen Schränken ebenso wie übertriebenes Autowaschen vor der Garage, um das allererste Gefährt discofein den Freunden vorzuführen. Getrunken wurde nur der heimische Sprudel aus naher Quelle, etwas anderes suchte man im Sortiment des Dorfsupermarktes vergeblich.

Dann kamen die französischen Handtaschenwässerchen, und zum ersten Mal wurde über Treibhausgase und Eisberge philosophiert. Da hatten wir den sauren Regen schon wieder verdrängt und stürzten uns auf den Kessel 9093 von Michael Graves für Alessi - Design zur Rettung der Welt und des Wassers sollte es also letztlich sein. Die Konzepte für eine Containerburg am Strand von Kühlungsborn, die den Kreislauf des Wassers auch für Kinder verständlich erklären sollte, rückten in Anbetracht des eher auf Spaß angelegten Studienausflugs in den Hintergrund. Der Lehrstuhl für Ökologie und Design stellte uns später auf die harte Probe, als es mit drei Habseligkeiten in die Vogesen ging, tagelang mit Nichts unterwegs und Trinkgelegenheiten aus alten Flaschen, Dreck als Bodensatz inklusive. Was für ein Erlebnis war da die erste Dusche und nachhaltiges Denken auch in der Zivilisation für die nächsten Wochen - kein laufender Wasserhahn beim Zähneputzen für zwanzig jugendliche Designgeister. Der Weg war geebnet, zum H2O gesellte sich noch das CO2.

Heute streiten sich die Gelehrten über das Für und Wider des Wassersparens in den westlichen Ländern. Weniger Wasser in den Leitungen ist gleichbedeutend mit der Entwicklung von Keimen, da die Rohre nicht genügend durchgespült werden. Und durch den Mehraufwand entstehen Mehrkosten für eine Reinigung. Wasser wird als Folge teurer und das Gespenst der Dichtheitsprüfungen privater Abwasserleitungen bis zum 31. Dezember 2015 geht auch noch um.

Zahlen des BDEW, des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., weisen aus, dass sich der personenbezogene Wasserverbrauch in Deutschland im Zeitraum von 1990 bis 2009 um 17 Prozent verringert hat. Zur Begründung werden die neuesten Techniken in Haushalt und Industrie angefügt, so dass Deutschland und Belgien in diesem Bereich als Vorreiter der Industriestaaten gelten. Dabei ist beachtlich, dass 2007 von 188 Milliarden Kubikmetern Wasser, die für die öffentliche Wasserversorgung zur Verfügung stehen, „nur" 32,3 Milliarden Kubikmeter auch genutzt wurden. Aus dem gesamten Wasserkreislauf entnommen und ihm wieder zugefügt wurden nach BDWE Berechnungen demnach rund 17 Prozent. So ging der Wasserversorgungsbericht der Bundesregierung, erstellt 1980, noch von einem steigenden Wasserbedarf pro Kopf aus, der sich im Jahr 2000 auf 219 Liter pro Einwohner und Tag belaufen sollte; tatsächlich lag der Verbrauch bei 136 Litern, und das bei zunehmendem Wellness-Oasen-Verhalten im eigenen Badezimmer.

Die Brücke zwischen Endverbraucher und Industrie schlug gerade wieder einmal die ISH in Frankfurt. Die „Weltleitmesse" für innovatives Baddesign, energieeffiziente Heizungs- und Klimatechnik und erneuerbare Energien brachte die Fragestellungen zu den Ressourcen Wasser und Energie zusammen und vereinte im Grunde zwei Messen unter einem Dach. Die Besucher konnten sich selbst ein Bild machen, in welchem Maße sich Design zeigt und die Umwelt bewegen kann.

Dass es vom Wasser aus nicht so weit bis zur Mondfahrt ist, und die NASA das kühle Nass auch auf dem Mars gefunden haben will, wussten schon Doris Day und Rod Taylor: „Spion in Spitzenhöschen" von 1966 bringt beides vortrefflich zusammen und hat darüber hinaus sowohl Designer als auch Endverbraucher den Traum vom mobilen Saugroboter näher gebracht - aber das ist eine andere Geschichte.

Graphiken: Alejandro Mosquera Ochoa, Stylepark
Graphiken: Alejandro Mosquera Ochoa, Stylepark