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Vom 18. bis zum 24. September wird "Luminous Reflections" im Rahmen des London Design Festivals im Swarovski Crystal Palace ausgestellt.

STYLEPARK SWAROVSKI
Ohne Kitsch und Nostalgie

Am Anfang war alles rough und ready. Doch wie kommt man als Designer von Möbeln aus Sperrholz zur Gestaltung filigraner Kronleuchter? Das erklärt Tord Boontje im Interview.
06.09.2017

Tord Boontje tritt bedacht und leise auf – das mag man bei seinen mitunter verspielt wirkenden Möbel- und Leuchtenentwürfen nicht unbedingt vermuten. Sein kleines Studio im Süden Londons ist funktional eingerichtet, hell und einladend. Über den Schreibtischen funkelt der Kronleuchter "Blossom", Tord Boontjes erster Entwurf für Swarovski Crystal Palace. Der kreative Prozess für sein aktuelles Projekt "Luminious Reflections" lässt sich an einem Moodboard neben seinem Schreibtisch ablesen: Bilder von Landschaften, Pflanzenwelten, organisch geformte Kristalle ohne Schliff, die das Licht sanft reflektieren. Wie daraus ein Kronleuchter wird und was seine ersten "Rough & Ready"-Arbeiten mit seinen aktuellen Entwürfen gemein haben, das erklärt der Designer Anna Moldenhauer im Gespräch.

Anna Moldenhauer: Zwischen Ihrer "Rough and Ready"-Kollektion, die Sie vor 17 Jahren entworfen haben, und Ihren heutigen Arbeiten besteht ein deutlicher Unterschied hinsichtlich Formensprache und Wahl des Materials. Was ist geschehen?

Tord Boontje: Bei "Rough and Ready" ging es vor allem um einen demokratischen Designansatz. Möglichst viele Leute sollten Freude an diesen auch erschwinglichen Produkten haben. Den ersten Stuhl habe ich 1998 oder 1999 entworfen, das war kurz nachdem ich die Hochschule absolviert hatte. Mir ging es wie allen Anderen in dieser Situation, ich hatte wenig Arbeit, sehr wenig Geld, aber sehr viel Energie und den unbedingten Willen, meinen Vorstellungen Ausdruck zu verleihen. Die Möbel, die damals auf Messen präsentiert wurden, waren glatt, glänzend und minimalistisch. Ich wollte jedoch Möbel gestalten, die mir und meiner Lebenssituation zu diesem Zeitpunkt entsprachen, d. h. ich wollte Dinge mit nur sehr wenigen Mitteln schaffen und die Schönheit im Alltäglichen sehen. Mit dieser Einstellung lässt sich aus wirklich Allem ein Tisch bauen, er ist dann vielleicht nicht perfekt, aber es ist ein guter Tisch. Zunächst hatte ich nur eine kleine Kollektion für mein eigenes Haus angefertigt, aber dann kam schnell die Frage, ob ich die Sachen nicht ausstellen wollte, nachdem verschiedene Leute sie gesehen hatten.

2000 wurde meine Tochter Evie geboren und ich schaute mit ganz neuen Augen auf meine Lebensumgebung. Man entwickelt diesen Nesttrieb und wir wollten ein warmes und schönes Zuhause gestalten. Ich begann mich für folkloristische Kunst zu interessieren und schaute mir Sachen an, die aus der Zeit vor der industriellen Revolution stammten und wesentlich kunstvoller waren. Diese Dinge hatten für mich eine emotionale Qualität, die ich in der damaligen Welt vermisste, die ich als sehr hart, minimalistisch und maskulin empfand. Außerdem begann ich, Aspekte meiner Ausbildung in Frage zu stellen, damit meine ich die Tradition der Moderne, mit der ich in den Niederlanden aufgewachsen bin und die reflexhaft jegliche Form von Dekoration ablehnt. Ich fragte mich, wie das wäre, wenn wir bei der Gestaltung von Alltagsobjekten Dekoratives, Symbolisches und Verzierungen zulassen würden, ohne dabei ins Kitschige oder Nostalgische abzugleiten.

"Rough and Ready": Als Gegenpol zu den perfekten Formen der Möbel auf der Salone del Mobile schuf der Designer in den Neunziger Jahren Interieur aus Sperrholz.

Die Erkundung verschiedener ästhetischer Gestaltungsansätze wurde also immer wichtiger für Sie?   

Tord Boontje: Ja richtig, aber auch bei den "Rough and Ready"-Möbeln, die ja im Hinblick auf Materialien und Konstruktion sehr einfach gehalten sind, habe ich sehr viel Zeit damit verbacht, Modelle und Prototypen anzufertigen, um möglichst formschöne Proportionen zu finden. Meinen Arbeiten lag schon immer ein bestimmter ästhetischer Anspruch zugrunde, auch außerhalb der Welt des Showrooms.  

Und dieser persönliche Gestaltungsansatz führte 2002 dann zu Ihrer ersten Kooperation mit Swarovski Crystal Palace…

Tord Boontje: Als Teil der "Wednesday Collection" hatte ich mit "Wednesday Light" eine Leuchte entwickelt, die aus einer aus Metall ausgeschnittenen Girlande bestand. Ilse Crawford hatte sie gesehen, sie war damals Redakteurin für "Elle Decoration" und als Beraterin für Swarovski unterbreitete sie Vorschläge, mit welchen Designern das Unternehmen neue Kronleuchter entwickeln sollte. Es ging darum, mit einem anderen Material dem Kronleuchter eine romantische, aber zeitgemäße Anmutung zu verleihen. Mein "Wednesday Light" hat Ilse Crawford irgendwie überzeugt und daraufhin habe ich für Swarovski Crystal Palace den "Blossom"-Leuchter entworfen.  

Florale Formen sind zu einem Markenzeichen von Tord Boontje geworden - wie bei "Blossom", der erste Entwurf für Swarovski, der auch sein Studio in London ziert.

Kronleuchter sind ein wichtiger Teil Ihres Portfolios. Mögen Sie es eher opulent oder steht die grundlegende Neuinterpretation des Kronleuchters für Sie im Vordergrund?

Tord Boontje: Es ist wohl die Neuinterpretation, um die es mir in diesem Zusammenhang vor allem geht. Ein Kronleuchter ist natürlich ein markantes Statement, eine spannende Aufgabe für einen Designer. Viele dieser Leuchter bestehen aus Kristall, was dann in der Tat sehr opulent und nicht mein Fall ist. Dieses wunderbare Material auf sensible Weise einzusetzen ist nicht einfach.

Warum ist die Arbeit mit Kristallen für Sie etwas Besonderes? 

Tord Boontje: Es ist das Licht! Mit Kristallen zu arbeiten ist, als würde man das Licht selbst gestalten. Die Reflektion, das Funkeln und wie sie von innen glühen sowie die Farbwirkung, es ist wirklich ein sehr lebendiges Material. Außerdem kann man es in verschiedenen Kontexten mit einer jeweils ganz eigenen Wirkung einsetzen, es reagiert auf seine Umgebung.

Die LEDs bei "Blossom" liegen nah an den Kristallen - somit erstrahlen diese, ohne dass die Leuchtmittel selbst auf den ersten Blick zu sehen sind.

Würden Sie sagen, dass Licht ein zentrales Thema Ihrer Arbeit ist?  

Tord Boontje: Ja, Licht und Schatten waren schon immer wichtig für mich, von "Transglass" und den Papiervorhängen "Until Dawn" mit all den ausgeschnittenen Motiven bis zu "Shadow Fabric". Für Letztere haben wir ein Verfahren entwickelt, um angedeutete Schatten von Pflanzen so auf Vorhänge zu drucken, dass sie sehr realistisch wirken.

Ihre gegenwärtiges Projekt für Swarovski Crystal Palace heißt "Luminous Reflections", es handelt sich um einen Lüster mit integrierter LED-Technologie. Haben Sie diese Technologie hier das erste Mal eingesetzt?

Tord Boontje: Nein, ich hatte für den Blossom-Leuchter, den ich für Swarovski entworfen habe, bereits LEDs benutzt. Die LEDs sitzen dabei direkt neben den Kristallen, Halogenlicht wäre so nah an den Kristallen viel zu heiß. Außerdem sind LEDs wesentlich energiesparender, das hat einen hohen Stellenwert für mich und auch für Swarovski. Ich möchte Produkte gestalten, die so nachhaltig wie möglich sind. Es geht darum, etwas zu schaffen, das einen daran erinnert, wie wichtig es ist Dinge wiederzuverwenden und schonend mit Ressourcen umzugehen. Zugleich sollen die Objekte aber auch ansprechend, geschmackvoll und formschön sein. Für Swarovski hat Nachhaltigkeit wie gesagt ebenfalls eine große Bedeutung. Das Unternehmen nutzt beispielsweise Wasserkraft aus dem Fluss, um die Energie für die Produktion zu erzeugen. Überdies wird das Wasser, welches für den Glasschnitt erforderlich ist, in einem geschlossenen System gefiltert, gereinigt und wiederverwendet.

Hat es einen bestimmten Grund, dass Sie "Luminous Reflections" auf dem London Design Festival präsentieren?

Tord Boontje: Ja, ich lebe und arbeite in London und es fühlt sich gut an etwas hier in meiner Heimatstadt zu tun. Ich finde das Design Festival sehr ausgewogen, da es zwar durchaus kommerziell ist, aber eben auch sehr Experimentelles und Innovatives gezeigt wird. Für mich ist diese Mischung wesentlich. Mailand, vor allem die Euroluce ist eine sehr kommerzielle Messe. Das LDF ist insofern viel geeigneter, um dort eine Innovation aus Kristall und Licht vorzustellen.

Innovatives Verfahren: Für Swarovski hat Tord Boontje mit "Luminous Reflections" erstmals organisch geformte Kristalle ohne Schliff entworfen, die das Licht sanft reflektieren.