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Tausend mögliche Wasserwelten
von Thomas Wagner | 18.03.2013

Und – welcher Duschtyp sind Sie? Genussduscher oder Effektduscher? Keines von beidem? Dann gehören Sie vielleicht zu den Fokusduschern (das ist der Strahl mit dem „Whirl“). Und welche Düsen bevorzugen Sie in der belebend sprudelnden Wanne, die, so oder so, schon lange kein simpler, mit warmen Wasser gefüllter Behälter mehr ist? Ohne Jet-Stream, Rücken- und Fußdüsen tun wir’s doch nicht mehr, oder? Ob Sprudelbad, Sommerregen oder Massagestrahl, ob kleine feine oder große weiche Tropfen, Wasser mit oder ohne Duftstoffe, ob Strahlen und Güsse von oben, von der Seite oder aus der Hand – kein Wassererlebnis erscheint im Bad des Jahres 2013 unmöglich. Und feine edle Materialien, die sich gut anfühlen, gibt es auch noch.
Hauptsache, wir Stressgeplagten fühlen uns wohl in unserer häuslichen Kuranstalt und genießen tagtäglich das keineswegs einfach nur nasse Element! Obendrein verschaffen die neueren Genussvarianten dem Wellnessbürger in seiner Wohlfühlblase ein ruhiges Gewissen, weil – trotz Wasserschwall und Dauerregen – heutzutage weniger kostbares Nass durch die Batterien und Kartuschen rauscht als früher. (Laut Angaben des statistischen Bundesamtes verringerte sich der Wasserverbrauch pro Kopf und Tag in Deutschland von 144 Kubikmeter im Jahr 1991 auf 121 Kubikmeter im Jahr 2010.)

Trotz dieser sämtliche Sinne betörenden Bilanz gilt auch für die Sanitärbranche: Alles hat seine Zeit. Der Abschied von der spartanischen Nasszelle hat seine Zeit, sich am Design zu orientieren hat seine Zeit, das Badezimmer als Wellnessoase hat seine Zeit, und technisch innovativ zu sein, sprich energieeffizient die Voraussetzungen für den Komfort zu schaffen, hat ebenfalls seine Zeit. Sicher, alles dies ist nach wie vor im Angebot und die ökologischen Transformationsprozesse des Bauens und Wohnens sind noch längst nicht abgeschlossen. Gleichwohl lässt sich auf der ISH des Jahres 2013 an vielen Ständen ablesen: Die – besonders im Energiesektor – weiter expandierende Branche präsentiert nicht allein neue Produkte, sie macht sich auch daran, ihre Programmatik und ihre Strategien weiterzuentwickeln. Wo das hinführt? Davon später mehr. Schauen wir uns erst einmal um, was sich in den Wasserwelten der Bäder mit ihren tausend Möglichkeiten gerade so alles tut.

So viele Wasserwelten wie nie zuvor

Was Waschbecken, Badewannen, Duschen, Armaturen, Schrankprogramme und Accessoires angeht, so ist die Zahl der angebotenen Formen, Farben, Materialien und Designs längst Legion. Die Zyklen, in denen etwas Neues herauskommt und designorientierte Hersteller ihr nächstes Highlight präsentieren, sind in den vergangenen Jahren nicht nur immer kürzer, auch die Nachahmer sind immer schneller geworden. Auf einem der Messestände sind die wenigen Schlüsselwörter denn auch alle groß und bunt versammelt, mit denen allgemein operiert wird: Design, Wellbeing, Sustainability, Innovation. Ob und wie das zusammengeht, genau das ist Ziel des Spiels.

Was jeder im Angebot hat, lässt sich kaum als Innovation anpreisen, exquisite Differenzen immer schwerer vermitteln. Trotzdem gibt es innovative Produkte. Wie neu etwas ist, hängt freilich davon ab, ob man unter Innovation lediglich ein neues Produkt im eigenen Sortiment oder tatsächlich eine technische oder gestalterische Neuheit versteht. Naturgemäß ist es am besten, wenn beides in einem Produkt zusammenkommt.

So gelingt Axor mit der Armaturenserie „Starck Organic“, wenn keine komplette Wende, so doch eine Akzentverschiebung. Weg von einer eher technoiden Form, hin zum Organischen und Naturhaften. Nun könnte man meinen, das sei, wo es um das Element „Wasser“ geht, nicht besonders originell. Doch hieße das, Philippe Starcks Qualitäten als Designer zu unterschätzen. Ihm ist mit „Starck Organic“ nicht nur eine durchaus originelle Form gelungen, die Serie enthält auch noch andere Elemente, die es zu beachten lohnt.

Was die Form der Armaturen angeht, so orientiert sich Starck an einer gewachsenen Astgabel. Lassen wir dahingestellt, ob das wirklich etwas mit der „Eleganz des Minimums“ zu tun hat, Tatsache ist: Vor allem als Standarmatur überzeugt die organische Form. Die Kombination aus Archaik und Technizität, verbunden mit einer angenehmen Haptik entbehrt nicht einer gewissen Eleganz und dürfte vor allem im Objektbereich Anklang finden. (Allein die Handbrause, ein schlichter Zylinder, und die nach wie vor kantige Kopfbrause, wollen nicht so recht ins Gesamtbild passen.)

Zwei neue technische Features kommen hinzu: Die Trennung der Regler für Temperatur (oben) und Wassermenge (unten) – was im ersten Moment gegen die Intuition zu sprechen scheint, sich aber schnell als angenehm praktikabel herausstellt. Hinzu kommt ein kegelförmiger Wasserstrahl, der die Wassertropfen wie bei einer Dusche verteilt. Das fühlt sich nicht nur angenehm weich an, es spart auch noch Wasser. (Dreieinhalb Liter pro Minute sind es im Normalbetrieb, fünf, wenn man voll aufdreht.)

Gleich nebenan, bei Hansgrohe, lässt sich beobachten, auf welchem Terrain sich der Wettbewerb der kommenden Jahre abspielen wird. Unter dem Motto „Freude auf Knopfdruck“ wirbt man hier für ein neues, „Select“ genanntes System. Es basiert auf der bekannten, in der Wand verschwindenden „iBox“ und bietet für sämtliche Funktionen eine Knopf-Technologie, mit deren Hilfe sich – auf Knopfdruck – zwischen Kopf- und Handbrause ebenso umschalten wie zwischen verschiedenen Strahlarten wählen lässt. An den Duschköpfen gibt es ebenfalls einen Wahlknopf. Die Wassermenge wird voreingestellt, die Temperatur per Thermostat geregelt.

Wo andere Hersteller – aus unterschiedlichen Gründen – auf eine digitale Steuerung bauen, um Architekten und Badplanern bei der Anordnung der Bedienelemente größere Freiräume zu eröffnen, hat sich Hansgrohe – durchaus pfiffig – bewusst für eine Optimierung des mechanischen Systems entschieden. An der Frage „mechanisch oder digital“ scheiden sich die Geister und besonders hier werden – Mut zu Investitionen vorausgesetzt – die Unterschiede in den kommenden Jahren wachsen.

Anders als Hansgrohe setzt Dornbracht deshalb auf ein selbst entwickeltes digitales System, das künftig, sowohl was Soft-, als auch, was die Hardware angeht, „upgedatet“ werden kann. Ziel von „Smart Water“ ist es, individuelle Bedürfnisse aufgreifen und die zahlreichen Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung von Bad – und Küche – nutzen und weiter vorantreiben zu können. Auch sollen auf der Grundlage sogenannter „Smart Tools“ Komfort, Sicherheit und Erlebnis gesteigert werden. Also lassen sich mit einem Handgriff mittels zweier Drehregler die exakte Temperatur und die Wassermenge regeln. Über einen gut ablesbaren Display-Schalter können Voreinstellungen und hilfreiche Funktionen abgerufen werden. In Verbindung mit der ebenfalls neuen Duschanwendung „Sensory Sky“ – siehe den Werbefilm in unserem Vorbericht – lassen sich obendrein komplette Dusch-Choreografien samt Geruchserlebnis abrufen.

Besonders die dezentrale Anordnung der Bedienelemente – Betätigung und Wasseraustritt können nun flexibel und voneinander getrennt installiert werden – dürfte für Architekten reizvoll sein. Zumal es das angenehm schlichte Design der „Smart Water“-Elemente erlaubt, sie mit allen Ausstattungsserien von Dornbracht zu kombinieren. Nicht zu vergessen: Die Bedienung ist tatsächlich denkbar einfach. Sie erfolgt intuitiv und verständlich, ohne komplizierte Menüs. In der Sprache des Marketing heißt das: „Hot, cold, click“.

Nicht nur bei Dornbracht, seit langem ein sehr designaffiner Hersteller, hat man erkannt, dass nicht nur der schnelle digitale Wandel an der Branche nicht spurlos vorbeigehen wird, sondern auch, dass neben „Wellness“ die Themen „Gesundheit“ und „Pflege“ zunehmend eine Rolle spielen. Damit rücken Produkte und Systeme in den Vordergrund, die unterstützend wirken.

Während man bei Dornbracht von „Aesthetics, beauty and care“ spricht, plakatiert man bei Hewi den Slogan „Demografie und Architektur“ und verspricht „innovative Systemlösungen für Generationen“. Das betrifft, dem Sortiment von Hewi entsprechend, nicht nur hochwertige Duschsitze in verschiedenen Ausführungen, die bis 150 Kilogramm belastbar sind, sondern auch Stützklappgriffe bis hin zu höhenverstellbaren WCs und einigem mehr. Man muss nicht lange überlegen, um zu verstehen, dass sich hier, auch im Luxus-Bereich, ein neues Marktsegment auftut.

Mit „Joyce“ präsentiert Villeroy & Boch die „erste Badkollektion mit Apps“ – und das völlig ohne Elektronik. In die schlicht und zeitlos gestalteten Waschtische sind sogenannte „App-Flächen“ integriert, kreisrunde Vertiefungen, in die verschiedene – weiße oder farbige – „App-Schalen“ für Zahnbürste, Rasierzeug, Schälchen und Töpfchen gestellt werden können. Zudem enthält „Joyce“ diverse Schränke und Unterschränke mit Front-Inlays aus Furnier oder speziellem Soft Touch Lack.
Raffinement beweisen auch die leicht und elegant wirkenden Unterschränke der Kollektion „Aveo New Generation“ mit ihren zweifach gekrümmten Flächen. Wer es eher ländlich und etwas nostalgisch mag, der wird die handwerklich gefertigten Waschtische von „True Oak“ schätzen, die sich mit unterschiedlichen Becken kombinieren lassen.

Kombinierbarkeit spielt überhaupt eine große Rolle. An vielen Ständen finden sich Waschbecken in den Grundformen kreisrund, quadratisch, langrechteckig und oval. Immer seltener wird der Kunde dazu gezwungen, sich für ein in sich geschlossenes System zu entscheiden. Er kann sich vielmehr aus unterschiedlichen Welten das zusammensuchen, was ihm gefällt – und was, hoffentlich auch ästhetisch, zusammen passt.

Auf rechteckige, aber abgerundete Formen setzt die „Metropole“-Serie von VitrA Bad. Kaum ein zweiter Hersteller hat derart klare und zeitlose Modelle im Angebot. Das gilt auch für die von Christophe Pillet gestaltete Serie „Memoria“. Wie sich überhaupt – nicht nur bei VitrA und „Memoria“ – ein Trend zu dünnwandigen, scharf und präzise gezeichneten Becken beobachten lässt. (Laufen nennt das „Saphir Keramik.)
Ross Lovegrove indes beweist mit „Istanbul“ abermals seine Vorliebe fürs Skulpturale, wobei vor allem WC und Bidet überzeugen können. Bei „nest“ von Pentagon Design sind es zunächst die gerundeten Kanten, die ins Auge fallen. Hinzu kommt ein besonderer Pfiff, ist das langrechteckige Becken doch mittels einer Lichtkante vom Unterschrank abgesetzt, wodurch es gleichsam über diesem zu schweben scheint. Bei VitrA wird auch fündig, wer eine gut gestaltete Duschkabine sucht, die, wird sie nicht gebraucht, zusammengefaltet werden kann und zwischen zwei schmalen Regalen verschwindet.

Bei Laufen beschreitet man mit der Kollektion „Kartell by Laufen“ einen anderen Weg: den der Kooperation mit einem namhaften Möbelhersteller. Ludovica und Roberto Palomba (die ihre für Laufen entwickelte Palomba Collection zudem erheblich erweitert haben) steuern das Design, Kartell die Kompetenz der Kunststoffverarbeitung und Laufen das Knowhow in Sachen Keramik bei. Herausgekommen ist eine vielfältig einsetzbare Badkollektion, in der Waschtische, Sanitäranlagen, Armaturen, Möbel, Dusch- und Badewannen, Beleuchtung und Accessoires flexibel kombiniert werden und den unterschiedlichsten Vorlieben angepasst werden können. Aufgrund der Transparenz des Polykarbonats der jüngsten Generation und klaren Kanten wirken die Elemente ebenso reduziert wie spielerisch präsent. Die strenge Geometrie der Keramikteile löst sich in der mehrfarbigen Leichtigkeit der Kunststoffelemente gleichsam auf.

Energiesysteme

Wer die Halle 8 betritt, dem wird kaum entgehen: Hier spielt die Musik! Hier geht es um Energie, sprich: um die Energiewende, von der viele profitieren wollen. Fakt ist: Die Wende hin zu erneuerbaren Energien und effizienten, sparsamen Systemen ist in vollem Gange. Nicht nur bei Neubauten wird sich im Bereich der Energieerzeugung und der Klimatisierung vieles verändern. Im Heizungskeller, wo Ästhetik zweitrangig ist, schlägt abermals die Stunde der Techniker. Hier erarbeitet sich die deutsche Industrie einerseits einen Vorsprung durch Technik, andererseits rückt das Haus als Gesamtsystem in den Vordergrund.

Wirklich vorankommen wird man hier allerdings nur, wenn die Zusammenarbeit mit Architekten – die man ja für die eigenen Produkte gewinnen möchte – noch enger wird. Einstweilen beschränken sich Konzepte wie „Das Energie PLUS Haus“ von Buderus oder das „Project Energy“ von Stiebel Eltron darauf, für effizientere Energieerzeugung zu werben und die bereits vorhandenen technischen Möglichkeiten aufzuzeigen. Hier wird es in den kommenden Jahren darauf ankommen, Technik und Ästhetik miteinander zu verbinden, sprich, die architektonischen Möglichkeiten neuer heiz- und klimatechnischer Entwicklungen auszuloten.

Man kann aber auch sehen, wie groß das Angebot entsprechender Systeme – von diversen Wärmepumpen über Pellet-Heizungen bis zur Kraft-Wärme-Kopplung – schon heute ist – und wohin sich die Technik entwickeln wird. So bietet etwa Viessmann mit dem Vitotwin 350-F ein „Mikro-KWK-Kompaktgerät“ mit einer Gesamtleistung von bis zu 26 KW, das mit einer Standfläche von 60 mal 60 Zentimeter auskommt. Und Buderus zeigt mit dem Prototyp Logapower FC 10 eine Energiezentrale der Zukunft, die mittels einer Brennstoffzelle sowohl Wärme für Heizung und Trinkwasser als auch Strom erzeugt.

Es lassen sich – im Badbereich ebenso wie im Energiesektor – also durchaus einige signifikante Veränderung beobachten: Im Zeichen der Energiewende rücken neue Technologien innerhalb der Branche wieder stärker in den Vordergrund. Mit der Folge, dass das Design der Produkte zwar wichtig bleibt, im Ganzen gesehen aber hinter technische Innovationen zurück tritt. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.

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Bad
Dornbrachts „Sensory Sky“, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Bei Dornbracht lassen sich verschiedene Wasserhähne in farbenfroher Umgebung betrachten. Foto © Robert Volhard, Stylepark
Messebesucher bei Dornbracht, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Wasserspiele bei Dallmer, Foto © Robert Volhard, Stylepark
3 Generationen der Firma Dallmer, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Eine Dusche in schwarz und weiß bei Bette, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Eine puristische Badelandschaft bei Kos, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Die ganze Welt der Badzimmerausstattung von Kartell by Laufen, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Leuchtende Farben bei Kartell by Laufen, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Architekt Roberto Palomba auf dem Laufen Messestand, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Der Alterssimulationsanzug von Hewi bietet die Möglichkeit, die typischen Einschränkungen älterer Menschen erlebbar zu machen. Foto © Robert Volhard, Stylepark
Energieeffizienz und Wärmepumpentechnologie sind Themen mit denen sich Stiebel Eltron beschäftigt. Foto © Robert Volhard, Stylepark
Waschbecken und Waschtische aus glasiertem Stahl bei Alape, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Laufens Badezimmer Zubehör, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Ein Badezimmer in weiß auf dem Laufen Messestand, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Zahnputzbecher auf dem Alape Stand, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Villeroy Bochs Waschbecken Präsentation auf der ISH, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Villeroy Boch zeigt verschiedene Toilettenmodelle. Foto © Robert Volhard, Stylepark
VitrAs Wohlfühloase, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Ein ungewöhnliches Waschbecken von AntonioLupi, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Das Spiel mit dem Wasser bei Axor, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Philippe Grohe, Leiter der Marke Axor / Hansgrohe SE, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Haus- und Systemtechnik von Stiebel Eltron, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Die Technik hinter den Stiebel Eltron Produkten, Foto © Robert Volhard, Stylepark