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Inszenierung des Raumes: Für Foscarini ist eine Leuchte mehr, als nur ein Gebrauchsgegenstand. Foto © Sara Bertsche, Stylepark
Tutto è progetto!
von Sara Bertsche
06.01.2015

„Tutto è progetto!“ Bei Foscarini ist alles ein Projekt – zumindest, wenn man der Firmenphilosophie des italienischen Leuchtenherstellers Glauben schenken darf. Ein Projekt, das kann alles sein, was vielversprechend klingt – wobei es keine Rolle spielt, ob es um die Zusammenarbeit mit einem sehr bekannten, einem noch unbekannten Designer oder um die Kooperation mit einem Automobilhersteller geht, um eine Lichtinstallation zu realisieren. So wurde etwa im vergangenen Jahr auf der Clerkenwell Design Week in London das neue Jaguar F-Type Coupé von einer abgewandelten Version der Stehleuchte „Tuareg“ eindrucksvoll in Szene gesetzt, wobei Foscarini über dem Heck des Sportwagens eine gigantische Leuchtskulptur aus ineinandergeschobenen Rundstäben installierte, die sich wie ein riesiges Mikado über die drei Stockwerke des Innenhofs des Farmiloe Buildings erstreckte und das Atrium effektvoll ausleuchtete. Foscarini realisiert aber nicht nur Projekte, in denen sich Produktdesign und Kunst begegnen. Die Firma ist seit 2008 auch Sponsor der Kunst- und Architekturbiennale in Venedig, wo sie ihren Sitz hat. Und nicht zuletzt gibt sie seit Jahren das Magazin „Inventario“ von Beppe Finessi mit redaktionell unabhängigen Essays, Illustrationen und Beiträgen über Kunst, Design und Architektur heraus.

Foscarini gehört zu einer neuen, jüngeren Generation von Herstellern, die über den Tellerrand hinausblicken, sich aktuellen Entwicklungen gegenüber offen zeigen und – bei passender Gelegenheit – auch die Verbindung zu Kunst und Architektur suchen. Diese Offenheit spiegelt sich auch in der Zusammenarbeit mit so namhaften Designern wie Tom Dixon, Patricia Urquiola und Studio Nendo, aber auch in Kooperationen mit jungen, aufstrebenden Talenten wider. Entsprechend groß ist die Vielfalt an Leuchten, die Foscarini derzeit anbietet – von filigran und verspielt bis hin zu minimalistisch oder gar skulptural. Die typische „Foscarini“-Leuchte gibt es nicht – nach einer homogenen Formensprache zu suchen, erübrigt sich.

Tüftlerbüros und Testlabore

Im Showroom des Firmensitzes in Marcon, einem kleinen Ort auf dem Venedig vorgelagerten Festland, wird man von zahlreichen Schmuckstücken begrüßt, etwa von der Tischleuchte aus der Serie „Rituals“ (2013 entworfen von Ludovica und Roberto Palomba) oder von der Wandleuchte aus der Serie „Le Soleil “ (2009 entworfen von Vicente Garcia Jiménez). Die Wandleuchte „Havana“ etwa, 1993 entworfen von Joseph Forakis, hat es geschafft, in die Design-Kollektion des Museum of Modern Art in New York aufgenommen zu werden, und die Pendelleuchte „Supernova“, die Ferrucio Laviani im Jahr 2000 entworfen hat, wird im Centre Pompidou in Paris ausgestellt. Bis Foscarini-Leuchten eine derartige internationale Resonanz zuteil wurde, war es freilich ein langer Weg.

Gegründet wurde Foscarini 1981 als kleiner Leuchten-Produzent, der ausschließlich mit Muranoglas arbeitete. Sieben Jahre später übernahmen Carlo Urbinati und Alessandro Vecchiato die Firma. Unter ihrer Ägide hat sich das Unternehmen zur internationalen Größe gemausert. In den letzten Jahren spielte Muranoglas immer weniger eine Rolle, inzwischen wird bei Foscarini mehr mit Materialien wie Kevlar, Karbon- und Glasfasern oder Polyethylen gearbeitet. Auch verfügt die Firma, die 89 Angestellte hat und aktuell mit mehr als 30 Designern arbeitet, heute in 88 Ländern über einen direkten Vertrieb.

In der Produktentwicklung, dem Reich von Marco Martin, findet für gewöhnlich der erste Kontakt mit Designern statt, die für ein Projekt infrage kommen. Hier werden Ideen geboren und wieder verworfen, Konzepte diskutiert und weiterentwickelt. Wobei die Schwierigkeit für Martin vor allem darin besteht, aus der Flut von Entwürfen eine geeignete Auswahl zu treffen. Rund 100 Entwürfe werden pro Monat eingereicht, im Schnitt schafft es aber gerade mal einer, tatsächlich realisiert zu werden.

Ob ein Entwurf tatsächlich umgesetzt und produziert wird, entscheiden Guiliano Mortoletto und sein Team im „Technical Office“. Hier wird zunächst jede einzelne Komponente geprüft, bevor der Herstellungsprozess entwickelt, getestet und gegebenenfalls optimiert wird. Nach jeder Testphase wird überprüft, ob das Produkt noch dem ursprünglichen Entwurf entspricht. Der Entwurf steht immer an erster Stelle. Ihm wird auf dem Weg zur Produktion alles andere untergeordnet. Sogar das Material ist zweitrangig. Für Foscarini stellt dies nur ein Werkzeug dar, um einem gelungenen Design die geeignete Form und Gestalt zu geben.

Im Anschluss werden die Produkte im Testlabor auf Stabilität, Qualität und Funktionalität getestet, danach wird die Elektronik überprüft. Das größte Problem bei den Prototypen, so erklärt man uns, sei die Hitzeentwicklung der Leuchtmittel. Weshalb jede Leuchte 30 Tage lang für jeweils 21 Stunden am Tag in Funktion gesetzt und die Temperatur des Materials regelmäßig gemessen wird. Schwierig seien vor allem Leuchten mit LEDs, denn, obschon effizienter in der Leistung, reagierten diese im Vergleich zu klassischen Glühbirnen empfindlicher auf Staub und Berührung von Insekten.

Am Ende zählt der Entwurf

Beim Essen zwischen Pappeln und Buchsbäumchen im pittoresken Garten der Villa Condulmer erklärt uns Carlo Urbinati, wie er eine Foscarini-Leuchte sieht: „We don’t sell commodities, we want people to fall in love!” – „Wir verkaufen keine Waren, wir wollen, dass die Leute sich verlieben!” Diese sei eben nicht nur ein Gebrauchsgegenstand. Man inszeniere mit ihr die Umgebung, seien es doch die Lichtverhältnisse die darüber entscheiden, wie ein Raum wahrgenommen werde. Mit Leuchten könne man einzelne Akzente setzen oder ganze Lichtszenarien schaffen und Emotionen hervorrufen. Mithin sei jede Leuchte ein Projekt, dem es sich mit Sorgfalt zu widmen gelte – auch wenn es manchmal viel Zeit erfordere.

Großen Möbelmessen wie dem Salone del Mobile in Mailand steht Urbinati eher skeptisch gegenüber. Dort erwartet die Fachwelt jedes Jahr eine möglichst umfangreiche Palette an brandneuen Produkten, gar Innovationen, doch genau hier winkt Urbinati ab: „Oh nein, bitte nicht schon wieder eine Leuchte zur Messe!“. Getreu dem Motto „Weniger ist manchmal mehr“ beugt man sich bei Foscarini dem Druck bewusst nicht, jedes Jahr zur Messe noch schnell ein neues Produkt aus irgendeinem Designerhut zu zaubern. Ist das gerade aktuelle Projekt noch nicht abgeschlossen, der Entwurf noch nicht ausgereift, übt man sich in Geduld und präsentiert lieber bereits Bewährtes.

Nicht nur in dieser Hinsicht ist man bei Foscarini konsequent. Selbst die eigene Marke soll gegenüber dem Entwurf in den Hintergrund treten – zu viel „Branding“ störe nicht nur das Design, sondern schränke auch die Kreativität des Designers ein. Deshalb bildet das Unternehmen auch keine Designer oder Lichtplaner aus. Statt in rascher Folge auf das Image der Marke bezogene Lösungen zu favorisieren, will man in erster Linie Projektarbeit betreiben. Also beschränkt man sich darauf, überzeugendes Design zu erkennen, statt „inhouse“ selbst zu entwerfen. Dabei gilt es vor allem darauf zu achten, den Gestalter nicht in ein Korsett zu zwängen. Die Leuchten müssen keiner einheitlichen Typologie folgen, sie können ganz unterschiedlich im Design sein, solange dieses ästhetisch überzeugt. Weshalb das Team um Urbinati sich damit begnügt, Entwürfe abzusegnen und abzuschätzen, ob die Idee den eigenen Ansprüchen und denen des Marktes gerecht werden kann.

Wer auf Projekte setzt, muss auch ihr Scheitern hinnehmen

Nicht jeder, meint Urbinati, könne alles wissen. Aber man könne von anderen profitieren, indem man Verbindungen schaffe, zum Beispiel zu vielen kleinen Produktionsstätten, die technisches Know-how besitzen und bereit sind, sich mit Foscarini auszutauschen. So etwas wie Routine gebe es nicht, schließlich gleiche, zeige man sich offen gegenüber den Unterschieden der Entwürfe, kein Projekt dem anderen. Das Risiko des Scheiterns inbegriffen. Am Schwierigsten sei es, so Urbinati, einem Designer mitzuteilen, sein Entwurf sei nicht realisierbar. Was auch dann noch passieren kann, wenn man schon viel in das Projekt investiert hat. Manchmal war dann ein halbes Jahr Arbeit umsonst. Urbinati sieht das gelassen: „Das ist eben mein Job!“, kommentiert er achselzuckend. Gehen Offenheit und Risiko Hand in Hand, so öffnen sich eben auch Türen für Neues, Unkonventionelles. Nach dem Motto: „Wir wollen, dass die Leute sich verlieben!“.

www.foscarini.com


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