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Unser wunderbar neues, archaisches, hysterisches, hybrides Leben
von Markus Frenzl | 27.01.2009

Wer hat eigentlich vor ein paar Jahren die Losung ausgegeben, dass Designtrends „Feel Grace", „Hysteric Wonderland" oder „Classic Return" zu heißen haben? War im „Handbuch für den kleinen Trendforscher" zu lesen, dass sich die immer unübersichtlicheren gestalterischen Tendenzen ausschließlich mit kryptischen Wortkombinationen zu handhabbaren Trends zusammenfassen lassen? Oder haben die Trendforscher den Trend, nach dem selbst Werber sich wieder um einigermaßen verständliches Deutsch bemühen, schlicht verschlafen?

Das Trendgeschäft ist ein schwieriges und oft belächeltes Metier, das gesicherte Erkenntnisse verspricht, wo andere nur vage Vermutungen im Angebot haben. Es bietet gerade dann Halt, wenn jede Studie mit „Die momentane Krise" oder „In schweren Zeiten wie diesen" eingeleitet wird und kommt dazu mit einer Menge Wissenschaftlichkeit und Demographie, Unantastbarkeit und akademischen Titeln daher. In Trend-Prognosen, -Studien und -Researches werden dann amüsiert-distanziert Entwicklungen konstatiert, denen die Konsumenten wie die Lemminge folgen sollen und denen sich anscheinend einzig der Trendforscher selbst zu entziehen vermag. Trendforschung, so analysierte es der Soziologe und Trendforschungs-Kritiker Holger Rust treffend, ist oft nicht mehr „als die semantische Politur des Selbstverständlichen". Manchmal gelingt dabei ein Begriff wie „Cocooning", der Einzug in den allgemeinen Sprachschatz hält. Meist aber sind die Prognosen gerade für Kreative, die selbst mit offenen Augen durch die Welt gehen, wenig überraschend und fassen nur zusammen, was ohnehin in der Luft liegt.

Laut der dritten „stilwerk-Trendstudie" des Hamburger Trendbüros, die von Professor Peter Wippermann auf der imm Köln 2009 vorgestellt wurde, finden sich in den Trends „Archaic Nature", „Eco Pop", „Hysteric Wonderland" und „Hybrid Living" die Antworten auf die Frage nach der Zukunft des Wohnens, darauf wie der Klimawandel unser Wohnen beeinflusst oder wie sich unser Zuhause veränderten Lebensstrukturen anpasst. „Das Informationsinteresse am Wohnen hat sich vom Alter her nach hinten verschoben," so konstatierte Wippermann, „das eigene Zuhause wird als Raum für die persönliche Entfaltung zunehmend wichtiger", es gehe um die Gestaltung des persönlichen Image, um „Identitätsmanagement" und den Ausdruck des Wohnens als „individuelle Vision". Also, spiegelt der Trend „Archaic Nature" mit Naturmaterialien, einfachen oder organischen Formen, Massivholz oder Wasser im Wohnraum unsere Sehnsucht nach dem Authentischen. Im Trend „Eco Pop" verbindet sich Natur mit Hightech, Wellbeing mit Biodesign, „biologisch Inspiriertes" mit „digital Produziertem". Der Trend „Hysteric Wonderland" lässt die Wohnung zur glamourösen Galerie werden, in der wertvolle Einzelstücke inszeniert werden, die gestalterische Handschrift des Designers zur Marke und das Design zur Kunst wird. „Hybrid Living" schließlich bringt zum Ausdruck, dass smarte Materialien und neue Fertigungsverfahren kristalline, vernetzte, wabenartige oder facettierte Strukturen und so auch neue Wohnformen ermöglichen.

Was nehmen wir davon mit? - Vielleicht die wenig überraschende Einsicht, dass unser Hysteric Wonderliving in Zukunft irgendwo zwischen Natur und Technologie, Tradition und Fortschrittlichkeit, Holz und Plastik, Zurückhaltung und Extrovertiertheit pendeln wird. Die Erkenntnis, dass Professor Wippermann den Unterschied zwischen „Lampe" und „Leuchte" nicht kennt und anscheinend bisher wenig von Jaime Hayon gehört hat, den er als interessanten jungen Belgier bezeichnete. Und die Gewissheit, dass das „Handbuch für den kleinen Trendforscher", sollte es tatsächlich existieren, bald einer Überarbeitung bedarf.

Die 3. stilwerk Trendstudie steht unter www.stilwerk.de zum Download bereit und ist in den stilwerk-Häusern erhätlich.

Hybrid Living
Hybrid Living
Eco Pop
Eco Pop
Hysteric Wonderland
Archaic Nature
Archaic Nature
Archaic Nature
Hysteric Wonderland
Hysteric Wonderland