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Wo ist Walter?
von Richter Claus | 03.09.2009

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Suchbilder kennt mancher sicher noch aus Kindheitstagen, es gab Suchbilder, Wimmelbilder, Bilderrätselbilder, allesamt dafür gemacht, ausführlich studiert zu werden. Wo steckte Walter? War das eine Giraffe oder ein Laternenpfahl? Oder etwas ganz anderes? Wie viele Mäuse wimmelten in der Küche?

Durch die Such- oder Rätselaufgabe, die so ein Bild implizierte, wurde man eingeladen, eine einfache Abbildung sehr viel länger zu betrachten, als man es vielleicht sonst getan hätte. Aufmerksamkeitszeitspannen bei Kindern sind wahrscheinlich ähnlich niedrig wie bei Internetsurfern, man springt von einem interessanten Moment zum nächsten, und hat flugs vergessen, was man vor einer Stunde auf dem Schirm hatte, denn es lockt ja bereits die nächste aufregende Neuigkeit.

Wenn man sich auf ein Suchbild einlässt, lässt man sich aufs Stehenbleiben ein. Es geht nicht anders, ich habe noch niemals jemanden ein Suchbild im Gehen lösen gesehen. (Ich muss zugeben, dass ich sowieso äußerst selten jemand Suchbilder lösen sehe, aber ich gehe fest davon aus, dass es nur sehr schwer zu bewältigen ist, gleichzeitig ein Suchbild zu lösen und dabei zu gehen, im Internet zu surfen oder am Fliessband zu arbeiten.)

Ein Suchbild ist gleichzeitig entspannend und fordernd. So ist es kein Wunder, dass Suchbilder uns arme bilderüberflutete Generation wohl in neuer Form bis ins Grab begleiten werden, auch wenn das vielen von uns sicher weder angenehm noch unangenehm auffallen wird. Aber es gibt den Bildergewimmelirrsinn inzwischen auch wieder als elektronisch aufbereitetes Spiel, im Internet, in Apples iPhone-Application-Shop und auch als virale Werbung. Der ungekrönte König des Wimmelbilds namens „Wo ist Walter?“ wurde sogar bereits in den Neunzigern ganze viermal als Computerspiel umgesetzt!

Bei iTunes lassen sich inzwischen unzählige Wimmel- und Suchbildspiele aufs iPhone laden, mal sucht man einen amerikanischen Football, mal einen europäischen Fußball, es gibt noch Suchspiele für Kricketbälle und Basebälle, jeder Ball hat so sein eigenes Spiel. Such das Bällchen! Wuff Wuff! Bei „Everst Hidden Expedition“ geht der Spieler auf eine Everest-Expedition, sprich, er sucht winzige Details auf aufwändigen Suchbildern voller nebelverhangener Expeditionsromantik. Beim „Stone of Destiny“ hingegen sucht man einen mysteriös verschwundenen Onkel durch das Finden winziger Gegenstände in unfassbar komplexen Wimmelräumen. Und so weiter und so weiter…

Auch die Werbung entdeckt immer wieder das Suchbild für sich. Ist ja auch klar, welche Company wünscht sich nicht, dass der Kunde minutenlang vor einer ihrer Werbungen klebt und Produkte sucht, so beispielsweise bei einem Wimmelbild der Marke Absolut Vodka. Eine Art Fantasy-Bronx dient hier als Schauplatz unzähliger Miniaturgeschichten, und es sind, wer hätte es geahnt, Wodkaflaschen zu suchen. Sie stecken zwischen Fenstersimsen, klappern als Just-Married-Dosen hinter Autos her oder glühen geisterhaft am Abendhimmel. Der Traum eines jeden Werbestrategen wird wahr, und vielleicht ist es auch egal, ob man nun Wodkaflaschen oder kleine Walter-Figuren sucht, was letztendlich hängenbleibt, ist wahrscheinlich in beiden Fällen eine angenehme Gehirnverknotung.

Spielerischer und vertrackter als Absolut Vodka versucht Virgin die Kunden zu beschäftigen. In einer kulissenhaften Straßenszenerie tummeln sich zahllose Gestalten, einige King Kongs und andere Wesen. Hier geht es nicht um das Finden winziger Gegenstände, sondern um das Dechiffrieren von Bandnamen. Klar, dass zum Beispiel die riesigen heranrollenden Gesteinsbrocken die „Rolling Stones“ sind, auch der modern beleuchtete Werbezeppelin ist leicht als LED-Zeppelin zu enttarnen. Doch wenn man erst einmal so weit ist, geht der Ehrgeiz plötzlich los. Sind das nicht „Alice in Chains“? Oh, das sind die „Smashing Pumpkins“! Ah, „Crowded House“!

Und so hat sie einen wieder, die Werbung, nur dieses Mal macht es wirklich Spaß. Und wo ist nun Walter?

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