Sanitär und Heizung und Klempnerei sind allesamt eine recht ernste Sache – und als Sohn eines Sanitäringenieurs und Fachplaners weiß ich, wovon ich rede. Trotzdem: Steht man am ersten Messetag kurz vor 9 Uhr in der Früh im dichten Gedränge vor noch verschlossenen Messehallentüren, so gehen einem seltsame Gedanken durch den von allerlei Werbesprüchen verwirrten Kopf. Man denkt: Wenn schon andauernd vom Badezimmer als einer Erlebniswelt die Rede ist, weshalb eigentlich werden dann am Eingang keine Badesachen ausgegeben? Der Herr neben mir mit Schwimmring, die Dame dort mit Badekappe – endlich könnten die Besucher in all die Wannen springen, Duschen und Saunen und Brausen – und sich nach Herzenslust von Stand zu Stand plantschen. Nein? Keine gute Idee? Könnte enden wie in einem mittelalterlichen Badehaus? Klar, müsste wohl schiefgehen, allein schon wegen der Versicherung. Okay, war mir nur so durch den Kopf geschossen.
Bleiben wir also sachlich: Die ISH – im summierenden Messedeutsch die „weltgrößte Leistungsschau für innovatives Baddesign, energieeffiziente Heizungs- und Klimatechnik und erneuerbare Energien“ – lässt es trotzdem nicht nur medial im Bild fließen, strömen, rieseln, regnen, plätschern, strudeln und stürzen. Aufgefangen wird das Wasser wahlweise in runden, eckigen, dünnen, dicken, hohen und flachen Becken und Wannen. Und was stört, wird einfach spülrandlos im Flach- oder Tiefspüler hinweggespült. Schließlich bieten die auf dem Gelände der Frankfurter Messe versammelten Hersteller – es sind in diesem Jahr mehr als 2400 und sie kommen aus aller Herren Länder – nicht irgendetwas, sondern das Allerneueste auf, was die Branche zu bieten hat. Da ohne Badezeug bis zum Abend alles gesittet bleibt, wählen wir uns einen anderen, weltberühmten und unverdächtigen Beobachter des Wassers zum Begleiter: Leonardo da Vinci. Mit ihm, der seine Überlegungen zum Wasser verteilt über viele Codices angestellt hat, wollen wir vor allem eines teilen: die Beobachtung. Nicht von ungefähr ist Wasser vielfach eingesponnen in die Geschichte seiner Domestizierung und kulturellen Verwendung.
Leonardo sagt: „Denk daran, wenn du über das Wasser sprichst, zuerst die Erfahrung anzuführen und danach deine Überlegungen.“
Auch wenn Messen für gewöhnlich eher triviale Veranstaltungen sind, auf denen Produkte und Innovationen angepriesen werden, so können sie sich doch manchmal auch in eine jener berühmten Glaskugeln verwandeln, durch die man bekanntlich einen Blick in die Zukunft soll erhaschen können.
Leonardo sagt: „Ein Tropfen ist etwas, das sich nicht von der übrigen Wassermasse loslöst, außer wenn die Kraft seines Gewichts stärker ist als die Kraft des Zusammenhalts, der ihn mit dem übrigen Wasser verbindet.“Wasser ist heutzutage nicht nur ein kostbares Gut, in den persönlichen Komfortzonen will es auch inszeniert werden. Also fließt und rauscht und gurgelt, regnet, spritzt und platscht es in Becken, Dusche und Wanne. Nirgendwo sonst lässt sich das so gut beobachten wie auf der ISH. Längst fließt Wasser nicht einfach nur aus simplen Wasserhähnen in ebenso simple Auffangbecken. Es geht um Kontrolle und die richtige Mischung der Elemente Luft und Wasser. Jede Armatur hat heute ihr eigenes Strahlbild. Und um das zu entwickeln und dabei noch sparsam mit dem köstlichen Nass umzugehen, gibt es Spezialisten. Man lernt: Das so klangvolle Wort „Perlator“ ist nicht nur ein Wort, das man sich auf der Zunge zergehen lassen muss, sondern auch eine geschützte Marke der Neoperl-Gruppe, die Strahlregler (die auch Mischdüse oder Luftsprudler genannt werden) herstellt, wie sie praktisch in allen Auslaufarmaturen von Waschtischen und Badewannen zu finden sind und eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen. Sie erzeugen einen weichen, spritzfreien Strahl, definieren dessen Form, sparen Wasser- und Energiekosten und erfüllen diverse Normen, Vorschriften und Gesetze. Neu bei Neoperl sind diesmal der „Aerator“ – noch so ein Wort – „Spray ITR“ (= In The Rain), dessen Silikonnoppen aus lauter einzelnen Tropfen einen weichen Strahl formen und die Strahlregler-Serie „Shorty“, die mit einer Bauhöhe von gerade einmal 11,7 Millimetern nicht länger aus dem Kopf der jeweiligen Armatur hervorragen.
Leonardo sagt: „Das Wasser schnellt aus einem Eimer höher nach oben denn aus einem großen Becken. Der Grund dafür ist, dass das Wasser, so es von einem Schlag getroffen wird, seine Flucht nicht wie in einem großen Becken von einem Kreis zu einem anderen ausdehnen kann.“
Wir leben in einer Zeit der Vielfalt. Da es derart viele Möglichkeiten gibt, fällt es schwer, sich zu orientieren. Was naturgemäß auch für das Bad und dessen Einrichtung gilt. Gleichwohl lassen sich – in Zeiten von Bodyshaping und Fitness-Armbändern – gegenwärtig einige Tendenzen oder Megatrends beobachten, die einander ergänzen:
(1) Wellness taugt noch immer als Schlagwort für gesteigerten Komfort und – so man es sich leisten kann – für raumgreifende, qualitativ hochwertige Badlandschaften, die technisch und ästhetisch auf der Höhe der Zeit sind.
(2) Was Formen, Farben und verbesserte Materialien angeht, so setzt sich der generelle Trend zur Diversifizierung fort (Farbe ist zunehmend ein Thema). Bei Armaturen sind Kupfer und Messing neben Chrom nun auch im Bad angekommen (wo sie ja eigentlich immer waren). Im Bereich der Badkeramik treten verstärkt filigrane Becken und frei stehende, skulptural geformte Wannen auf.
(3) Angestoßen von den Bedürfnissen einer alternden Gesellschaft überformen und ergänzen unter dem Stichwort Generationenbad medizinisch-hygienische, aber auch praktische und nutzerfreundliche Aspekte derzeit stärker designorientierte Programme. Spülrandlose WCs mit geringem Wasserverbrauch sind fast schon Standard; langsam, aber sicher erobern auch Washlets oder Dusch-WCs den deutschen und europäischen Markt, zumindest gibt es kaum noch einen Hersteller, der keine entsprechenden Modelle oder nachrüstbare Aufsätze anbietet.
Kurz gesagt: Wellness – Hygiene – Gesundheit sind die Elemente, aus denen das Körpererlebnis im zeitgenössischen Badezimmer geformt wird.
Naturgemäß gibt es im Badsegment der ISH alles, was das Kundenherz begehrt. Das reicht von der „Heritage“-Kollektion für unverbesserliche Nostalgiker, die gern auf Holz sitzen und an der Kette ziehen, um abzuspülen, über mehr oder weniger modernen Landhausstil bis zu App-gesteuerten Wasserspielen und einem naturgewaltigen Tornado-Flush. Weniger profan fühlt sich der Blick in die Vergangenheit bei Herstellern wie Victoria + Albert an – der Name sagt es bereits. Wobei ich gestehe, dass mir beim Anblick der wunderbar für ein mit Champagner veredeltes Bad zu zweien geeigneten Wannen immer wieder Jean Paul Marat in den Sinn kam – und dessen Bad endete, wie wir durch Jacques-Louis Davids Gemälde von 1793 wissen, nicht eben sehr lebendig. Wirklich beeindruckend sind auch die diversen Löwentatzenfüße, für die ganz und gar traditionelle Wanne. In einem kleinen Schloss oder englischen Landhaus sicher eine feine Sache.
Wer derzeit – für den Objektbereich oder die eigene Villa – etwas Besonderes sucht, der braucht unbedingt eine dieser Waschtischsäulen. Es gibt sie als Tonne aus einem Stück, mit bewusst abgesetztem und akzentuiertem Becken, als sich konisch verjüngender oder einfacher Kubus, in schlichtem Weiß, in Farbe, mit Lederüberzug etc etc. Sie kommen unter anderem von Alape, Valdana und Villeroy & Boch, wo „Octagon“ ein innen achteckig facettiertes Becken aus „TitanCeram“ mit einer Säule in Kupfer, Leder, Echtholz- oder Steinfurnier kombiniert. „Monowash“ heißen den Blöcke bei Flaminia, wo Jasper Morrisons „Bonola“ von 2013 zeigt, dass säulenförmig durchaus auch „molto elegante“ geht. Wer weder Tonne noch Block mag, dem bleibt jederzeit der Weg zum Unterwaschtischmöbel. Dessen Vielfalt ist noch weiter gewachsen, die Qualität im Ganzen recht hoch.
Im Übrigen werden Becken und Schalen filigraner. Alape hat – anders als die Keramiker – mit seinen aus 3 Millimetern glasiertem Stahl bestehenden Becken keinerlei Probleme, eine filigrane Anmutung herzustellen. Auf der Basis der Serien „Unisono“ und „Metaphor“ präsentiert die Goslarer Manufaktur nicht nur die bereits erwähnten auf dem Boden stehenden Säulen-Waschtische, gezeigt werden auch neue Einbauverfahren, die den Rand der Becken in Szene setzen. Ein besonderes Gestaltungselement mit funktionalem Nebeneffekt: In einer Variante ragt der Rand des eingebauten Beckens 25 Millimeter heraus, was für eine komfortable Beckentiefe sorgt und den Verlust an Stauraum im Möbel begrenzt.
Arik Levy hat mit „Emerso“ für die Kaldewei Premium-Kollektion eine Meisterstückserie aus Badewanne und Waschtisch mit skulpturalem Charakter gestaltet. Die freistehende, vollemaillierte Wanne besitzt einen leicht ansteigenden und in sich verdrehten Rand, der Waschtisch einen in die Grundform eintauchenden Beckenrand. Das Auge, erklärt Levy in einem Interview, wandere über den Wannenrand, der sich fließend von einer Form in die andere zu bewegen scheint. Folge man dieser Form mit der Hand oder den Augen, so entstehe das Gefühl des Eintauchens wie bei einem Wannenbad. Trotzdem erscheint die Wanne recht wuchtig, was auch die raffinierte Gestaltung des Randes nicht ganz vergessen machen kann.
Wer es leichter, heller, sommerlicher mag, der greift eher zu „Cape Cod“, der neuen Serie von Philippe Starck für Duravit. Hat man sich einmal mit dem etwas nüchternen Landhausstil angefreundet, wirken Wachtisch und Wanne recht frisch – ohne dominant auftreten zu müssen.
Mit „P3 Comforts“ hat Phoenix-Design für Duravit eine weitere Badserie entworfen, die ebenso komfortabel wie funktional gestaltet wurde und deren herausragendes Merkmal ihre Entspanntheit ist. Entscheidend für das Gelingen von P3 Comforts ist, wie präzise und zugleich schwungvoll die erhöhte „Trockenzone“ im Verhältnis zu dem eher flachen Bogen der „Nasszone“ gefasst wurde. Auch hier hat es die Wanne nicht nötig, eigens aufzutrumpfen, um ihre Wirkung zu entfalten.
Foto © Thomas Wagner, Stylepark
Eine weitere Überraschung hat Laufen mit den „Saphirkeramik“-Kollektionen „Val“ von Konstantin Grcic und „Ino“ von Toan Nguyen im Programm. Während anderswo – mit Blick auf die arabischen und asiatischen Märkte – gern auch eine dekorative Üppigkeit gepflegt wird, setzt man bei Laufen konsequent auf Reduktion und erstklassiges Design. Vor allem Grcics „Val“ enthält dabei jede Menge neuartiger Ansätze und Elemente.
Leonardo sagt: „Der Mensch wird von den Alten eine Welt im Kleinen genannt, und das ist gut gesagt, denn der Mensch besteht ja aus Erde, Wasser, Luft und Feuer, und daher ist ihm der Körper der Erde ähnlich.“
Mittlerweile gibt es unendlich viele Systeme und Serien von Waschbecken, Wannen, Düsen, Brausen und Armaturen in allen erdenklichen Formen und Farben. Etwas abgenommen indes hat die Tendenz, das Bad mit dem Schlafzimmer zu einer eigenen Welt der Erholung und Erfrischung zu verbinden und das anhand von Beispielen auf der Messe vorzuführen. Was nicht heißt, solch ausgedehnte Wohn-Badezimmer hätten ihre inspirierende Kraft eingebüßt. Der Normalfall aber sind sie nach wie vor nicht.
Dafür lässt sich beobachten, dass ein Premium-Hersteller wie Dornbracht seinen Marken-Claim bewusst erweitert. Unter „Culturing Life“ sollen sich Ästhetik, Gesundheit, Intelligenz und Intimität verbinden, um zu einer Kultivierung individueller Bedürfnisse beizutragen und letztendlich die Lebensqualität zu verbessern.
Entsprechend leitet sich der Name der neuen Armaturenserie von Culturing Life ab und lautet schlicht „CL.1“. Die Armatur wirkt überraschend leicht und filigran, verbindet klare Kanten mit weichen Konturen, wobei sich der Körper grazil nach oben streckt und in einem über dem rechten Winkel hinausgehenden Auslauf ausklingt. Ein zusätzlicher Akzent lässt sich setzen, wählt man die in zwei unterschiedlichen Relief-Strukturen erhältlichen Griffe. Auch was das Strahlbild angeht, hat man sich bei Dornbracht etwas einfallen lassen: Nun umspülen – bei einem Wasserverbrauch von 3,9 Litern pro Minute – 40 weiche Einzelstrahlen sanft die Hände.
Die Armatur „Axor Starck V“ haben wir bereits erwähnt. Darüber hinaus bietet Axor seit dem letzten Herbst mit der Kollektion „Citterio E“ einen wahren Leckerbissen. Wenn es darum geht, wie Design, Ästhetik, Funktionalität, Materialanmutung und Fertigungsqualität unter einen Hut zu bringen sind, steht Citterio E in vorderster Reihe. Worte wie hochwertig und elegant können Schönheit und Präsenz der Armatur nur sehr begrenzt zum Ausdruck bringen. Ferner bringt Hansgrohe mit „Talis Select“ nicht nur seine beliebte Select-Technologie an die Waschtischbatterie, mit den neuen „Axor Citterio Select“ Küchenmischern wurde auch eine Armatur für die Spüle entwickelt, wie man sie sich immer schon gewünscht hat.
Leonardo aber fragt: „Was ist das Wasser? Das Wasser ist unter den vier Elementen das zweitschwerste und das zweite an Unbeständigkeit. Es findet keine Ruhe, bis es sich mit seinem Element, dem Meer, vereint, wo es, so von den Winden nicht mehr belästigt, zur Ruhe kommt und sich in seiner ganzen Oberfläche ausruht, die an allen Orten vom Mittelpunkt der Welt gleich weit entfernt ist.“
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