Direktor der 14. Architekturbiennale: Rem Koolhaas © OMA/AMO
Schwerer Brocken: Rem Koolhaas zeigt auf der Pressekonferenz in Berlin ein Bild des Biennale-Katalogs. Foto © Ralf Wollheim
Grafik © OMA/AMO – mit freundlicher Genehmigung la Biennale di Venezia
Grafik © OMA/AMO – mit freundlicher Genehmigung la Biennale di Venezia
Arbeitsmodell der Ausstellung "Elements of Architecture". Photo © OMA/AMO – mit freundlicher Genehmigung la Biennale di Venezia
Treppenmodelle am Friedrich Mielke Institut für Scalologie. Foto © OMA/AMO – mit freundlicher Genehmigung la Biennale di Venezia
Modell mit der „Tabula Peutingeriana“ für die "Monditalia"-Ausstellung. Foto © OMA/AMO – mit freundlicher Genehmigung la Biennale di Venezia
Weiteres Arbeitsmodell für die Ausstellung in der Corderie. Foto © OMA/AMO – mit freundlicher Genehmigung la Biennale di Venezia
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XXL Koolhaas
von Ralf Wollheim
18.03.2014 Anders bei der diesjährigen Biennale ist, dass alle Länderpavillons ihre Ausstellungen nach dem vorgegebenen Thema „Absorbing Modernity 1914 – 2014“ ausrichten. Paolo Baratta, Präsident der Biennale, bezeichnete es diplomatisch als „Vorschlag, der zum größten Teil akzeptiert wurde“. Auch von den elf „neuen“ Ländern, durch die sich die Teilnehmerzahl der präsentierenden Länder auf 65 erweitert. Wie es Koolhaas und das Biennale-Team geschafft haben, die Vielzahl der Kuratoren davon zu überzeugen, sich der Vergangenheit zu widmen und nicht den neuesten Hype zu präsentieren, bleibt ihr Geheimnis. Aber es könnte, statt der verwirrenden Themenvielfalt, die sonst im Giardini herrscht, eine angenehme, thematische Konzentration bedeuten. Es gab zwar fast immer ein übergeordnetes Biennale-Thema – aber oft war es so offen formuliert, dass alle Länderbeiträge irgendwie darunter Platz fanden. Mit seinen bekannt prägnanten Grafiken verdeutlicht Koolhaas seinen Ansatz. Einer Vielzahl von pittoresken Bauten aus China, Nigeria und Europa aus dem Jahre 1914 stehen hundert Jahre später die immergleichen Glasfassaden von eintönigen Wolkenkratzern weltweit gegenüber. Einfalt statt Vielfalt in der globalisierten Welt. So ganz neu ist die Kritik an der fehlgeschlagenen Moderne nicht. Schon die erste Architektur-Biennale 1980 beklagte das uniformierte Aussehen und die Krise der Architektur und präsentierte die neuen Helden der Postmoderne. Seitdem wurden so manche Blops, Trends und Superstars in Venedig vorgestellt und nach zwei Jahren auch gern mal wieder vergessen. Aber dieses Mal soll es keinen Personenkult und keinen Laufsteg geben, sondern eine Rückbesinnung auf die eigene Geschichte. Zumindest bei den Kunstbiennalen in Venedig wird zunehmend ein nationaler Ansatz in Frage gestellt und Künstler aus anderen Ländern eingeladen oder Pavillons getauscht. Sammeln, Sortieren, Einordnen Koolhaas und die Kuratoren der Länderpavillons gehen den umgekehrten Weg und nehmen die Biennale zum Anlass einer gemeinsamen Recherche zur globalen Geschichte der Moderne und als Baustein für die so genannten „Fundamentals“. Was in den ersten Ankündigungen wie ein konservativer Schritt zurück zu den Ursprüngen erschien, erweist sich als verblüffende Untersuchung zu grundlegenden Details in der Architektur. Bei Koolhaas wird es dann auch zu einer bildmächtigen, widersprüchlichen und amüsanten Erzählung. Eine Collage mit verschiedenen Balkonszenen, hauptsächlich als propagandistische Bühne für Diktatoren und Revolutionäre genutzt, erntete schon mal wohlwollendes Gelächter bei der Pressekonferenz in Berlin. Für die Vorbereitungszeit und die Recherche der Ausstellung hatte Koolhaas sich mehr Zeit erbeten und mehrere Universitäten weltweit eingebunden. So kann die Geschichte des Fensters – zumindest in der effektvollen Zuspitzung – auch die des Verschwindens eines Grundelementes der Architektur sein. Elektrische Beleuchtung in Großraumbüros und Klimaanlagen übernehmen wesentliche Funktionen des Fensters und verändern damit auch Architektur. Man darf gespannt sein, was der Blick in die Vergangenheit auch für die Zukunft offenhält. Die Ausstellung „Elements of Architecture“ wird ein Parcours durch den italienischen Pavillon, in dessen einzelnen Räumen immer wieder ein anderes Detail verhandelt wird. Illustriert wird das mit den unterschiedlichsten Mitteln, wie beispielsweise einer automatisierten Fensterproduktion, traditionellen chinesischen Dachkonstruktionen und der Sammlung des Instituts für Scalologie (Treppenforschung) aus Regensburg. Ein Foto des Katalogs lässt erahnen, wie ernst es Koolhaas mit der Architektur-Sezierung ist: Es wird wohl der dickste und auch unhandlichste Katalog den man zu einer Biennale erwerben kann. Biennale total Italien ist dieses Jahr mit der großen Ausstellung „Monditalia“ in der Cordiere im Arsenale zu finden. Allerdings weniger aus nationalistischen Gründen sondern eher als Prototyp für Länder im Prozess der Veränderung – „voller Chancen, Widersprüche und politischer Turbulenzen“, wie es Koolhaas nennt. Als inszenatorisches und verbindendes Element wird eine Vergrößerung einer historischen Karte entlang der über 400 Meter langen Hallen der mittelalterlichen Seilerwerkstätten gespannt. Diese Landkarte, eine fast sieben Meter lange Pergamentrolle – genannt „Tabula Peutingeriana“ – zeigt das Straßennetz des spätrömischen Reiches in verschiedenen Überarbeitungen, mit Ausläufern bis nach England und Indien und verweist so auf die Dimensionen eines ehemaligen Weltreiches. Auf dieser Karte werden die 41 verschiedenen Beiträge von „Monditalia“ historisch verortet: Disparate Orte und Themen wie die Ausschweifungen in Pompeji, die „Biblioteca Laurenziana“ in Rom, Projekte von Superstudio und eine Untersuchung zu italienischen Diskotheken seit den 1960er Jahren werden hier ein Teil der Ausstellung sein. Wer dabei noch den Überblick behält wird spätestens durch das Rahmenprogramm an die Grenzen der Aufnahmefähigkeit gebracht. Die sonst getrennt agierenden Abteilungen der Biennale für Tanz, Film und Musik sollen diesen Sommer zum ersten Mal eine Gastrolle bei der Architektur-Biennale übernehmen. |