Architektur mit Möglichkeitssinn
19.07.2016
1942 wurde Friedrich Kiesler von Peggy Guggenheim beauftragt, ihre New Yorker Galerie Art of This Century zu gestalten. Diese Aufgabe bot ihm die Gelegenheit, seine vielseitigen Talente unter Beweis zu stellen. Kieslers Arbeiten waren stets von einer kontinuierlichen theoretischen Auseinandersetzung mit Kunst und Architektur geprägt. Er hatte über die Jahre die Überzeugung entwickelt, dass sich einzelne Elemente innerhalb eines Raumes, innerhalb unserer Umwelt aufeinander beziehen und sich in einer wechselwirkenden Spannung befinden. Nur wenn ein Objekt der Kunst, aber auch der Architektur oder des Designs, in dieser Spannung korreliert, somit in Entwurf und Umsetzung das Verständnis für diese fortwährende Spannung vorhanden ist, kann es als ein vollkommenes Objekt wahrgenommen werden.
In dieser Überzeugung entwickelte Friedrich Kiesler nicht nur außergewöhnliche Präsentationsmethoden für die Kunstwerke der Galerie Peggy Guggenheims, sondern auch die dazu gehörenden Präsentations- und Sitzmöbel, das Correalistische Möbel und den Rocker. Als endlose Kurve scheinen sich beide wie Skulpturen aus dem Boden zu entwickeln. Friedrich Kiesler selbst erläuterte zum Correalistischen Möbel achtzehn verschiedene Verwendungsmöglichkeiten, die sich aus dem dichten Entwurf ergeben, in dem dieses Objekt in idealer Form in Wechselbeziehung zur Umwelt gestaltet wurde. In seinen überaus expressiven Zeichnungen erklären sich diese Funktionen von selbst und machen nicht nur die funktionale Vielfalt deutlich, sondern auch die Komplexität seiner Entwürfe an sich. Damals wie heute enthalten beide Möbel eine erstaunliche Spannung, interpretierbar als ein Nukleus seiner universalen und interdisziplinären Arbeits- und Denkweise.
Friedrich Kiesler wurde 1890 geboren und studierte Architektur in Wien. Seine frühen Arbeiten begründeten seinen internationalen Ruf und brachten ihm die Anerkennung der europäischen Avantgarde. 1926 geht Friedrich Kiesler nach New York und etabliert sich als Designer, Bühnenbildner, Architekt und Künstler. Seine vielfältigen Begabungen wurden ergänzt durch seine Fähigkeit in pointierten, kritischen Texten die aktuelle Architektur und Kunstdiskussion zu bereichern und eigene theoretische Konzepte zu entwickeln. Er starb 1965 in New York.