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Art Basel
von Raue Peter | 08.07.2010

Vor einem Jahr feierte die Art Basel spektakulär ihren 40. Geburtstag. Niemand hat sich darüber gewundert, dass die Geburtstagstafel reich und prächtig war, die Galeristen ihr Bestes anboten, und es wurde auch brav und artig gekauft, - aber nicht sensationell. Die Krise hat ihre Kralle durchaus zu erkennen gegeben, nicht dramatisch, aber spürbar. So nimmt es nicht Wunder, dass die Kunsthändler und Galeristen mit besonderem Bangen der 41. Art Basel, der internationalen Schau für moderne und zeitgenössische Kunst, entgegenfieberten. Wird die Käuferschaft - krisengeschüttelte Millionäre - sich zurückhalten oder wird sie sich in einen Kaufrausch stürzen, überzeugt, dass das Geld nicht in Gold, sondern in Kunst angelegt werden solle? Werden die Sammler die Zurückhaltung aus der Vergangenheit aufgeben oder sie verstärken? Bange Fragen und überflüssige Befürchtungen. Die Art Basel war nicht nur die qualitätvollste, an die ich mich erinnern kann, sie war auch die finanziell erfolgreichste.

Das Eröffnungszeremoniell hat sich unter der neuen Ägide nicht geändert: Um 18 Uhr dürfen die geladenen Gäste zur Preview die Art Basel stürmen, und nur wenigen, auserwählten Glücklichen ist es gestattet, mit einer VIP-Karte morgens um 11 Uhr zur Pre-Preview die Basler Hallen zu betreten; ihnen ist das Recht eingeräumt, zu den ersten zu gehören, die schauen und kaufen können (und wie sich bald herausstellt: sehr schnell kaufen müssen, wenn sie nicht zu den Zuspätkommenden gehören wollen, die bekanntlich das Leben bestraft). Wer VIP-Karten-bewährt glaubte, um 11 Uhr gemütlich als einer der wenigen die Hallen betreten zu dürfen, traute seinen Augen nicht: Als würde das KaDeWe Aus- und Schlussverkauf auf einmal anbieten, so warteten schon eine halbe Stunde vor Eröffnung ungeduldig ungezählte - weil unzählbare - Menschen auf den Einlass. Bereits um die Mittagsstunde war die Enge in den Kojen oft beängstigend, - an ein ruhiges Betrachten der ausgestellten Werke, an den Dialog mit dem Galeristen, an langwierige Vertrags- und Preisverhandlungen war gar nicht zu denken. Als an diesem ersten Abend um 21 Uhr die Tore der Messe geschlossen wurden, gab es eigentlich nur strahlende Galeristen, viele von ihnen haben müde erklärt und bekannt: „Alles verkauft!". Ein Galerist kalauerte: „Das Einzige, was du bei mir noch kaufen kannst, ist eine Flasche Rotwein."

Als ich am vorletzten Tag der Messe in größerer Ruhe bei regem aber nicht beängstigendem Publikumsbesuch durch die Art Basel ging - die meisten Galeristen hatten ihre Zweit- und Dritthängung arrangiert - habe ich nicht einen einzigen Galeristen getroffen, der nicht glücklich und zufrieden strahlte. Eine österreichische Galeristin erklärte mir: „Wer diesmal nicht verkauft hat, der muss deppert sein". Für 20,1 Millionen Euro wird ein Andy Warhol, für 8,1 Millionen Euro ein Bild von Basquiat verkauft. Michael Haas, ein Berliner und Züricher Kunsthändler, der vor vielen Jahren Basquiat in seiner Galerie angeboten hat, berichtet schmerzvoll, wie er eines der soeben verkauften Bilder vor fünfzehn Jahren mühselig einem Sammler für 75.000 DM (DM!) verkauft hat, - dieses habe in einer Nachbarkoje gerade für 4.1 Millionen Euro einen Käufer gefunden.

Zu den berühmten Multiples von Joseph Beuys gehören seine Schlitten, auch sie waren einst für wenige Tausend DM zu kaufen, einer dieser Schlitten wechselt für 450.000 Euro den Besitzer. Der offensichtlich unbegrenzten Nachfrage steht auf dieser Messe aber auch eine Qualität gegenüber, die man nur als atemberaubend bezeichnen kann. Viele Kojen (Beyerler, Marlborough, Pace, Thomas) zeigen museumsreife Kunst. Alle 300 Galerien scheinen von jedem der angebotenen Künstler das Beste und Teuerste in ihre Kojen gehängt oder gestellt zu haben. Von der Klassischen Moderne (drei große schwarze Ad Reinhardt) bis zu einem hinreißend frischen frühen Werk dieses großen Künstlers bei Scheibler (für 800.000 Euro): durchweg Spitzenwerke. Nur ein paar Schritte weiter drei herausragende kleinere Rothkos, erstrangige Werke von Philip Guston - die Basler Schau glänzt in Halle 1 mit Meisterwerken. Allein bei Hans Mayer, Düsseldorf - er ist seit der ersten Messe in Basel vor vierzig Jahren immer dabei - Spitzenwerke von Dennis Hopper, Jürgen Klauke, Peter Lindberg, Nam June Paik, Robert Rauschenberg, Frank Stella, Jean Tinguely, Andy Wahrhol!

Die darüberliegende Halle 2.1 öffnet sich noch konsequenter als bisher der Contemporary Art, auch dies fast durchweg auf höchstem Niveau, sowohl inhaltlich, als auch preislich.

Immer wieder verschlägt es einem bei den genannten Preisen den Atem, und immer häufiger erklären die Galeristen bei Preisnachfrage: „Das Werk ist verkauft, den Preis dürfen wir nicht nennen." Erstaunlich und offensichtlich die Zurückhaltung im Fotografieangebot - natürlich sind die Großen dabei: Thomas Florschütz (Galerie m), Thomas Struth (Marian Goodman und Hetzler), grandios Hiroshi Sugimoto (bei Pace und Templeton). Aber die Fotoflut und -wut der vergangenen Jahre ist - auch noch einmal gegenüber dem Vorjahr - abgeebbt. Die Malerei triumphiert wie nie zuvor.

Basel ist, was es lange war und heute unangefochten wieder ist: Die bedeutendste Kunstmesse der Welt. Miami ist lustiger, Frieze avantgardistischer, Fiac vornehmer, Maastricht konservativer - aber keine Messe ist so reich, so bunt und so qualitätvoll wie die Art Basel. Der Nimmer-Sehmüde lässt es sich natürlich nicht nehmen nachdem er 300 Galerien in Halle 1 und 2 besucht hat, in die nächste Halle zu „Unlimited" zu gehen. Dort erwarten ihn große, sperrige, meist begehbare Kunstwerke: Videoinstallationen, (hinreißend wieder Bill Viola und überwältigend Bruce Conkel mit einer dreiteiligen musikgeladenen Videoarbeit) aber auch Klassiker wie Otto Pienes vierzig Jahre alte Lichtraum-Installation, des jüngst verstorbenen Sigmar Polke „Laterna Magica" die Jahre 1990 erstmals auf der Biennale in Venedig gezeigt wurden - alles Arbeiten ausgestellt von den diese Installationen finanzierenden Galeristen, kaum verkäuflich und doch begehrlich. Kuratiert nun im zehnten Jahr von Simon Lamunière aus Genf.

Von dort in die Halle 5 zur Designermesse, die freilich ein arger Schlag ins Wasser ist: eine große Enttäuschung. Ganz anders als noch vor einem Jahr werden Möbel, Lampen, Sitzlandschaften gezeigt, die preislich jedes Maß sprengen (18.000 Euro für eine Lampe), deren Praktikabilität und Nutzbarkeit eher einem schnellen Witz als der dauerhaften Verwendbarkeit geschuldet ist. Dünn besucht, schnell abgehakt, zurück zur Messe, denn es könnte ja sein, dass man beim Rundgang doch eine Galerie übersehen hat oder gar auf ein bezahlbares und begehrenswertes Kunstwerk stößt.

Nächstes Jahr fahren wir ganz bestimmt wieder zur 42. Art Basel. Doch dann heißt es, Eröffnung vermeiden, einen Werktag aussuchen, selbst auf die Gefahr hin, dass einige Millionenschnäppchen bereits an einem vorbeigegangen sind.

www.artbasel.com

Art Basel 2010, Field von Ai Weiwei
Art Unlimited, Dan Flavin
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