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Art Basel – Impressionen eines Messebesuchers
von Raue Peter | 20.06.2009

Am 11. Juni öffnete die Art Basel zum 40. Mal ihre Pforte für die immer noch aufregendste Kunstmesse. Basel ist die Mutter aller Kunstmessen, weltweit. Wie aber wird sich die Krise auf Basel auswirken? Wie wird Basel auf die Krise reagieren? Das waren bange Fragen, die bereits am Tage der Eröffnung wie weggewischt waren: Da wurden die erstaunten Besucher mit einem etwa zehn Meter hohen schwarzen Holzkreuz vor dem Eingang begrüßt (Fosbury Flop, von Valentin Carron), aber dieses düstere Zeichen verflüchtigt sich beim Betreten der Hallen. Alles ist zunächst, wie immer, dreigeteilt: auf ebener Erde die „Klassische Moderne", darüber „Contemporary Art" und in einer Nebenhalle zum 6. Mal „Unlimited Art" mit Schwergewicht auf dem Experimentellen, auf dem Neuen. Das Format ist also geblieben, - aber was für eine grandiose hochkarätige Geburtstagsfeier hat sich diese Messe ausgerichtet! Es ist als hätten die Galeristen nur ihre besten Arbeiten mit nach Basel genommen, um zu zeigen, was sie können, zu welchen Leistungen sie fähig sind und den Besuchern die Angst zu nehmen, der Markt zöge sich zurück. Schon die Zahlen, die die Messe liefert, sind beeindruckend: 1.100 Galerien haben sich beworben, 300 hat die Jury zugelassen (diese zeigen 2.500 Künstler), - davon aus den Vereinigten Staaten 75 Teilnehmer (!), es folgen die Deutschen mit 56, die Schweizer mit 33, Frankreich, Italien und Großbritannien jeweils zwischen 20 und 30 Galerien. Das ist ein internationales Aufgebot ohnegleichen. Giacometti, Picasso, Matisse (für immerhin 9 Millionen Euro!) in immer wiederkehrenden Varianten. Bischofsberger (Schweiz) trumpft mit einem einzigen Werk auf, aber was für ein Werk: Andy Warhol's "Big Retrospective Painting", die Summary des Arbeitens von Andy Warhol (man munkelt von einem Kaufpreis von 50 Millionen Euro).

Nur wenige kursorische Eindrücke können in diesen Zeilen wiedergegeben werden: Auf beiden Ebenen triumphiert die Malerei, das Bild; seltener als in den vergangenen Jahren: Videoinstallationen, kaum Fotografie, die man noch auf der letzten Messe in fast jedem Stand finden konnte. Was aber in Basel an Fotoarbeiten zum Verkauf angeboten wird, ist „outstanding". Die Großen (Gursky, Cindy Sherman, Sugimoto) mit meisterlichen Arbeiten, die klassischen Fotogalerien (allen voran Kicken, Berlin) trumpfen mit Klassikern auf, deren Preise (André Kertesz) im hohen sechsstelligen Bereich liegen. Im übrigen fällt auf die Rückbesinnung auf Kunstrichtungen, die man in den vergangenen Jahren - weil nicht „brandaktuell" - eher vernachlässigt hat: Großartige Arte Povera-Auftritte, erstmals seit langem mehrere Arbeiten von Ed Kienholz, Christo ist mit frühen sündhaft teuren Exemplaren vertreten. Und „Zero" feiert fröhlich Urständ (völlig zu Recht), Graubner, Uecker, Fontana: viele Arbeiten sind schon am ersten Nachmittag verkauft.

Begibt man sich in die obere Etage und sucht nach der „Contemporary Art", so ist man überrascht, dass auch dort viele der Angebote bereits der gesicherten Moderne der Nach-Fünfzigerjahre zuzurechnen sind: Auch dort finden wir Sigmar Polke, Nan Goldin, Ronny Horn, Balkenhol, Baldessari: das verdankt sich wohl der Tatsache, dass Galerien über Jahre und Jahrzehnte ihren Stammplatz bevorzugen, - wer vierzig Jahre „Contemporary Art" gezeigt hat, der mutiert allmählich auch zur alsbald Klassischen Moderne der Nach-Fünfzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts.

Die großen Installationen, riesige Skulpturen, Videoarbeiten warten auf den Messebesucher - er muss in guter Konstitution und mit ungebändigter Neugier über diese Messe wandern - in der „Unlimited"-Halle, dort findet er das Ungesicherte, das auch für den kleineren Geldbeutel Bezahlbare. Diese Arbeiten sind nicht Galerien zugeordnet. Man begegnet ihnen gleichsam auf freier Wildbahn.

Als ob die Werke von 2.500 Künstlern nicht genug seien, verlässt - mit dem Vollständigkeitswahn, alles gesehen haben zu müssen - der Besucher die Messe, läuft hundert Meter und findet eine weitere riesige Schau: „Scope": Eine Nebenmesse, von einer eigenen Jury ausgewählt, also durchaus eine Tochter der „Art Basel"! Faszinierend der Berlin-Block, fünfzehn Berliner Galerien, die sich zusammengetan haben - vom Land Berlin unterstützt - und dort eindrucksvoll zeigen, wie unerschöpflich die Ressourcen der Berliner Galeristen zu sein scheinen. Und wer glaubt, wenigstens bei Scope nur das absolut Neue zu sehen, steht fasziniert in einem Raum, der ausschließlich der Kunst von Tom Wesselmann gewidmet ist, jenem großen verstorbenen Pop-Artisten, den er zuvor doch gerade bei Hans Mayer (Düsseldorf, zum 40. Mal dabei!) gesehen hat.

Und wo bleibt die Krise? Die Käuferhysterie der letzten Jahre scheint verschwunden, man erzählt nicht mehr von jenem Sammler, der sich als Arbeiter der Messe verkleidet in der Nacht vor der Eröffnung einsperren lässt, um in aller Ruhe die Bilder zu sehen, die er in der Früh mit Glockenschlag der Eröffnung dann kaufen kann. Um die beiden neuesten großen Arbeiten von Neo Rauch auf der Messe zu erwerben, streiten nicht mehr zehn Sammler, sondern nur noch vier. Mit dieser Krise kann die Art Basel beruhigt in die Zukunft schauen. Das „ad multus annos" ist der Geburtstagswunsch, an dessen Erfüllung die Galeristen genauso glauben wie die Sammler.

Prof. Dr. Peter Raue ist Rechtsanwalt, Notar und Kunstförderer. Von 1977 bis 2008 war er Vorsitzender des Vereins der Freunde der Nationalgalerie. Er ist Senior-Partner der internationalen Anwaltskanzlei Hogan&Hartson Raue und seit 2005 Honorarprofessor für Urheberrecht an der Freien Universität Berlin.

www.artbasel.com

Installation „O Eu e o Tu / The I and the You II von Falke Pisano auf der Art Unlimited
Daniel Glaser und Magdalena Kunz, Kinematografische Skulptur auf der Scope Art Show
"55 Handlungsbahnen" by Franz Erhard Walther
Fischli & Weiss, Ohne Titel, Baumstumpf aus Gummi
Achterbahn-Parkbank "Loop Bench" des dänischen Künstlers Jeppe Hein, platziert am Haupteingang der Messe
NS-Höllenszenario mit dem Titel "No Woman no cry" von den Brüdern Jake und Dinos Chapman
Schwarzes Holzkreuz von Valentin Carron auf dem Messevorplatz | all Photos © Franziska Holzmann
Aktionskünstlerin
Alte Heilige und alter Krieger
Mechanische Skulptur (Mecanical sculpture) „Forever looks so good right now“ von Yarisal & Kublitz auf der Volta Kunstmesse (Volta art fair)
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