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NACHHALTIGKEIT
Wohnen in der Vision

Alfredo Häberli vereint mit dem Haus "Waldsicht" von Baufritz Ökologie und Gestaltung.
von Andrea Eschbach | 06.01.2021

Sein Anspruch an gute Architektur ist hoch: "Ich will einem neu gebauten Haus eine Seele geben, die beim Einzug sofort spürbar ist", erklärt Alfredo Häberli. Mit seinen Ausstellungskonzeptionen, Architekturprojekten und Designentwürfen gehört er zu den gefragtesten Designern weltweit. Seine Gestaltung setzt auf Leichtigkeit und Charme, ist dabei immer präzise. Beobachtung ist die beste Form des Denkens, so lautet seine Gestaltungsphilosophie. Das aufmerksame Beobachten kam auch dem jüngsten Projekt des Zürcher Designers zugute: Eine befreundete Familie hatte ihn angefragt, ein Haus für sie zu entwerfen. Häberli war sofort klar, dass dies von dem Fertighaushersteller Baufritz gebaut werden sollte. Bereits vor vier Jahren hatte er gemeinsam mit dem deutschen Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Öko-Systemhäusern spezialisiert hat, das Konzepthaus "Haussicht" als Vision realisiert. Ein aufsehenerregender Holzbau, der auf Offenheit, Flexibilität und Nachhaltigkeit setzte. Mit dem Haus "Waldsicht" in Köniz wurde aus der Idee ein Prototyp. Der Bau vereint moderne Ästhetik und Baubiologie mit einer Lage nahe der Natur, wie der Name bereits vermuten lässt. Direkt am Waldrand, auf einer schmalen und steilen Parzelle. "Ich habe den malerischen Wald nicht nur als grüne Kulisse verstanden, sondern als Teil der Architektur", erklärt Häberli.

Von innen nach außen

Wie schon bei der Studie "Haussicht" legte Häberli den Fokus des Projekts auf die zukünftigen Bewohner und stellte sich die Frage, welche Wohnbedürfnisse Menschen heute haben. Das Projekt ist so von innen nach außen gedacht, vom angestrebten Raumgefühl ausgehend hin zur Gebäudearchitektur. Die Bauherren wünschten sich für ihre vierköpfige Familie ein freistehendes Wohnhaus mit zwei Kinderzimmern, einem großzügigem Schlafzimmer sowie einen Arbeitsplatz mit Bibliothek und Gästenische. "Für mich entspricht diese Ausgangslage einer typischen Industriedesign-Aufgabe, bei der Bedürfnisse und Limiten nicht als Einschränkungen gesehen werden, sondern als Leitplanken", sagt Häberli. Der markante Holzbau mit zwei Terrassen setzt so auf den Kontrast zwischen organischen und geometrischen Details. Die Fassade aus vergrautem Fichtenholz, die unregelmäßig perforierten Schiebeläden, die zigarrenförmig gedrechselten Holzsäulen und die Geländer-Paddel aus Metall geben dem Haus etwas Grafisches. Das Spiel mit klaren Linien und organischen Elementen findet sich auch im Inneren wieder. "Vielfältige Strukturen, Oberflächen und Materialien bilden eine Vielfalt von Form und Farbe, die ich als direkte Antwort auf die sich stets verändernde Natur rund um das Haus verstehe", erklärt Häberli. So ergeben im Innern die fischgrätartig verlegten Klinkerböden und die Perforation der Schiebeläden ein gestalterisches Zusammenspiel.

Offenes Raumkonzept mit Ausblick

Im Erdgeschoss sind zwei großzügige Räume mit einem Badezimmer untergebracht. Es ist das Stockwerk der Kinder, eine Entscheidung mit Weitsicht für die Zeit, in denen diese später gern einen eigenen Rückzugsort haben möchten. Das architektonische Rückgrat des Erdgeschosses bildet einen Wandschrank mit Eichenfront, der viel Stauraum bietet. Im Obergeschoss entsteht aus der Küche mit Blick ins Grüne, der organisch geschwungenen Bar mit einem Essbereich und der vorgelagerten Terrasse ein vielseitig nutzbares Raumgefüge. Hohe Fenster, Lichträume und offene Treppendurchblicke sorgen für ein offenes Ambiente. Hier kommt die Familie zusammen: Der gemeinschaftliche Wohnbereich fungiert als kommunikatives und soziales Zentrum des Hauses. Ein Kamin wird links von einer Doppeltür und rechts von einem doppelhohen Fenster zur Waldseite flankiert – ein Ort zum Rückzug mit Ausblick auf die Natur. Der Treppenabgang, von der Terrasse hin zum Garten, verbindet die optische und akustische Ruhe des Wohnraums mit dem Grün des Waldes.

Das Reich der Eltern befindet sich dagegen im Dachgeschoss. Die lichte Galerie beherbergt einen großflächigen Arbeitsplatz – ein Wunsch der Bauherren, die viel Zeit im Homeoffice verbringen. Der übergroße schwebende Schreibtisch ist direkt an die Brüstung angedockt. Für kreative Pausen dient gleich nebenan eine bequeme Koje mit Lese-Liege-Fläche. Ein Einbauschrank aus Massivholz, der sowohl von Bad wie Schlafzimmer zugänglich ist, lässt viel Stauraum. Wie auf den anderen Ebenen sind auch die Fensteröffnungen auf diesem Stockwerk so gewählt, dass die Aussicht in die Umgebung und auf den nahen Wald stets im Mittelpunkt der Raumwahrnehmung steht. Häberli schenkt jedem Detail seiner Architektur die gleiche Aufmerksamkeit, sei es ein Schrank oder eine Stützmauer. "Wir haben festgestellt, dass Ökologie und Gestaltung nicht im Widerspruch zueinanderstehen, sondern im Gegenteil, Design einen Mehrwert schafft", sagt Häberli. Und fügt an: "Ich bin als Designer davon überzeugt, dass es eines ganzheitlichen Blickes auf das Bauen bedarf". Dies schätzt auch Baufritz-Chefin Dagmar Fritz-Kramer: "Auch bei diesem Projekt hat mich das Zusammenspiel von Architektur und Design begeistert – mit dem Ergebnis, dass Waldsicht ein neues Familienmitglied mit einem ganz eigenen Charakter geworden ist."