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Johanne Nalbach

Blickpunkt: Architektinnen – Johanne Nalbach

In unserer Serie "Blickpunkt: Architektinnen" stellen wir Ihnen in regelmäßiger Folge das Werk von Architektinnen vor – wie das von Johanne Nalbach, die besondere Expertise beim Hotelbau bewiesen hat und kürzlich die umfangreiche Sanierung der Kant-Garagen in Berlin realisierte.
von Falk Jaeger | 04.01.2023

Als die junge Architektin Johanne Nalbach und ihr Mann Gernot Nalbach das gemeinsame Büro Nalbach + Nalbach gegründet hatten, wurde ihnen recht bald klar: zusammenarbeiten geht nicht. Zunächst fiel das nicht so sehr ins Gewicht. Johanne teilte das Los vieler Kolleginnen in Paarbüros und war im Atelier nicht hundertprozentig präsent. Eine Familie gründen, drei Kinder erziehen, geht mehrheitlich zulasten der Frau. Kontinuierliche Arbeit an umfangreicheren Bauvorhaben ist parallel nur unter größter Anstrengung möglich. So glich es einem Emanzipationsprozess, als sie nach einigen Jahren schrittweise ihre eigenen Projekte in die eigene Hand nehmen konnte, um sie vom Wettbewerbsgewinn bis zur Einweihung vollständig zu betreuen.

"New Orleans" Hotel, Wismar, 2007 bis 2009

Ein Blick zurück: Gernot und Johanne hatten das Architekturstudium in Linz begonnen. Er hatte sie im ersten Semester in der Vorlesung entdeckt und angesprochen, seitdem sind sie ein Paar. Er sprühte vor Ideen, machte alles auf die Schnelle, erwarb auch das Diplom früher als sie. Sie modelte nebenher, verdiente damit gutes Geld ("Ich wollte damals schön sein"), arbeitete akribisch und absolvierte alles mit Auszeichnung. Ihr erstes Projekt war ein kleiner Umbau, ihr erstes Honorar ein gebrauchtes Surfbrett. "Meine Befreiung kam mit dem Computer", stellt sie lapidar fest, denn ab da war sie nicht mehr auf ihn angewiesen. Gernot konnte sehr gut zeichnen. Seine Entwürfe sahen immer perfekt aus und so konnte er sie durchsetzen. Er war dominant, kannte keine kooperative Arbeitsweise. Die Trennung der Projekte in seine und ihre war unumgänglich.

Das gemeinsame Büro blieb allerdings bestehen. Bis heute firmieren die Projekte unter "Nalbach + Nalbach Architekten", seit langem mit einem der beiden UrheberInnen in der Unterzeile. Besondere Expertise hat Johanne Nalbach beim Hotelbau an den Tag gelegt. Auf der Grundlage gewonnener Wettbewerbe baute sie Hotels in Köln, Leipzig, Hamburg, Wismar, Seehof (Mecklenburg), allein vier in Berlin. Immer sind es Häuser mit eigenem Fluidum. In der Hamburger HafenCity ist es ein ortstypischer Backsteinbau mit attraktiv ornamentierter Klinkerfassade, der sich durch farbige Fenstererker und Cortenstahl-Elemente vor heimeliger Anmutung schützt. In Wismar ging es ihr darum, die Intervention in eine Altstadtsituation mit modernen Gestaltungsmitteln zu meistern. Mehrmals konnte sie für die Gruppe art´otel Häuser entwickeln, bei denen der Fokus auf der Integration von Kunst und Architektur lag. Und schließlich haben sich Nalbach + Nalbach am Neuklostersee in Mecklenburg mit einem eigenen Wohlfühlhotel einen Traum erfüllt. Das Anwesen in idyllischer Lage mit einem historischen Steinhaus, mit "Kunstscheune", "Badescheune" und Ferienhäusern ist durch Johanne Nalbachs Sanierung und Erweiterungen zum architektonischen Juwel geworden. Inzwischen betreiben sie noch ein zweites Ressort, ein Suitenhotel im historischen Kavaliershaus Schloss Blücher am Finckener See, ebenfalls in Mecklenburg.

Gernot Nalbach hat sich mittlerweile aus dem aktiven Bürobetrieb zurückgezogen. Johanne Nalbach ist engagiert wie eh und je. Erst im Oktober 2022 konnte sie ein Projekt fertigstellen, das ihr ein Herzensanliegen war. Die Kant-Garagen in Berlin, ein durch Vernachlässigung und Leerstand etwas in Vergessenheit geratenes, dennoch epochales Kulturdenkmal der Mobilitätsgeschichte, waren unter strengen Auflagen des Denkmalschutzes zu sanieren. Ein Auftrag wie geschaffen für Johanne Nalbach, die sich der Aufgabe mit Verve und Hartnäckigkeit gegenüber der Denkmalpflege und dem Bauherrn annahm und zunächst einmal gründlich die Baugeschichte des Hauses ergründete. Das Haus war von dem Ingenieur Louis Serlin bei den Architekten Hermann Zweigenthal und Richard Paulick (dem Bauhaus- und späteren DDR-Architekten) in Auftrag gegeben wurde. Dann wurden alle historischen Relikte, Inschriften, Beschläge, Haustechnik und die originalen automatischen Brandschutztüren sowie die stählernen, beheizten Boxen mit Schiebetür für die wertvollen Horchs, Mercedes´ und Maybachs aufgenommen und gesichert.

Mit dem Designkaufhaus Stilwerk als Nutzer gelang es, die Etagen weitgehend in ihrem Charakter zu erhalten und als ehemalige Parkgaragen erlebbar zu machen. 36 erhaltene Boxen werden als Büros oder Showrooms genutzt, die Wendelrampe ist noch begehbar, im Ausnahmefall befahrbar. Im Erdgeschoss gibt es eine Art Markthalle mit Themenrestaurants, im Gartenhof ein Café. In den oberen Geschossen ist Platz für Verkaufsflächen und Kunstausstellungen, für ein Bürogeschoss und unterm Dach eine luxuriöse Penthouse-Wohnung. Der Vorbesitzer wollte wegen angeblicher Baufälligkeit abreißen, auch der Totalumbau wurde diskutiert, doch der Kampf um das Denkmal hat sich gelohnt.

Hafencity Hamburg Hotel "PIER 3" und "ASTOR" Filmlounge 2013 bis 2015

Heute steht der Bau mit seiner signifikanten Glasvorhangfassade und seinem weitgehend original erhaltenen Innenleben als strahlende Schönheit vor Augen und man fragt sich, wie es überhaupt zur groben Vernachlässigung dieser Ikone der Mobilitätsgeschichte kommen konnte. Das Projekt reüssierte aber auch deshalb, weil Johanne Nalbach auf dem zugehörigen Nachbargrundstück ein Stilwerk-Hotel baute, das mit der Garage organisatorisch verbunden ist. Jeder Architekt, den man befragt, spricht davon, dass er bei seinen Entwürfen auf den Kontext reagiere. Im Nachhinein ist das oftmals nicht so recht zu erkennen. Bei Johanne Nalbach wird das glaubhaft. Besagtes Hotel in der Hamburger HafenCity etwa spielt mit den örtlichen Gestaltungstraditionen. Nicht nur, dass es mit seiner Klinkerfassade an den norddeutschen Backsteinbau anknüpft, es zitiert auch mit seinen Reliefstrukturen den Expressionismus des nahen Kontorhausviertels, ohne freilich dessen Dekormotive wörtlich zu wiederholen. Denn Johanne Nalbach hat sich zwar Expertise in Denkmalpflege und Bauen in historischem Umfeld erworben, aber explizit historistisch zu bauen liegt ihr fern.

"Die Welle", Hotel- und Bürogebäude, Berlin, 2007 bis 2009
Townhouse P15 Am Friedrichswerder, Berlin, 2004 bis 2010

Dass ihr Büro nicht auf stetiges Wachstum ausgelegt ist – sie zitiert Gustav Peichl: "mehr als acht MitarbeiterInnen kann man nicht überblicken" – liegt daran, dass sie nicht delegieren kann, dass sie Wettbewerbsentwürfe selbst bearbeitet und ansonsten einige BauherrInnen hat, die sie immer wieder direkt beauftragen. Die Mischung aus Pflichtbewusstsein, Leidenschaft und Engagement in ihrer Arbeit hat wohl auch verhindert, dass sie in größerem Maß in der Lehre tätig wurde. Ihr ist bewusst, dass sie neben der Arbeit im Büro einen Lehrstuhl nicht verantwortlich führen könnte. Was schade ist denn, sie vermag mit Zuwendung und didaktischem Geschick wunderbar Architektur zu vermitteln. So blieb es bei einzelnen Lehraufträgen und bei einer außerordentlichen Professur der University of Kansas und University of Kentucky, die sie mehrheitlich in Berlin in Form von bei den amerikanischen Studierenden sehr beliebten Workshops absolviert.

Ihrem Berufsethos entsprechen gehört für Janne Nalbach das kosten- und termingerechte Abliefern auch zu den Kardinaltugenden. Die Bundespressekonferenz zum Beispiel, fast täglich in den TV-Nachrichten zu sehen, ist einer der wenigen Regierungsbauten, dessen Planung und Errichtung ohne publizistische Begleitmusik über die Bühne ging. Derart im Rampenlicht zu stehen, würde ihr ohnehin nicht behagen. Sie zieht es vor, besonnen im Hintergrund zu bleiben und im ruhigen Gespräch zu überzeugen.