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"Circuit–Sequence"

JUNGE TALENTE
Energie und Bewegung

Wie elegant industrielle Rohmaterialien wirken können, zeigte die multidisziplinäre Designerin Chialing Chang im Rahmen der Ausstellung "Optical Flow: Objects and Perception in Light" in Kopenhagen.
von Anna Moldenhauer | 21.07.2025

Die Galerie FANZI hatte zu den 3daysofdesign sechs taiwanesische DesignerInnen ausgewählt ihre Werke zu präsentieren: Diese boten eine Schnittstelle zwischen Design und Kunst und luden die BesucherInnen dazu ein, angesichts von Alltagsgegenständen in poetischen Ausdrucksformen die vermeintlichen Grenzen der Gestaltung neu zu denken. Chialing Chang, Gründerin des Studios messagingleaving, zeigte "Circuit–Sequence"; mobile Lichtskulpturen, für die Stahlseile sowohl die Spannung halten, wie sie den Strom leiten. Entwickelt wurden diese in Kooperation mit der Ingenieurskunstgruppe ZAP. Ebenso präsentierte sie eine Studie zu der optischen Illusion, die mittels der Oxidschicht entsteht, welche sich bildet, wenn Edelstahl mit Hitze behandelt wird: "Bluing Series–Cross". Eine Seite der kreuzförmigen Struktur ist hierfür poliert worden, bis man sich darin spiegeln kann – die andere ist wärmebehandelt und zeigt so eisenoxidische Anlauffarben, die von Hellgelb über Violet bis zu Blaugrau schillern. Während dieser Effekt in der Industrie eher unerwünscht ist, da er zu Korrosion führen kann, dient dessen Ästhetik Chialing Chang als Veredelung. Einen Einblick in ihre Arbeit gibt sie uns im Interview.

Chialing Chang

Für deine Werke verwandelst du rohe, feste Materialien wie Stahlseile, Drähte und Edelstahl in filigrane, skulpturale Formen. Was reizt dich an dieser Transformation und der neuen Interpretierbarkeit?

Chialing Chang: Ich werde von Materialien angezogen, die eine gewisse Starrheit oder Spannung haben. Für mich fühlen sie sich neutral an – wie Metall und Glas, die eine gewisse Klarheit bieten. Vielleicht ist es ihre kühle Anmutung, ihre anorganische Beschaffenheit oder einfach das Gefühl, dass ihnen keine bestimmte Bedeutung zugewiesen ist. Sie haben eine Art Leere in sich, und für mich ist diese Leere voller Möglichkeiten. Ich kann Gedanken und Gefühle darauf schichten, und durch diesen Prozess wird das Material wie ein Spiegel. Es spiegelt wider, wie ich mich ihm nähere, wie ich versuche, etwas Inneres in eine physische Form zu übersetzen, wie ich darauf reagiere oder es mitunter herausfordere. Letztendlich geht es darum, wie meine Bestrebungen eine gemeinsame Sprache mit dem Material finden können.

Du hast dein Studio im Jahr 2021 gegründet. Was hat dir in der Branche gefehlt, das du mit deinem kreativen Ausdruck bieten wolltest?

Chialing Chang: Ich habe messageleaving gegründet, als mir klar wurde, dass meine Herangehensweise an Design nicht ganz mit den Methoden übereinstimmte, die mir beigebracht worden waren. Ich komme ursprünglich aus dem Industrie- und Produktdesign, wo das Denken oft linear verläuft – mit Fokus auf Funktion, Effizienz oder klaren Lösungen für bestimmte Probleme. Aber ich interessierte mich immer mehr für andere Aspekte: die Haptik eines Materials, die kleinen Abweichungen, die während der Herstellung auftreten, oder die Geschichten und Kontexte hinter einem Bestandteil. Diese Elemente waren für mich genauso wichtig wie das Ergebnis selbst. Mit der Zeit entwickelte ich meine eigene Arbeitsweise, die nicht streng als Design oder Kunst definiert werden muss. Ich habe akzeptiert, dass meine Arbeit eine künstlerische Absicht hat, aber dennoch von der Logik des Designs geprägt ist. Sie liegt irgendwo dazwischen, und ich fühle mich in diesem Raum wohl.

Woran arbeitest du derzeit?

Chialing Chang: Die meisten meiner Arbeiten wurden in Ausstellungen und Installationen gezeigt, aber in den letzten Jahren habe ich angefangen, mehr mit Marken zusammenzuarbeiten. Ein aktuelles Projekt wird mit einer lokalen taiwanesischen Möbelschreinerei realisiert. Es begann mit einem Einzelstück, das ich für deren Ladeninterieur entworfen habe, und entwickelte sich nach und nach zu einem kontinuierlichen Austausch. Jetzt arbeiten wir gemeinsam an Möbeldesigns und prüfen die Möglichkeit, eine neue Marke zu gründen. Dieser Prozess war eine tolle Überraschung. Sie zeigt, dass die Werte, die mir wichtig sind, und meine Herangehensweise an das Schaffen bei anderen in der Produktion und im kommerziellen Kontext Anklang finden. Gleichzeitig bleibt es für mich wichtig, meine persönliche Arbeit fortzusetzen. Das hält meine Praxis flexibel, offen und unabhängig. Es wird mir immer bewusster, wie persönliche Ideen konkretere Formen annehmen und wie sie, wenn sie in verschiedenen Formaten zum Ausdruck kommen, still und leise Einfluss nehmen können.


Chialing Chang ist die Gründerin von "messagingleaving", einem kreativen Projekt in Taipeh, das den Dialog zwischen industrieller Produktion und Handwerkskunst anhand von Objekten, Installationen und experimentellen Arbeiten untersucht. Mit einem Hintergrund als Produktdesignerin bei Jin Kuramoto Studio in Tokio und einem MAS-Abschluss der ECAL in Design für Luxus und Handwerkskunst greift sie in ihren Arbeiten häufig auf Rohmaterialien und elementare Kräfte zurück, um eine subtile Balance zwischen Funktionalität und meditativer Sensibilität herzustellen.

"Bluing Series–Cross"