„Ich werde immer nach der Strategie gefragt, ich habe aber keine", sagt der Berliner Architekt Jürgen Mayer H. in einem Interview mit Vitra-Chef Rolf Fehlbaum. Wer seine neue Monografie im Hatje Cantz Verlag liest, kann diese Haltung in Ansätzen nachvollziehen. Denn egal ob gebaute Architektur, Design oder Interiors - Jürgen Mayer H. präsentiert sich in diesem Band als Visionär. Einer, dem es nicht auf die Realisierbarkeit seiner Ideen ankommt, sondern auf die Ideen selbst. Viele Werke, die in dieser Monografie vorgestellt werden, sind Studien, die sich manchmal auf dem Terrain der Kunst tummeln, dann wieder Architektur zeigen oder aber als Design gelten können; auf die Möglichkeit der Serienproduktion oder der Funktionalität, des Kontextes oder der konstruktiven Details kommt es dabei nicht immer an - viele Projekte haben sogar regelrecht utopischen Charakter. So zeigt etwa die „Housewarming Myhome"-Installation, die Jürgen Mayer H. im Sommer 2007 im Vitra Design Museum ausgestellt hat, einen dynamischen Raum mit wärmeempfindlichem Oberflächen, die auf Körperkontakte reagieren. Ein Experiment mit einem Material, das in seiner Reichweite noch nicht erfasst ist und dem sich Jürgen Mayer H. mehrfach angenommen hat. Seine Installation ist der Versuch, das Material in einen architektonischen, musealen Zusammenhang zu integrieren, der Perspektiven auf neue Wohnsituationen eröffnet. Wer sich nach dem im heutigen Alltag verankerten Nutzen des Projekts fragt, könnte sicherlich lange rätseln. Doch das macht nichts und ist keinesfalls ein Nachteil, sondern kennzeichnet vielmehr den Vorsprung, den Jürgen Mayer H. gegenüber vielen anderen Architekten hat. Er bewältigt mit Leichtigkeit gigantische Maßstabssprünge vom gebauten Bürokomplex zum Design von Alltagsgegenständen, hat keinerlei Berührungsängste mit Kunst oder Design, und zeigt sich als unerschrockener Träumer, der sich besonders für bodenständige Datenraster, Muster, Ornamente und dergleichen interessiert. Gebaute Utopien Den Blick meistens nach vorne, in die Zukunft gerichtet, bauen er und sein Team recht gewagte Häuser, etwa die Mensa Moltke in Karlsruhe oder die Dubli.Casa am Neckar: Ein monströs aber interessantes Einfamilienhaus, das eher aus dem nächsten Jahrtausend als aus unserem zu stammen scheint. Gebäude, die „versuchen, sich selbst zu demontieren", beschreibt Henry Urbach das typisch Mayer H.'sche in seinem Essay in der neuen Monografie, und er hat Recht: Es geht nicht um Schönheit und auch nicht um den Kontext, sondern um eine Form Demontage, die das Gebaute als Illusion erscheinen lässt und eine Form der Selbstironie mit ins Spiel bringt. Jürgen Mayer H.'s Monografie zeigt viele beeindruckende Versuche, Projekt und Experimente, die nüchtern dokumentiert werden und von mehreren Essays theoretisch unterfüttert und ergänzt sind. Ein Buch, das sich anders als viele andere Architektenmonografien lohnt und einen erfrischenden Blick auf die Zukunft zulässt. Architektur als Abenteuer, das viele Gestaltungsfelder in sich vereint! Dieser Diskurs ist in Deutschland völlig verkümmert - bei Jürgen Mayer H. jedoch treibt er wunderbar experimentelle Blüten. J. MAYER H. Herausgegeben von Henry Urbach, Cristina Steingräber, Text von Stephen Hartman, Andres Lepik, John Paul Ricco, Ilka und Andreas Ruby, Felicity D. Scott, Henry Urbach, Philip Ursprung, Interview mit dem Architekten von Rolf Fehlbaum; Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2008, 240 Seiten, gebunden, 49,80 €
Chiffren, Muster, Demontage
von Sandra Hofmeister | 26.11.2008
All photos © Dimitrios Tsatsas, Stylepark
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