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Teppichwelten in den Hallen der DOMOTEX 2020

DOMOTEX 2020
Zwischen Kunst und Technik

Die DOMOTEX, Weltleitmesse für Teppiche und Bodenbeläge, bleibt auch bei der Ausgabe 2020 eine der ungewöhnlichsten deutschen Messen und ist immer wieder für Überraschungen gut. Unser Messerückblick.
von Fabian Peters | 28.01.2020

Wohl keine andere Messe in Deutschland ist so international wie die DOMOTEX
90 Prozent der Aussteller und zwei Drittel der Besucher kommen aus dem Ausland nach Hannover. Und kaum eine ist so besonders – und das in mehrerlei Hinsicht.

Um den Besuch der Weltleitmesse für Teppiche und Bodenbeläge kommt keiner herum, der sich beruflich oder privat für diese Themen interessiert. Hier sind die neuesten Trends genauso zu sehen, wie innovative Produkte oder weiterentwickelte Verlegetechniken. In den Messehallen 11 und 12 zeigen die internationalen Branchenriesen aus den Angebotsbereichen Holz, Laminat, Outdoor und elastische Bodenbeläge ebenso ihre Produktpaletten, wie kleine Manufakturen, die hochwertigstes Parkett nach Kundenwunsch fertigen. In der Halle 13 wird überall geschraubt, gebohrt, gedübelt und natürlich gefachsimpelt. Hier haben die Werkzeughersteller, die Produzenten von Bodenlacken und -wachsen, die Spezialisten für Unterbaumaterial und Montagelösungen ihre Stände. Hier hat auch der "Treffpunkt Handwerk" seine Zelte aufgeschlagen, wo während der gesamten Messedauer Experten rund um das Thema Boden ihr Wissen weitergeben.

Und dann gibt es die andere, die exotische, orientalische DOMOTEX. Hier taucht der Besucher in die faszinierende Welt der geknüpften Teppiche ein. Zuweilen kommt man sich zwischen den hohen Stapeln kostbarer Teppiche vor, als befände man sich auf einem Basar an der Seidenstraße oder in einem Kontor in Venedig, wohin Segelschiffe die wertvolle Handelsware transportiert haben. Keine andere Messe in Deutschland bietet ein solches Erlebnis. Teilweise haben die großen Teppichhandelsgesellschaften prächtige Stände aufgebaut, die mit ihrem reichlich verarbeiteten Gold und ihren Säulen an die glitzernden Ölländer am Persischen Golf denken lassen. In der Halle der indischen Teppichproduzenten kontrastiert die Zweckmäßigkeit der schlichten Messestände aus Aluminiumprofilen mit dem reichen Ornament der Teppiche. Zwischen ihren Waren haben sich die Händler häuslich eingerichtet und man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass sie nicht nur ihre Teppiche, sondern auch das Lebensgefühl ihrer Heimat in die Messehalle transportiert haben.

Die Faszination für das Kunsthandwerk des Teppichknüpfens vermochte dieses Jahr ganz besonders die Sonderschau "The 4 Seasons" der Teppichgestalterin Lila Valadan in der Halle 3 zu vermitteln. Ihre Arbeiten stellen unter Beweis, dass die Jahrhunderte alte Kulturtechnik absolut zeitgemäße Werke hervorbringen kann, ohne ihre Wurzeln aufgeben zu müssen. Valadan, die eng mit nomadischen Knüpferfamilien im Iran zusammenarbeitet, gelingt dabei der Spagat, die traditionelle islamische Ornamentik ganz modern wirken zu lassen und zugleich die gegenständlichen und figürlichen Motive, die die Kunst Persiens ebenfalls kennt, weder abstrakt zu entstellen noch zu verkitschen.

Das Gelenk zwischen den beiden Welten der DOMOTEX bildet der Trendspace, der 2020 erstmals die gesamte Halle 8 einnimmt. Auf den ersten Blick scheint sich hier nicht viel geändert zu haben. Weiterhin stehen hier die bühnenartigen Stände mit ihren markanten lilafarbenen Rahmen, auf denen die sogenannten Framing Trends präsentiert werden, im Mittelpunkt des Sonderausstellungsbereiches. Wer genauer hinschaut, erkennt aber, dass der Trendspace einer Neukonzeption unterzogen wurde. Die sogenannten "Contract Frames" wurden neu geschaffen – vier vollständig eingerichtete Themenräume, die das Trendspace-Motto 2020 "Atmysphere" mit Leben füllen sollen. Hinter dem Kunstwort "Atmyspere" verbirgt sich der "Megatrend Health and Wellbeing", den die DOMOTEX dort mit Hilfe der "Contract Frames" in seinen verschiedenen Spielarten beleuchten will. Da gibt es ein Hotelzimmer, das die Materialwirkung in den Mittelpunkt stellt. Ein Wohnraum veranschaulicht besonders umweltfreundliche und gesundheitsfördernde Produkte und Techniken. Auch im Yogaraum dreht sich alles um ein gesundes und entspannungsförderndes Umfeld. Im Konferenzraum stehen Anwendungen für den Arbeitsplatz im Fokus – von der Akustiklösung bis zur gepolsterten Sitzlandschaft. Der große Patio schließlich, der die vier Themenräume verbindet, zeigt zeitgemäße Lösungen für Outdoorböden. Alle Bereiche hat die Messe mit Partnern entwickelt, die hier für ihre Produkte und Lösungen eine ideale Bühne finden. Gleichzeitig gibt die Messe mit den "Contract Frames" den Fachbesuchern, seien es Händler, Handwerker oder Architekten, praxisorientierte Beispiele als Anregung und Denkanstoß an die Hand.

Der zentrale Raum der Sonderschau "The 4 Seasons" von Teppichdesignerin Lila Valadan

Einen wirklich beeindruckenden Einblick in die Möglichkeiten textiler Materialien bot der Stand des Studiengangs Textil- und Flächendesign an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin. Die Hochschule gehörte zu den ideellen Ausstellern, die im Rahmen der "Nu Thinkers" im Trendspace ihre Arbeiten präsentieren konnten. Studentinnen und Studenten zeigten eine Vielzahl spannender Anwendungen, die sie unter der Leitung von Christiane Sauer, Professorin für Material und Entwurf im räumlichen Kontext, entwickelt hatten – vom Papierscreen, der sich bei Feuchtigkeit zusammenfaltet bis zum Elastikgewebe, das seine Eigenschaften nur durch die mechanische Verarbeitung des Wollfadens und ganz ohne Zuhilfenahme von Kunstfasern erhält.

Auch im Jahr 2020 lag der DOMOTEX die zeitgenössische Kunst besonders am Herzen. So schuf MODICA aus München im Zentrum der Halle 8 ein vollständig aus Kieseln und kleinen Steinen zusammengesetztes Bodenmosaik, dessen Dreidimensionalität und amorphe Formen Sehgewohnheiten herausforderten und einen ganz eigenen Zugang der Künstler zum Thema Kunsthandwerk unter Beweis stellten. Hier fanden die beiden Kraftfelder Kunst und Technik, zwischen denen sich die DOMOTEX bewegt, auf gleichermaßen unerwartete, zeitgemäße und selbstverständliche Art und Weise zueinander.