top
Effizienz ist nicht alles!
Uta Abendroth im Gespräch mit Ulrike Brandi
19.02.2014
Transluzentes Spiel im Raum: Die smd-LEDs spiegeln die hellen Bauelemente wider und sorgen für Transparenz und Leichtigkeit im Raum. Foto © Robert Basik
Uta Abendroth: Welche technischen Entwicklungen beeinflussen derzeit die Lichtbranche am stärksten?

Ulrike Brandi: Der Einfluss der LEDs hat stark zugenommen. Alle Leuchtenhersteller produzieren inzwischen Leuchten mit LEDs. Und plötzlich ist alles nur noch gleißend hell. Man wird zudem auch noch massiv von diesen Leuchten geblendet. Bei der Entwicklung der LED-Leuchten stand immer die Energieeffizienz an vorderster Stelle. Erst jetzt beginnen die Hersteller auch die „Komfort-Eigenschaften“ dieses Leuchtmittels zu berücksichtigen.

Spielen sie dabei auch auf die Farbe des Lichtes an?

Richtig. Am effizientesten sind Leuchtmittel mit einem neutralen, weißen Licht – ähnlich dem Tageslicht. Doch die weißen LEDs besaßen zunächst eher ein blaues Licht, das stark am Bedürfnis des Kunden vorbei ging, denn in Innenräumen möchten wir kein kaltes Licht haben. Und auch abends in Städten, beispielsweise bei der Straßenbeleuchtung, ist ein warmes, gemütliches Licht doch mehr im Sinne des Stadtbewohners.

Sollte man also eher auf Licht in Orangetönen setzen?

Es geht nicht nur um die Lichtfarbe, sondern auch um die Farbwiedergabe. Diese kann man beeinflussen – die Industrie lernt das gerade. Natriumdampflampen beispielsweise geben ein überwiegend orange-farbenes Licht wieder. Sie sind zwar effizient, haben aber eine schlechte Farbwiedergabe. Anders in der Stadt Hamburg, um ein gutes Beispiel für Beleuchtung im Stadtraum zu nennen: Hier werden immer noch Leuchtstofflampen eingesetzt, die über ein sehr angenehmes, warm-weißes Licht mit guter Farbwiedergabe verfügen.
Verschachtelung auf allen Ebenen: Für das „Haus im Haus“, der Handelskammer in Hamburg, entwickelte Ulrike Brandi ein ausgeklügeltes Lichtkonzept. Foto © Robert Basik

In der Öffentlichkeit wird aber noch immer über Energieeffizienz statt über Lichtqualität diskutiert. Wie sehen sie hier ihre Rolle als Lichtplaner?

Wir Lichtplaner verstehen uns oft als Vermittler zwischen Technikern, Designern, Architekten und Nutzern. Einerseits müssen wir technisches Know-how haben, andererseits sehr nah an den Nutzern dran sein. Wir sind aber auch angewandte Künstler, die ein Gespür dafür haben, was gerade im Trend liegt. Wir kennen die Innovationen der Branche und aktuelle Forschungsergebnisse. Neben den LEDs gibt es ja auch die OLEDs, die immer noch zögerlich betrachtet werden. Sie sind zwar nicht so leistungsstark wie LEDs, haben aber viel Entwicklungs- und Gestaltungspotenzial.

Die Lichtbranche ist schon allein durch die unterschiedlichen Leuchtmittel sehr kompliziert geworden, oder?

Das finde ich auch. Früher setzte sich eine Leuchte aus einem Gehäuse, einem Reflektor und/oder einem Lampenschirm sowie dem Leuchtmittel und einer Fassung zusammen. Bei den LEDs verschmilzt nun oft alles zu einem Ganzen und es gibt keine Standards mehr, wie beispielsweise einen E27-Sockel. Während man früher einfach nur die Glühbirne austauschte, muss man LED-Leuchten heute teilweise komplett entsorgen. Ohne darüber nachzudenken, produzieren wir enorm viel Elektroschrott und auf der anderen Seite reden wir davon, wie umweltfreundlich die LED sei.

Effizientes Konzept: Während das Licht in Arbeitsräumen intensiver ist, setzt Ulrike Brandi für die Wegebeleuchtung weicheres Licht ein. Foto © Robert Basik

Überfordert die Vielfalt der Leuchtmittel den Konsumenten?

Auf jeden Fall. Allein die Wahl des richtigen Leuchtmittels ist heute schwierig – man muss auf diesem Gebiet schon fast Experte sein, um für den privaten Gebrauch die richtige Lösung zu finden. Es braucht mehr Standards, um den Markt wieder übersichtlich zu machen. Aber das sind lange Prozesse, in die viele Parteien involviert sind, die unterschiedliche Interessen haben. Für den Konsumenten ist es momentan sehr schwierig und es hat dazu geführt, dass die Lichtqualität in Wohnräumen in den letzten Jahren eher schlechter geworden ist. Die Glühlampe dagegen ist so einfach! Sie gibt ein wunderbares Licht und ist zudem noch billig. Eine LED kostet das 10- bis 20-fache.

Trauern sie der Glühbirne hinterher?

Ja! Ich bin aber der Meinung, man sollte die freie Wahl haben, welches Leuchtmittel man nutzen möchte. Nach meinen Beobachtungen würde ich sogar sagen, dass der Umgang mit der Glühbirne viel energiebewusster war, denn man schaltete tatsächlich das Licht aus, wenn man es nicht brauchte. Heute wird das Licht eher angelassen, weil vermittelt wird, dass es ja wenig kostet. Dadurch sparen wir aber unter dem Strich keine Energie - wir setzen tendenziell mehr Licht ein oder lassen es länger brennen.

Welche Vorteile der Neuentwicklungen nutzen sie?

In unseren Projekten gibt es gute Argumente, LEDs einzusetzen, um im Zusammenhang mit einer automatischen Steuerung verschiedene Lichtstimmungen herzustellen und – dem Tageslicht entsprechend – auch mal weniger Kunstlicht einzuschalten. Es gibt spannende Neuentwicklungen, aber es ist immer noch ein großer Schritt diese anzuwenden. Man muss sich die Zeit nehmen und die Feinheiten des Lichts sehr genau beobachten, damit wir „Lichtwelten“ entwickeln, die das Wohlbefinden eines Einzelnen verbessern und die individuell angepasst werden können.

Die Beleuchtung der HafenCity in Hamburg erfordert eine umfassende Neukonzeption der Lichtplanerin. Foto © Jörn Hustedt
Wie bringen sie ihr Wissen in ihrer Zusammenarbeit mit Architekten ein?

Besonders in Skandinavien gehen Architekten sehr sensibel mit dem Thema Beleuchtung um und involvieren Lichtplaner in frühen Phasen – oft bereits beim Wettbewerb. Aber manchmal müssen wir auch „Feuerwehr“ spielen, weil niemand vorab die Lichtplanung berücksichtig hat und wir nun nachträglich versuchen müssen, das Beste herauszuholen. Gerade die Umnutzung von Altbauten erweist sich als schwierig. Kompliziert ist das beispielsweise in Kirchen, denn dort gibt es einen großen Luftraum, den man als Lichtplaner respektieren will. Andererseits müssen die Kirchenbesucher, die die Lieder heute nicht mehr auswendig kennen, das Gesangsbuch lesen können. Besonders spannend finde ich das Thema Beleuchtung in Krankenhäusern. Dort kann die Genesung der Patienten durch das richtige Licht unterstützt werden. Die Klinik ist aber auch ein Arbeitsplatz. Menschen arbeiten hier im Schichtbetrieb und sollten trotzdem durch zu helles Licht nicht in ihrem Biorhythmus vollkommen durcheinander gebracht werden. Beide Aspekte müssen bei der Wahl der Beleuchtung berücksichtigt werden und die Lösung solcher Problemstellungen finde ich als Lichtplaner äußerst reizvoll.

An welchen Projekten arbeiten sie denn aktuell?

Am Altonaer Kinderkrankenhaus entsteht gerade ein Elternhaus, das Familien schwerkranker Kinder ein Zuhause auf Zeit bieten soll. Wir haben auch das Lichtkonzept zu Zaha Hadids Familien-Apartment entwickelt. Ein überaus spannendes Projekt ist derzeit die Planung einer Ausstellung über Nomadenzelte, die von Zaha Hadid initiiert wurde. Die Schau wird unter anderem in Doha und New York gezeigt und wir müssen ein Konzept für unterschiedliche Räume entwickeln.

Worin liegt für sie die größte Herausforderung bei ihren Projekten?

In jedem Fall muss man sich der unmittelbaren Wirkung des Lichts auf den Menschen bewusst sein. Eine falsche Beleuchtung kann sich durchaus negativ auswirken – denken sie nur an die großen Leuchtreklametafeln: Das Licht ist grell und flackert allzu oft. Für mich ist das eine Art Umweltverschmutzung. Man kann auch sanftere Töne anschlagen, indem man beispielsweise Tageslicht einsetzt, auf Himmelsrichtungen achtet und Gegebenheiten vor Ort in die Gestaltung mit einbezieht. Man sollte immer bedenken, dass wir für Menschen planen. Und deren Bedürfnisse sollten im Mittelpunkt unserer Planungen stehen.
Wie ein Leuchtturm am Hafen: Die Elbphilharmonie in Hamburg. Foto © Herzog & de Meuron
Weitblick: Niedrige Leuchten ermöglichen den Blick übers Wasser in die Ferne. Foto © Jörn Hustedt
Ein Licht im Dunkeln: Die Apartments für die Ronald McDonald Child Care Foundation von Zaha Hadid. Foto © Zaha Hadid Architects