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Haus der Zukünfte

Das Architekturbüro etal. hat mit seinem ersten Neubauprojekt, der Görzer Straße 128 in München, mehrere Auszeichnungen und Nominierungen erhalten, wie aktuell für den DAM Preis 2026. Der Sozialwohnungsbau in Holzbauweise beeindruckt durch sichtbare Wandelbarkeit und konsequente Materialehrlichkeit. Alle gestalterischen Entscheidungen der drei Architektinnen von etal. wurden im Konsens mit einer zwölfköpfigen Baugruppe getroffen. Wir sprachen mit Gesche Bengtsson, Elena Masla und Zora Syren.
05.09.2025

Karin Henjes: Ihr nennt euch etal. Warum?

Zora Syren: Wir möchten vernetzt arbeiten und sind offen für Kooperationen. Daher auch der Büroname etal., et alii = und andere. Hier im Kontorhaus auf dem Großmarktgelände in München haben wir dafür einen sehr schönen Ort gefunden, mit vielen kleinen Architekturbüros und tollen KollegInnen, mit denen wir in verschiedenen Konstellationen zusammenarbeiten.

Ihr kennt euch aus dem Studium in Weimar und hattet später Stationen in Kopenhagen und Berlin. Warum dann der Schritt nach München?

Gesche Bengtsson: Wir waren schon in Weimar befreundet und haben im Studium zusammengearbeitet. Später führte uns der Weg in unterschiedliche Büros, wir blieben aber immer im Austausch. Wir haben gemerkt, dass wir als Architektinnen bereit sind, für die gleichen Dinge zu kämpfen. Ein eigenes Baugruppenprojekt konnten wir während der Corona-Zeit zusammen mit dem befreundeten Architekturbüro ephem Architekten und Freunden in Leipzig starten. In dieser Zeit gab es dann auch die ersten Gespräche zu einer möglichen Bürogründung.

Elena Masla: Leider konnten wir das Projekt in Leipzig nicht umsetzen, die Zinssteigerung durch den Ukraine-Krieg machte die Finanzierung unmöglich. Wir mussten das Grundstück zurückgeben. Zora und Gesche waren zu der Zeit in München. Als wir für die Görzer 128 in beauftragt wurden, kam ich nach. Wir hatten das Bedürfnis nach einem physischen Büro und gründeten dies 2021.

Elena Masla, Zora Syren, Gesche Bengtsson

Ihr habt für euer erstes gemeinsames Neubauprojekt, "Das robuste Haus", große Anerkennung in der Fachwelt erhalten. Unter anderem zählt ihr zu den Finalistinnen für den Deutschen Architekturpreis 2025 und steht auf der Shortlist für den DAM Preis 2026.

Zora Syren: Ja. Wir sind sehr überrascht, dass das Gebäude so viel Aufmerksamkeit erregt. Natürlich freuen wir uns, da es uns zeigt, dass die Ideen und das Konzept verständlich und zumindest für die Fachwelt nachvollziehbar sind.

Gesche Bengtsson: Die Anerkennung hat uns auch noch einmal darüber reflektieren lassen, was ein stimmiges Haus ist.

Was ist denn ein stimmiges Haus, bezogen auf das Projekt in Perlach?

Elena Masla: Das ist vermutlich für jeden ein anderes. Da weder wir noch die zukünftigen BewohnerInnen mit Sicherheit sagen konnten und können, wie sie in den nächsten Jahrzehnten leben möchten, haben wir versucht ein Haus zu entwerfen, dass darauf reagieren kann. Es wird sich zeigen, wie sie das Haus in Zukunft gemeinsam bewohnen.

Wie ist das Projekt entstanden?

Gesche Bengtsson: Das Projekt ist aus einem Konzeptverfahren der Stadt München hervorgegangen, auf das sich die Baugruppe zusammen mit dem Mietshäuser Syndikat beworben hatte. Durch die Ausschreibung waren einige Parameter festgelegt – zum Beispiel, dass das Gebäude Clusterwohnungen enthalten und mit einem Mindestanteil von Holz gebaut werden musste. Dadurch konnten wir das Gebäude trotz Kostendruck als Holzrahmenbauweise umsetzen. Wir hatten auch in Leipzig mit dem Mietshäuser Syndikat zusammengearbeitet. Vielleicht hat das auch dazu beigetragen, dass wir den Zuschlag für das Projekt erhalten haben.

Ihr habt ein Gebäude mit drei oberirdischen Geschossen und drei wandelbaren Wohnungen entworfen. Sichtbare Sollbruchstellen spielen eine zentrale Rolle.

Gesche Bengtsson: Die zentrale Vorgabe für den Entwurf war das Bedürfnis der BewohnerInnen nach Gleichberechtigung. Das hat zu je sieben gleich großen Räumen von circa 18 Quadratmeter geführt, die bei Bedarf geteilt werden können und nutzungsneutral konzipiert sind. Durch entsprechende Platzierung von Küchenanschlüssen können sie genauso zum Schlafzimmer wie zur Wohnküche werden. Sie sind um ein Bad und eine Diele herum angeordnet und enthalten einen gemeinschaftlichen Wohn- und Essbereich. Die Wohnungen ermöglichen WGs, aber auch andere Formen des Zusammenwohnens in kleineren Einheiten. Im Erdgeschoss gibt es außerdem einen Mehrzweckbereich, im Keller eine Werkstatt und einen Waschkeller.

Elena Masla: Durch Sollbruchstellen können die Räume verbunden oder getrennt werden. Diese Sollbruchstellen haben wir – wie auch Fenster- und Türstürze – sichtbar geplant, so dass sowohl die Tektonik der Konstruktion als auch die Materialität im Gebäude erlebbar bleibt. Zum Glück hatten wir eine Zimmerei, die stolz auf die Sichtbarkeit ihres Gewerks waren und entsprechend angenehm war die Zusammenarbeit.

Zora Syren: Wir hatten auch Glück, dass die Gruppe in ihren Gestaltungwünschen nicht extrem heterogen war, dass sie ein Gefühl für Materialien hatte und sich auf Ideen unsererseits eingelassen hat. So konnten wir zum Beispiel den Zementestrich aus Kostengründen nur leicht schleifen und ölen. In den Räumen haben wir sichtbare Holzdecken geplant.

Die Baugruppe ist Ende Dezember eingezogen und sehr happy. Über welche Lösungen freut sie sich noch?

Elena Masla: Eine wichtige Rolle für die Zufriedenheit der Gruppe spielen auch die Fenster. Die BewohnerInnen haben sich schnell in das Bild der Eckfeldfenster verliebt, die den Blick weiten. Sehr geschätzt werden auch die außenliegenden Blumentopfhalterungen, die das Gärtnern aus den Innenräumen ermöglicht. Außerdem werden die tiefen Fensterbänke viel und unterschiedlich genutzt, als Ablage oder Sitzgelegenheit.

Zora Syren: Mit den spanischen Holzrollläden haben wir eine günstige, gut reparierbare Form des sommerlichen Wärmeschutzes gefunden. Einer der Bewohner ist Spanier und kennt diese bewährte Low-Tech-Lösung gut, ein Standard in Spanien. Die BewohnerInnen haben die Rollos selbst eingebaut. Das Reparieren oder Warten ist damit einfacher. Das war auch eine Form der Selbstermächtigung für die Gruppe. Wir haben bereits das Feedback, dass die Rollläden als Wärmeschutz gerade jetzt im Sommer sehr gut funktionieren.

Gesche Bengtsson: Dadurch, dass wir die Fenster zugunsten der Aufenthaltsfläche sehr weit nach außen geschoben haben, rückten auch die Holzrollläden nach außen und brauchten einen Schutz, dieser wird mit ausgestellten Trapezblechen erstellt.

Diese Maßnahme in Verbindung mit den Eckfenstern gibt eurem Haus bei aller Kompaktheit eine gewisse Leichtigkeit und Originalität.

Gesche Bengtsson: Es galt das Grundstück maximal auszunutzen, um die erforderliche Wohnfläche zu erreichen und das Projekt damit finanzieren zu können. Die Aufteilung der Fassade ist so gewählt, dass das Gebäude in seiner Vertikalen betont wird. Die Eckfenster mit den ausgestellten Trapezblechen lösen die Kanten des Volumens auf.

Wie seid ihr auf die Fassade aus vertikal angeordneten gestülpten Fichtenschalung gekommen?

Elena Masla: Ursprünglich hätten wir uns auch vorstellen können, dass das gesamte Gebäude in recyceltes Stahltrapezblech gehüllt wird. Die Baugruppe wollte aber, dass sich der Holzbau auch nach außen in Holz zeigt. Wir haben uns für eine heimische alpine Fichte entschieden, die langsam gewachsen eine bessere Qualität mit sich bringt als viele heimische Lärchen. Das geschah auch aus optischen Gründen, die Fichte ergraut schneller und einheitlicher. Die Stülpung ist möglich, da es sich um Gebäudeklasse 3 handelt und wir keine Brandriegel brauchen. Sie ist ein einfaches Mittel das Hirnholz der Bretter zu schützen. Insgesamt hat das Haus eine ehrliche Ästhetik, die wir bewusst eingesetzt haben, und wir sind gespannt darauf, wie es altert.

Im Moment führt ihr Umbauten verschiedener Häuser durch, unter anderem einer Schnapsbrennerei. Was wünscht ihr euch denn als nächstes Projekt?

Zora Syren: Wir freuen uns über die Umbau-Projekte, welche ganz andere Aspekte der Planung erfordern. Wir stehen politisch hinter dem Ziel des Mietshäuser Syndikats, langfristig kostengünstigen Mietwohnraum herzustellen und zu halten. Das Projekt war herausfordernd, aber hat großen Spaß gemacht, daher würden wir uns über ein ähnliches Projekt sehr freuen, vielleicht etwas größer.

Stylepark ist Medienpartner des DAM Preis 2026.