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Keine Klischees

Joshua Lux Innenarchitektur realisiert von der privaten Wohnung bis zur gewerblichen Fläche vielfältige Projekte – erst kürzlich wurde die Boutique Vinothek Gregor's in Frankfurt am Main eröffnet. Was das Konzept ist und warum ein starkes Storytelling für ihn wichtig ist, sagt er uns im Interview.
11.09.2023

Anna Moldenhauer: Was war die Idee für die Innenarchitektur der Boutique Vinothek Gregor's im Frankfurter Westend?

Joshua Lux: Wir hatten bereits im Auftrag des Inhabers Gregor Bernd die Innenarchitektur für die Weinhandlung "Liebesdienste" in Frankfurt am Main entworfen. Sein Anliegen war es damals schon, dass die BesucherInnen direkt bemerken, dass die große Auswahl der Weine kuratiert ist und für jeden Wein in Erfahrung gebracht wurde, woher dieser stammt und was die Reife beeinflusst hat. Die Grundidee waren diese Elemente auch im Raum aufzugreifen: Handwerk, Persönlichkeit und Reduktion auf das Wesentliche. So darf man bei den Stahlmöbeln sehen, dass diese handwerklich hergestellt sind, Spuren der Bearbeitung aufweisen und nicht immer perfekt sind. Der Wein wird vom Handwerk geprägt und das soll auch für das Interior Design gelten. Die Gestaltung in der Farbe Dunkelgrün ist angelehnt an das Grün der Weinberge im Sommer und mildert zudem die Reflektion auf dem Glas der Flaschen. Je dunkler der Raum ist, umso weniger Einflüsse ergeben sich durch die Umgebung.

Ein sehr elegant gelöster Verweis ist zudem das Leuchtenensemble am Eingang, welches einem Traubenbündel ähnelt. Mit Blick auf den Grundriss – zur Verfügung stand euch quasi ein auf die linke Seite gelegtes "L". Ihr habt beschlossen, im vorderen Bereich viel Platz zu lassen und dort nur die Kasse zu platzieren, während der restliche Raum den Gästen und dem Wein vorbehalten ist. Welche Gründe hattet ihr für diese Unterteilung?

Joshua Lux: Für uns war es wichtig, dass die Gäste nicht den Eindruck haben, nach dem Betreten des Ladens direkt etwas erfahren zu müssen. Sie können im Raum ankommen und in die Atmosphäre eintauchen. Ebenso sollte der gelungene Spagat des Gregor's zwischen Gastronomie und Handel verdeutlicht werden. Der Raum bietet den Gästen viel Bewegungsfreiheit, da wir es als unangenehm empfinden, wenn man einen Laden betritt und sofort entscheiden muss, ob man sich nur umschauen, etwas kaufen oder vor Ort einen Wein probieren möchte. Die angebotenen Weine sind außergewöhnlich, da Gregor Bernd teilweise der einzige Händler ist, der diese nach Deutschland importieren kann. Wenn die Gäste sich umgeschaut haben, können sie von der großen Wein-Expertise profitieren, die die MitarbeiterInnen anbieten.

Es ergibt sich auch ein starker Kontrast zwischen dem lauten Außenraum mit einer stark befahrenden Hauptstraße sowie dem geringen Geräuschpegel im Innenraum. Spannend finde ich zudem die von euch gesetzten Materialkontraste – weiche Textilien versus Stahl oder Holz, wie in Form der "Wishbone Chairs" von Carl Hansen & Søn. Wie habt ihr die dunkle, aber warme Atmosphäre ausbalanciert?

Joshua Lux: Wir haben anfangs überlegt, wie man den Wein als Material am besten in die Raumgestaltung übersetzen kann. Die Materialien Stahl, Holz oder Naturstein sind alle mit dem Reife- und Herstellungsprozess des Weins verbunden. Dazu haben wir eine Beleuchtung in unterschiedlichen Helligkeiten gewählt und setzen mit Spotlights einzelne Flaschen in Szene. Alle ausgewählten Materialien sind nicht homogen, wie der Schwarzstahl, der im Grunde sehr lebendig und differenziert in seinem Charakter ist. Bei den Sitzmöbeln ist es wichtig, dass sie bequem sind. Wir wollten für die Bezüge die Flauschigkeit eines Steiff-Kuscheltieres erreichen und haben schlussendlich genau das umgesetzt – wir haben bei Steiff angerufen und gefragt, ob wir ihnen für den Bezug der Sofaelemente Steiff-Stoff abkaufen können. Spielzeugstoff ist die hochwertigste Qualität, die man sich wünschen kann, vielmals getestet, vollkommen unbehandelt. Zudem haben wir geprüft, inwieweit Kontraste im Zusammenspiel noch ein einheitliches Bild ergeben. Die Basis ist so eine sehr dunkel geräucherte Eiche und natürliche Materialien, dazu kommt ein farbiges Grafikdesign in Form der Aufsteller, die an den runden Formelementen des Logos angelehnt sind und auch zur Orientierung innerhalb des großen Weinsortiments dienen. Durch die Verwendung von Farben wie Rosé oder Bordeauxrot, können unsere Gäste intuitiv erkennen, um welche Art von Wein es sich handelt.

Ich finde es interessant, dass ihr im Grafikdesign überhaupt nicht mit Klischees arbeitet – wie eine geschwungene Schriftart, Weinkisten als Aufbewahrung und Dekoration etc. – stattdessen habt ihr für die Orientierung eine international verständliche Symbolik ausgewählt. Welche ist das?

Joshua Lux: Die Frage war, wie ich den Wein kategorisieren kann, ohne ihn vorab zu trinken. Diese Grundidee haben wir auch in der Innenraumgestaltung fortgeführt. Das grafische Konzept kommt sehr stark von Studio acth und befasst sich mit Gregor's Schwerpunkt, der Terroir-Weine. Hierbei haben Sie eine Symbolpalette geschaffen, welche die verschiedenen Terroir-Parameter, Bodentypen und den Geschmack der Weine visuell interpretiert und darstellt.
Während des Entwicklungsprozesses haben wir gemeinsam mit Gregor Bernd drei Schlüsselsymbole ausgewählt, welche für die geschmackliche Orientierung von besonderer Bedeutung sind: Weinrebe (in Form einer Traube), Nase (repräsentiert den Geruch) und Mund (steht für den Geschmack). So wurde ein Konzept entwickelt, das nicht nur die Essenz von Terroir-Weinen einfängt, sondern auch einen klaren visuellen Weg zur Verkostung dieser einzigartigen Weine bietet.

Gab es einen Aspekt in der Gestaltung, an dem ihr mehr tüfteln musstet, als ihr gedacht hättet?

Joshua Lux: Tatsächlich den Raum nicht unnötig groß wirken zu lassen. Es darf nicht der Effekt einer Bahnhofshalle entstehen, daher haben wir mit Elementen gearbeitet, die den Raum aufteilen und einladend wirken lassen, ohne die Fläche optisch zu verkleinern – sei es in Form eines Deckensegels oder eines Champagnerrondells.

Interessant ist auch, dass ihr es zudem geschafft habt einen kleinen Außenbereich einzurichten, der trotz der Nähe zur Straße geschützt und angenehm wirkt. Ich habe auf deiner Webseite gesehen, dass du jedes Jahr mit deinem Team mindestens ein Projekt realisierst, von der Gastronomie über Wohnen bis zum Retail. Was muss im Kern bei jedem Projekt gegeben sein, damit du es umsetzen möchtest?

Joshua Lux: Das Storytelling. Für mich ist es das Wichtigste, dass wir bei jedem Projekt die individuelle Geschichte beeinflussen können, die dort erzählt wird. Je nach EmpfängerIn, KundIn, AuftraggeberIn sind die Gegebenheiten jedes Mal sehr unterschiedlich. Bei privaten Projekten ist es zudem nochmal ein völlig anderes Thema als in der Gastronomie. Ansonsten empfehle ich auch gerne KollegInnen, wenn ich der Meinung bin, dass ein Projekt besser in ihr Portfolio als in meines passt. Wir möchten unseren Beitrag leisten, die individuelle Geschichte jeweils ideal zu vermitteln.

Wie gehst du in deinen Projekten das Thema Nachhaltigkeit an?

Joshua Lux: Zum einen arbeiten wir bei privaten Projekten vor allem in der Sanierung und auch bei gewerblichen Projekten nutzen wir das, was da ist. Wiesbaden und Frankfurt am Main als Städte sind dafür natürlich prädestiniert, weil dort viele schöne Altbauten zu finden sind. Wie das Projekt "D7" in Mainz, ein Wohnhaus. Das waren zwei Bauteile, ein Gebäude aus den sechziger Jahren und einer aus dem 19. Jahrhundert. Die Schönheit der Projekte liegt für mich in den Besonderheiten des Gegebenen. Das Gregor's ist ein weiteres Beispiel, weil wir fast das komplette Mobiliar des bisherigen Ladens für die Neueröffnung wiederverwendet haben. Das ging auch nur, da wir die Möbel bereits im Entwurf so gestaltet haben, dass wir sie jederzeit auseinanderbauen konnten. Objekte, die bereits existieren, haben eine Daseinsberechtigung. Natürlich ergeben sich bei der Anpassung an einen neuen Grundriss Kompromisse, wie dass nicht mehr alle Regalfächer gleich hoch sein können. Aber es funktioniert. Nachhaltigkeit muss nicht das Gestalten mit Holzpaletten bedeuten. Wir sollten einen Mittelweg finden. Thekenplatten muss man beispielsweise nicht kleben, die kann man mit etwas mehr Aufwand auch verschrauben.

Gibt es aktuelle Projekte, die du schon anteasern kannst?

Joshua Lux: Wir haben gerade einen privaten Essbereich für das Weingut Robert Weil entworfen. Das Gebäude ist ein Gutshaus, das über die letzten Jahrhunderte immer wieder baulich verändert worden ist. Wir haben vier aufeinanderfolgende Räume gestaltet, die der intimste Bereich sind, in dem Gäste eingeladen werden – das ehemalige Wohnzimmer der Familie, ein Frühstückszimmer mit edlen Wandteppichen sowie ein Esszimmer im nachfolgenden Raum. Dazu kommt in Kürze eine Vinothek, die in den 90igern entworfen wurde, die erste Vinothek im Rheingau damals. Die Brand Experience in den Raum zu übersetzen, wird auch spannend. Ebenso realisieren wir für Antiquitäten Suppes zwei Projekte: Den Ausbau einer Privatwohnung in Zusammenarbeit mit Caparol Icons sowie den Umbau des neuen Firmenstandorts. Der Bau ist eine ehemalige Tanzschule mit gut 160 Quadratmetern, da wird es unsere Aufgabe sein, dass sich die KundInnen trotz der Größe des Raumes geborgen fühlen, denn das, was sie mitbringen, sind Wertsachen und oft auch emotional besetzte Erbstücke. Es geht wie bei den anderen Projekten auch darum das bestmögliche Ergebnis für den Raum und die KundInnen zu entwickeln. Wir gestalten die Innenarchitektur, die für das Projekt jeweils am besten ist.

Kontakt

Gregor´s Boutique Vinothek
Bockenheimer Landstraße 47
60325 Frankfurt am Main

Öffnungszeiten:

Mo bis Fr: 16 – 23 Uhr
Sa: 11 – 23 Uhr

Telefon: +49 69 509 274 55

Architektur & Design