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Discounter an einer Ausfallstraße? Die äußere Gestaltung des neuen Museums am Berliner Kulturforum dürfte gewiss für einige Diskussionen sorgen.

Sie nennen es Archetypus

von Jochen Stöckmann | 28.10.2016

Was fehlt der Brache? Eine Scheune! Diese im Wortsinn bodenständige Lösung für die „Vollendung“ des städtebaulich verödeten Berliner Kulturforum fand jetzt – nach mehreren Wettbewerben – die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie lässt sich, finanziert von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, für 200 Millionen Euro vom Schweizer Büro Herzog & de Meuron das „Museum des 20. Jahrhunderts“ bauen. Unter einem riesigen Satteldach soll „ein Depot, eine Scheune, ein Bahnhof, ein Tempel“ entstehen. Auch „Reithalle“ kommt Jacques Herzog beim Betrachten seines Modells in den Sinn. Aber die Pferde müssen draußen bleiben, gebraucht wird „ein Ort des Lagerns, der Vorräte, der Begegnung und Verbindung, der Stille und Wahrnehmung“. All das passt in die ästhetisch, nun ja: zurückhaltende Mehrzweckhalle.

Aufgemöbelt wird der Entwurf verbal. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher zitiert wieder und wieder die tiefgründelnden Begleitworte des Büros und jubelt: „So ein schöner Text!“ Als käme es nicht eher darauf an, Pläne und Modelle zu „lesen“. Aber weil das neue Museum „eine Seele braucht“, muss es erst gründlich besprochen und schließlich zum „Archetypus“ erklärt werden. Eben: „ein HAUS.“ Daran ist nicht zu rütteln. 

Lichtes Atrium: Blick ins Innere des vom Büro Herzog & de Meuron entworfenen Museumsbaus.

Ob nun Archetypus oder Allerweltsarchitektur, das Backsteingebäude wird den Nachbarn keine Konkurrenz machen – zur einhelligen Freude der Jury: Mies‘ Nationalgalerie und Scharouns Philharmonie bleiben als „Diven“ also unnahbar. Städtebaulich ist Herzog & de Meurons Entwurf eine Nulllösung, zumal sich weder am Verlauf der viel befahrenen Potsdamer Straße noch an der missglückten Piazzetta im Zentrum des Kulturforums etwas ändern dürfte.

Immerhin werden die (Trampel)-Pfade des Laufpublikums quer durchs neue Museum führen. Für diese „Durchwegung“ zwischen Staatsbibliothek – ebenfalls von Scharoun – und Gemäldegalerie wird der „Außenraum im Innenraum“  geschaffen, als Wegekreuzung von Fußgängerboulevards auf zwei Ebenen. Im „Keller“ wäre dann die direkte Anbindung an die Nationalgalerie möglich. Noch so ein Vorschlag, einer von vielen Konjunktiven. Aber spätestens nach der Hamburger Elbphilharmonie heißt das Markenzeichen des Büros: „Unsere Entwürfe sind niemals fertig!“ Mit diesem Motto kündigten die Architekten schon in ihrem Wettbewerbsbeitrag an, über die detaillierte Gestalt und Nutzung mit den Museumskuratoren zu diskutieren. Eine „Offenheit“, die nicht nur Stiftungspräsident Hermann Parzinger geradezu entzückt. Das ist Berliner Politik, auch und gerade im Städtebau: immer auf die lange Bank. Auch dafür wird genug Platz sein in dieser Großen Halle der Kunst.

Drittplatzierter des Wettbewerbs sind Bruno Fioretti Marquez Architekten aus Berlin.
Der Entwurf von Rem Koohaas' Büro OMA erhielt eine Anerkennung.