Staatssekretärin Ruth Herkes mit Grafikdesigner Uwe Loesch, der für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, und Laudator Fons Hickmann. Foto © André Hercher
Hoffnung alleine genügt nicht
|
von Thomas Edelmann
19.09.2013 Wer sehen will, wie schwer es in Deutschland fällt, selbst überschaubare Verkehrsprojekte zu realisieren, der reise in die Berliner Invalidenstraße. Hier wird seit über zwei Jahren gebaut. In einem 2,3 Kilometer langen Straßenstück soll eine neue Straßenbahnverbindung entstehen, die den Hauptbahnhof ins Tramnetz integriert. Doch „egal ob Wasser, Strom, Gas oder Telekommunikation, jedes Versorgungsunternehmen durfte in den vergangenen zwei Jahren die Invalidenstraße einmal auf- und wieder zubuddeln,“ berichtete das ZDF-Magazin „Frontal21“. Die Straße soll frühestens im Sommer 2015 fertig gestellt werden und gilt schon heute als eine der am schlechtesten koordinierten Baustellen. An der Invalidenstraße residiert das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Vor rund 100 Jahren wurde der Bau als „Akademie für das militärische Bildungswesen“ in neobarockem Stil errichtet. In dem sorgsam restaurierten Gebäude herrscht gestalterische Tristesse, militärisch steif trotz inzwischen ziviler Nutzung. Am 12. September wurde just an diesem Ort der „Designpreis der Bundesrepublik Deutschland“ verliehen. Der Preis, 1969 als „Bundespreis Gute Form“ gestiftet, wurde lange Zeit vom Rat für Formgebung organisiert. Nach heftiger Kritik an den Regularien dieses Wettbewerbs, an den Teilnahmegebühren, den Prämien, die Sieger zu entrichten haben und der Praxis, alle die sich zum Wettbewerb anmelden als „Nominierte“ zu erklären, beschloss das Ministerium unter Leitung von Minister Philipp Rösler einen Neubeginn (Stylepark berichtete über die Auseinandersetzungen wiederholt). Die Ausrichtung des Wettbewerbs wurde ausgeschrieben und wird seit 2012 von der Agentur DMY Berlin durchgeführt. Ein unnötiger Zwang dabei: Einreichung, Jurysitzung und Preisverleihung sollen im selben Jahr erfolgen. Der Rat für Formgebung ließ und lässt sich dagegen mehr Zeit. Die nun tatsächlich von der Jury ausgewählten Entwürfe wurden beim DMY Festivals in Tempelhof präsentiert. Im Oktober 2012 gab es eine glamouröse Preisverleihung im ehemaligen Kino „International“ in der Frankfurter Allee. Damals erhielt Wolfgang Joop die Auszeichnung für sein Lebenswerk. Entsprechend groß war der mediale Andrang. Parallel gibt es, geringfügig modifiziert, weiterhin den „German Design Award“ unter Regie des Rat für Formgebung in Frankfurt. Die zweite Runde des 2012 neu und offener konzipierten „Designpreises der Bundesrepublik Deutschland“ fand nun in den Hallen des Ministeriums einen feierlichen Abschluss. Ein Desaster? Vielleicht nicht, aber doch eine Enttäuschung. Fast war es, als wolle ausgerechnet das liberal geführte Ministerium noch einmal höchst selbst unter Beweis stellen, dass Private es besser können als der Staat. Dass sich der Staat möglichst aus wirtschaftlichen Aktivitäten heraus halten solle. Denn, kurz gesagt: Die Veranstaltung war eher ein Feigenblatt der deutschen Designpolitik als ein Ereignis, an das sich das Publikum gerne zurück erinnern wird. Uninspirierte Präsentation Direkt von der Baustelle ging es ins Vestibül des Hauses. In einem Zwischengeschoss wurden Getränke und Häppchen gereicht, nach einiger Zeit läutete eine Glocke. Die Feier konnte beginnen. In der Aula des Ministeriums versammelten sich Preisträger und Publikum, insgesamt 250 Gäste. Was hier auf den ersten Blick zu sehen war, enttäuschte. In der Mitte ein Laufsteg, so dilettantisch mit Stoffbahnen dekoriert, wie es keine der Berliner Designhochschulen in einer Abschlusspräsentation wagen würde. Zur Erinnerung: Es geht um die höchste staatliche Designauszeichnung. Der Moderator gab sich durch Frisur, Auftreten und Gerede als jemand zu erkennen, der gern Comedian geworden wäre. Ist er aber nicht. Dennoch hoppelt er im Laufe des Abends mehrfach um die Preisträger herum. Und macht klar, dass er sich mit dem Thema beschäftigt hat: „Kommunikationsdesign, das sind Objekte mit Botschaft sozusagen.“ Immer wieder fordert er einen „Riesenapplaus“ für die Preisträger. Vor dem Haus wirbt auf einem kleinen Plakat Philipp Rösler für seine Partei: „Starke Mitte – nur mit uns.“ Heute muss er „an anderer Stelle kämpfen“, wie die Staatssekretärin Anne Ruth Herkes erläutert. Das klingt ein wenig nach Plan-Übererfüllung, fällt aber nicht weiter auf. Frau Herkes spricht über die Design und seine Bedeutung, wie es leider Politiker vor Designern und informierten Unternehmern gelegentlich tun, uninspiriert und wenig unterhaltend. Design, wer hätte es gedacht, schafft wirtschaftlichen Erfolg. Showeinlage versus Information Auch diese Preisverleihung will, wie so oft, zu viel auf einmal. Juroren präsentieren die ausgezeichneten Objekte und Projekte, die anschließend auf einem erhöhten Teil des Laufstegs abgelegt werden. Eine Bildanimation inszeniert zusätzlich emotionale Aspekte. Leider bleibt die Präsentation im Laufe des Abends ein paar Mal hängen. Anschließend wechseln Moderator und Preisträger ein paar Worte, die Staatssekretärin und die Urkunden-Überreicherin kommen hinzu. Ein dramaturgische Panne: Nach jeder Urkundenüberreichung gibt es einen kleinen Fototermin, mit Staatssekretärin und Preisträgern vor einer güldenen Wand mit dem Wettbewerbslogo. Das dauert, zumal die Preisträger bitte nicht das Logo verdecken dürfen. Grabmal des unbekannten Designers Obwohl an diesem Abend nur zehn Preise und eine Auszeichnung für das Lebenswerk verliehen werden, zieht sich die Sache in die Länge. Gerade hier hätte der „Designpreis der Bundesrepublik Deutschland“ die Chance, eine Alternative zu den grassierenden Gala-Veranstaltungen zu entwickeln. Die Idee, eine Jurorin oder ein Juror das ausgezeichnete Projekt oder Objekt vorstellen zu lassen, geht in die richtige Richtung. Manche, wie Uta Brandes oder Karsten Henze nutzen die Chance, unterhaltend und kurzweilig etwas über spezifische Vorzüge der prämierten Entwürfe zu vermitteln. Etwa die „Lingua Digitalis“, eine digitale Zeichensprache auf Basis von Piktogrammen, die Mutabor und der Gestalten Verlag (ein Preis in Silber, Kommunikation) entwickelt haben. Oder die Hängeleuchte aus Beton, die „Like Paper“ heißt („Nachwuchspreis“). Dass Dinge, auch wenn sie neu sind, eine Geschichte, einen Kontext haben, erfährt man hier nebenbei. Auch Fons Hickmann weiß genau zu begründen, warum sein Beinahe-Lehrer, der Grafikdesigner Uwe Loesch, genau der richtige ist, um für sein Lebenswerk geehrt zu werden. Die Video-Präsentation schneidet Textzeilen von einigen seiner Plakate ab, das ist ein wenig lieblos. Uwe Loesch, Jahrgang 1943, der als Plakatdesigner immer wieder gezeigt hat, dass es bei seinem Metier nicht in erster Linie um wirtschaftlichen Erfolg geht, sondern bisweilen auch um Humanität, Humor, Ironie und Engagement, ist zugleich erfreut und irritiert. Denn sein Lebenswerk ist keineswegs abgeschlossen. Er wolle noch, sagt er „eine tote Maus am Grab des unbekannten Designers“ niederlegen. Es war ein Schlusswort, auch wenn der Moderator sofort wieder das Hoppeln anfing. Anschließend wurde im Eichensaal des Ministeriums bei Harfenmusik und unter Deutschland- und Europafahne ein Büffet dargeboten. Neuanfang nötig Wer braucht noch solch einen Designpreis? Der Veranstalter DMY mühte sich redlich. Im Hause des Ministeriums konnte keine Feierstimmung aufkommen. Mit 400 Einreichungen, 66 Nominierungen und 10 Preisträgern gehört der Wettbewerb inzwischen zu den kompakten seiner Art. Da er nicht auf Umsatz aus sein muss, sollte sein nicht kommerzielles Potential weiter entwickelt werden. Vielleicht könnten Designer dazu eine Art Akademie entwickeln, wie es Bernd Eichinger für die Filmbranche vorgemacht hat? Über Alternativen muss nachgedacht werden. Im zweiten Jahr ihrer Zusammenarbeit haben Wirtschaftsministerium und DMY den Preis nicht zu neuen Höhen geführt. In Essen, Hannover und Frankfurt wird man das mit Freuden beobachten. Die großen Veranstalter strotzen vor Selbstbewusstsein. Ihre Designwettbewerbe haben unter Teilnehmermangel nicht zu leiden. Um einen deutschen Designpreis weiter zu entwickeln, bedürfte es mehr als ein dürftig dekoriertes Ministerium. Nämlich Ideen, Ziele und Konzepte. Vielleicht kämen die sogar dem Design zugute. Und einer Öffentlichkeit, die von Preisverleihungen à la iF Design, Red Dot und Rat für Formgebung, schon lange keine Kenntnis mehr nimmt. Eine ausführliche Liste der Auszeichnungen finden Sie hier: Mehr auf STYLEPARK: Hoffnung für das Original: Neuanfang nach 42 Jahren |
Erik van Buuren, Gründer der Öko-Kosmetik-Firma Walachei, mit dem „Canyon Speedmax CF“, das in der Kategorie „Produktdesign“ mit Gold ausgezeichnet wurde. Foto © André Hercher
Designpreise zum Anfassen – anlässlich der Verleihung im BMWi in Berlin. Foto © André Hercher
Designer Gregor Dauth und Lars Wagner freuten sich über die Auszeichnung ihres „Canyon Speedmax CF“. Foto © André Hercher
Ruth Herkes mit Götz Esslinger und Wiebke Lehmann von “Hering“, die für das Tafelgeschirr „Noble“ mit Gold ausgezeichnet wurden. Foto © André Hercher
„Nachwuchspreis“ für „Like Paper“, Design: Sebastian Amelung und Miriam Aust. Foto © André Hercher
Ein “Quantum “ Gras? Die Gartenscheren der Firma Fiskars Germany GmbH erhielten Silber in der Kategorie „Produktdesign“. Foto © André Hercher
Silber in der Kategorie “Kommunikationsdesign” für “Lingua Digitalis”, eine Piktogramm-Kollektion, Kooperation von Mutabor Design mit dem Verlag Gestalten. Foto © André Hercher
„Lingua Digitalis“ -Macher Steffen Granz, Cynthia Waeyusoh und Patrick Molinari. Foto © André Hercher
Fangen Sie an! Ein Abreißkalender, bei dem es um die 30 Menschenrechte der UN-Charta geht. „Nachwuchsdesign“-Preis für Paul Wenert. Foto © DMY
„Anker-Ständer“ für Holzterrassen, Design: Ludger Kötter-Rolf, Silber in der Kategorie „Produktdesign“. Foto © DMY
Das Symrise Perfumers' Compendium ist ein visuelles Nachschlagewerk für Duftstoffe. Designer: Symrise AG mit Heine Warnecke Design GmbH. Silber in der Kategorie „Kommunikationsdesign“. Foto © DMY
|