Eine Blase oder eine „Bubble" ist eine gern benutzte Metapher. Man findet sie in der IT-, Finanz- oder Immobilienwelt, wo sie leider gelegentlich platzt. Oder ganz allgemein in der „Realität", wo sie auch mal als Refugium für Intellektuelle und Träumer gilt. Auf eine ganz veritable Blase traf man am 7. Mai im Sara D. Roosevelt Park in der New Yorker Lower East Side, in Gestalt des „Spacebusters" vom Berliner Architekturbüro Raumlabor. In dem Transporter, der durch den aufblasbaren Raum erweitert werden kann, hatten sich Fachleute versammelt und verhandelten über die Stadt der Zukunft.
Umgeben von einer dünnen, halbtransparenten Membran diskutierten sich Architekten, Ingenieure, Schriftsteller, Soziologen, Anthropologen und Philosophen die Köpfe heiß. Dass das Auto dabei in seinem heutigen Erscheinungsbild – Ottomotor, Metallkarosserie, Individualverkehr – nicht immer gut wegkam, war zu erwarten. Dass sich der Debatte auch drei Mitarbeiter des Hauptsponsors Audi stellten, schon weniger. Der mitunter abstrakte, akademische Jargon des Gesprächs war nicht immer ihr Terrain, gleichwohl hätten sie sich ruhig stärker ihrer Kernkompetenz besinnen dürfen und auf die Umsetzbarkeit der vorgetragenen Ideen pochen sollen. Was bedeutet etwa der von der Soziologin Saskia Sassen vorgeschlagene „open source urbanism" ganz konkret? Raus aus der Blase, rein in die Realität?
Dort wären die Diskutanten in guter Gesellschaft gewesen. Denn rund um den Spacebuster tobte derweil das „Streetfest", ein eintägiges Straßenfest im Rahmen des „Festival of Ideas for the New City". Über hundert Basisorganisationen und Kleinstunternehmen nutzten den Roosevelt Park und die nahe Bowery als Bühne für ihre ganz alltäglichen städtischen Anliegen. Aktivisten vom Bushwick Art Park zum Beispiel zogen sich bunte Ganzkörper-Strickoutfits über, lümmelten auf Strickbetten, lasen Strickbücher und bügelten mit einem Strickbügeleisen Strickwäsche; auf diese Weise reklamierten sie brach liegende Flächen im Brooklyner Viertel Bushwick für Kunstzwecke.
Überhaupt ging es viel um Recycling und Nachhaltigkeit, um erneuerbare Energien und alternative Transportmittel, um urbane Landwirtschaft und biologische Ernährung. Vor dem New Museum an der Bowery, dem Schirmherrn des Festivals, schlängelte sich der „Silkworm", eine Art Zelttunnel in Pink und Türkis, in dem Straßenverkäufer, aber auch Köche ihre Ware feilboten. Ganz in der Nähe des Spacebuster gab es ebenfalls Würmer – und zwar lebende. „Hug a worm" hieß die Initiative, also:umarme einen Wurm. Jeder New Yorker brauche unter seinem Küchenwaschbecken einen kleinen Komposthaufen, lautete die Forderung. Immerhin produziert die Stadt über 3.000 Tonnen organischen Müll pro Tag.
Gestartet war das „Festival of Ideas for the New City" drei Tage zuvor mit einer Konferenz und einem Vortrag des Architekten und Visionärs Rem Koolhaas. Der nutzte die Gelegenheit, um sich zum Thema „Preservation", der Erhaltung und dem Abriss von Architektur, zu äußern – eine Überraschung für das Publikum, sollte es doch um die Zukunft und nicht um die Geschichte der Stadt gehen. „Heritage is our future", postulierte Koolhaas dann noch, „Erbe ist unsere Zukunft". Was die New Yorker nicht kümmerte, ist, dass auch Koolhaas Recycling betrieb: Dem Thema hat er schon im vergangenen Sommer bei der Architekturbiennale in Venedig eine Ausstellung gewidmet. Fernreisen können sich viele wegen der horrenden Mieten in der Stadt eben nicht leisten – auch die hohen Quadratmeterpreise waren Thema beim Festival.
An über hundert weiteren Orten in Downtown Manhattan wurde ebenfalls über die Stadt und ihre Zukunft nachgedacht, bei einem siebenstündigen Pecha Kucha in einem ehemaligen Schulturnsaal in Soho etwa. Nur ein paar Häuser weiter, in der Openhouse Gallery, stand ein fünfzehn Meter langes Model von Manhattan. Stylepark hat das „Project New York" im Rahmen der „Audi Urban Future Initiative" gemeinsam mit der New Yorker Architektur-Plattform Architizer kuratiert. Fünf junge Architekturbüros in der Stadt sollten sich Gedanken über New York im Jahr 2030 machen und ihre Visionen in das große Modell am Eingang der Galerie einbauen.
Innerhalb weniger Wochen entstanden dabei Konzepte wie etwa „Adaptive Zoning" von Abruzzo Bodziak Architects, was wörtlich übersetzt nichts anderes bedeutet als anpassungsfähige Bauvorschriften. Angepasst wird dabei der ungenutzte Raum über Gebäuden; statt Luft zeigen die Renderings Fotovoltaik-Anlagen, die in gerade noch erlaubter Höhe auf den Dächern sitzen. Leong Leong dagegen schlug vor, begrünte Netze zwischen Häusern zu spannen, die Vögeln und anderen Wildtieren Lebensraum bieten sollen. Eine interessante Intervention, die unweigerlich an unkontrollierbare Natur und damit an ein anderes drängendes Problem für New York denken lässt: den steigenden Meeresspiegel. Schon in siebzig Jahren könnte Lower Manhattan unter Wasser stehen. Vielleicht sollte sich Audi für New York der Entwicklung von Amphibienfahrzeugen widmen. Oder von wasserdichten Auto-Blasen.