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Brandenburg Spezial
In Staub mit allen Feinden Brandenburgs!
Von Adeline Seidel
21.02.2015

Es ist noch nicht lange her, da war es die Stadt, die eine Renaissance erleben sollte. Es hieß: Raus aus dem Siedlungsbrei des Umlandes, rein in den gründerzeitlichen Altbau in der Kernstadt. In verdichteter Lage zu wohnen und das kulturelle Leben vor der Haustür genießen zu dürfen, mit dem Fahrrad zum Arbeitsplatz zu fahren, im Bio-Supermarkt einkaufen zu gehen und mit Gleichgesinnten zu debattieren, niemals allein, immer am urbanen Puls der Zeit – all das waren die verheißungsvollen Möglichkeiten des Stadtlebens. Urban sein ist hip, und gerade in Berlin wird man noch immer nicht müde, eben das zu betonen.

Die Realität sieht oft anders aus: Wohnraum ist in den zentrumsnahen Lagen der großen Städte kaum noch erschwinglich. Selbst in Berlin, wo die Mieten für Wohnungen in den letzten sieben Jahren um knapp 40 Prozent gestiegen sind. Spannende Architekturprojekte mit neuen Wohnkonzepten, wie sie beispielsweise Baugruppen in Berlin vor noch wenigen Jahren vorangetrieben haben, sind auf dem Markt kaum noch zu realisieren. Und mit jedem Euro mehr, den es für einen Quadratmeter Baugrund zu zahlen gilt, wird es schwieriger – zumal die erschwinglichen Baulücken bereits gefüllt sind. Auch weist das vielgepriesene Stadtleben im Alltag durchaus die eine oder andere Abnutzungserscheinung auf: Irgendwann stört einen das Ächzen der Tram, die im sieben-Minuten Takt vor der Haustür hält, oder die Bar nebenan, in der es spät in der Nacht recht lärmend getrieben wird. Auch das Familienleben oder der Besuch beim Amt sind im urbanen Gewirr ebenfalls nicht immer allzu einfach zu gestalten.

Doch was wäre der Mensch ohne seine Sehnsucht. Lebt er auf dem Land, sehnt er sich nach der Stadt; lebt er in der Stadt, wünscht er sich hinaus aufs Land. Sogar der Berliner. Und der hat Brandenburg gleich vor der Haustür. Dort, so scheint es aus der romantisierenden Perspektive des ein oder anderen genervten Städters, ist alles einfacher – das Leben ruhiger, erholsamer, vielleicht sogar echter.

Doch nicht nur für den Städter, auch für den Architekten hat der ländliche Raum seine Reize: In Brandenburg gibt es noch reichlich schön gelegene Baugrundstücke und jede Menge Bestandsbauten zum Sanieren und Umnutzen. Die Sehnsucht nach einem kompletten Leben auf dem Land, oder wenigstens nach einer Rückzugsmöglichkeit am Wochenende, sowie die Aussicht auf überschaubare Baukosten, lassen durchaus beachtenswerte Architekturprojekte entstehen. Einige davon stellen wir Ihnen in unserem Brandenburg Spezial vor.

Die Architekturprojekte, die wir genauer betrachten, wurden alle mit Bedacht entwickelt und zeugen von Feingefühl für Material, Nutzung und den landschaftlichen Kontext. Und der Bauprozess gleicht mehr einem Dialog, einer gemeinsamen Annäherung von Bauherr und Architekt an ein Ergebnis als der Umsetzung eines fertigen Plans. Wie beispielsweise die ehemalige Kammgarnspinnerei, die seit zehn Jahren von dem Architekten Detlev Delfs zu Loftwohnungen, Ateliers und zu einem Kindergarten umgebaut wird. Oder die kleine Landflucht am Scharmützelsee für eine Familie von Augustin + Frank Architekten, die den Boden kaum berührt. Oder auch die sensible Transformation von Haus Thunecke, für die Peter Grundmann den denkmalgeschützten Bau neu organisiert hat. Zudem haben wir mit dem „Fluchthelfer“ Thomas Kröger über seine Bauten für ein erfolgreiches Landleben und über das Zusammenspiel von kleinem Budget und leidenschaftlichen Bauherren gesprochen. Brandenburg, ein Sehsuchtsland der Architektur? Vielleicht. Auf jeden Fall ein weites Land für spannende Bauaufgaben fernab teurer Townhouses im Blockrand.

> LOFTWOHNEN AUF DEM LAND:
Der Umbau der Kammgarnspinnerei