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Delirious Frankfurt

Seit wenigen Wochen ist er fertiggestellt: der spektakuläre Omniturm in Frankfurt am Main. Entworfen hat ihn BIG, das derzeit vielleicht erfolgreichste Architekturbüro der Welt. Bereits im September 2019 hat BIG-Partner Kai-Uwe Bergmann bei den JUNG-Architekturgesprächen erste Einblicke in den Entwurfs- und Bauprozess gegeben. Nun haben wir ihn erneut zum Gespräch getroffen.
von Fabian Peters | 02.04.2020

Mit dem 190 Meter hohen Omniturm in Frankfurt am Main hat BIG das erste Mal ein Projekt in Deutschland realisieren können. Warum erst jetzt?

Kai-Uwe Bergmann: Offen gestanden haben wir knapp ein Jahrzehnt lang auf die Chance gelauert, in Deutschland bauen zu können. Wir sind sehr froh, dass es jetzt geklappt hat.

Was waren die wichtigsten Ideen, die Ihr beim Omniturm verwirklichen konntet?

Kai-Uwe Bergmann: Bislang sind in Frankfurt immer monofunktionale Bürotürme europäischer Prägung entstanden. Was wir nach Deutschland bringen wollten, ist das was ich den "American Aproach" nenne – unterschiedlichste Funktionen in einem Turm übereinander zu stapeln. Diese Idee, die Rem Koolhaas in seinem berühmten Buch "Delirious New York" sehr anschaulich beschrieben hat, findet sich auch beim Omniturm: Neben den Büros gibt es öffentliche Bereiche, Gastronomie und Wohnungen. Die Wohnungen sollen helfen, das Bankenviertel rund um die Uhr lebendig zu machen.

Wie bilden sich diese unterschiedlichen Funktionen im Gebäude ab?

Kai-Uwe Bergmann: Der Sockel nimmt öffentliche Bereiche und Gastronomie auf, darüber folgen Büroetagen. Das Besondere sind die sieben Wohngeschosse, die wir zwischen die Office-Stockwerke eingeschoben haben. Diese sind gegenüber dem restlichen Turm leicht verschoben und die so entstehenden Vor- und Rücksprünge in der Fassade konnten wir ideal besonnte Balkone und Austritte für die Bewohner schaffen.

Du lebst in New York selbst in einem Hochhaus. Was ist daran das Besondere?

Kai-Uwe Bergmann: In einem Hochhaus ist man in ganz anderer Weise mit den Wetterphänomenen verbunden. Von so hoch oben kann man etwa die Wolkenbildung beobachten. Du siehst, wenn es in einer Ecke der Stadt regnet oder schneit, in der anderen aber nicht. Du nimmst auch die Stadtlandschaft in ganz anderer Weise war – ich spreche auch gern von der atmosphärischen Größe der Stadt. Plötzlich begreift Du sie als zusammenhängendes urbanes Gewebe.

Welche Herausforderungen stellt ein Mixed-Use Tower wie der Omniturm an den Architekten?

Kai-Uwe Bergmann: Natürlich ist es eine komplexe Aufgabe, verschiedene Funktionen in einem Gebäude miteinander zu vereinen. Mindestens ebenso kompliziert ist es aber Banken, Versicherungen, Entwickler und Investoren von einem solchen Projekt zu überzeugen. Oft fehlt es an Mut, sich auf das Risiko "Mixed-Use" einzulassen. Wir sind deshalb dem Immobilienentwickler Tishman Speyer und den Ingenieuren von Bollinger + Grohmann sehr dankbar, dass sie den Omniturm verwirklicht haben.

Wohnraum wird in den Großstädten knapper und die Wohnflächen deshalb kleiner. Warum sollte man das in Kauf nehmen?

Kai-Uwe Bergmann: Wer in der Großstadt wohnt, muss natürlich die Vorteile, die er dadurch hat, gegenüber dem begrenzten Wohnraum in Anrechnung bringen. Er hat alle Geschäfte vor der Tür und kann zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln jeden Punkt der Stadt schnell erreichen. Außerdem stehen ihm natürlich jede Menge öffentlicher Orte in der Nachbarschaft zur Verfügung. Der Omniturm etwa bietet seinen Bewohnern ein breites Angebot an Gemeinschaftsräumen.

Wie habt Ihr die Wohnungen im Omniturm gestaltet, damit trotz knapper Fläche kein Engegefühl aufkommt?

Kai-Uwe Bergmann: Bei begrenztem Platz muss man die Grundrisse natürlich so effizient wie möglich konzipieren. So verzichten wir beispielsweise in den Wohnungen fast vollständig auf Flure zur Erschließung. Auf der anderen Seite schaffen wir durch die Raumhöhe, die Terrassen und die gewaltigen Fenster eine enorme Großzügigkeit – auch ohne riesige Grundfläche.

Welche technischen Herausforderungen hat das Mixed-Use-Konzept mit sich gebracht?

Kai-Uwe Bergmann: Beispielsweise muss ein solcher Turm anders erschlossen werden, als ein reiner Wohn- oder Büroturm. Früher hätte man dafür unterschiedliche Fahrstuhlanlagen benötigt. Heute ist das dank moderner Steuerungsanlagen nicht mehr nötig, so dass allen Bewohnern und Beschäftigten im Haus mehr Beförderungskapazität zur Verfügung steht.

Vor Kurzem ist Eure beeindruckende Ausstellung "Formgiving" in Kopenhagen zu Ende gegangen. In Juni wird im Taschen-Verlag ein Buch gleichen Namens erscheinen. Was dürfen wir erwarten?

Kai-Uwe Bergmann: Unsere ersten beiden Bücher "Yes is More" und "Hot to Cold" waren mehr oder weniger die Kataloge zu den gleichnamigen Ausstellungen. Diesmal ist das Buch wesentlich eigenständiger und versucht unsere Idee von Gestaltung der globalen Umwelt an konkreten Einzelbeispielen zu erklären Wir enden im Buch – wie auch schon in der Ausstellung – mit unseren visionärsten Projekten: Architekturen für das Leben auf Mond und Mars. Wobei diese Gedankenspiele uns wiederum Anregungen dafür liefern, wie wir die Lebensverhältnisse hier auf der Erde verbessern können.