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Philipp Schramm mit der Designerin Hanne Willmann und seiner Mutter Angela Schramm (v.l.n.r.)

Der neue Jugendstil

Seit 2018 gehört interlübke zur Bettenmanufaktur Schramm. Philipp Schramm leitet seitdem die Geschäfte. Wir haben mit ihm über Gegenwart und Zukunft von interlübke gesprochen.
von Fabian Peters | 02.10.2019

Fabian Peters: Was hat für die Familie Schramm den Ausschlag gegeben, interlübke zu übernehmen, ein Unternehmen das zuletzt in schwere Fahrwasser geraten war?

Philipp Schramm: Die Entscheidung war tatsächlich nicht zuletzt eine emotionale: Ein so bedeutendes Unternehmen, das im letzten halben Jahrhundert die Möbelkultur in Deutschland, vielleicht sogar in ganz Europa entscheidend mitgeprägt hat, sollte nicht kaputtgehen. Wir haben also beschlossen, interlübke wieder zu einem Familienunternehmen zu machen, wie es das viele Jahrzehnte war.

Gab es schon vorher bei Schramm Überlegungen, über das reine Bettengeschäft hinauszuwachsen?

Philipp Schramm: Auch wenn wir den Gedanken zuvor nie strategisch völlig durchdekliniert hatten, gab es natürlich doch Überlegungen. Als Bettenhersteller liegt die Idee nahe, auch Kleiderschränke anzubieten. Bei unseren asiatischen Showrooms etwa benötigten wir bislang Kooperationspartner. Allerdings waren wir aber keineswegs auf der Suche nach einem Übernahmekandidaten.

Ihr Vater Axel Schramm leitet gemeinsam mit ihrer Mutter Angela das Unternehmen in der dritten Generation. Sie sind das älteste der vier Kinder. War es da die natürliche Konsequenz, dass Sie derjenige sein würden, der die Geschicke bei interlübke in die Hand nimmt?

Philipp Schramm: Vor mittlerweile drei Jahren haben meine Eltern eine Art Familienrat einberufen, bei dem wir über genau diese Themen gesprochen haben: Wer hat welche Interessen? Wie sieht jeder sich selbst und wie wird er von den anderen gesehen? Wo sind die Stärken jedes Einzelnen? Herausgekommen ist dabei, dass meine Geschwister mich perspektivisch in der Leitung des Unternehmens sehen. So war es dann auch schnell Konsens, dass ich den Geschäftsführerposten bei interlübke übernehmen soll.

Wie sind sie ihre neue Aufgabe als Geschäftsführer angegangen?

Philipp Schramm: Wie fängt man an? In dem man viele Fragen stellt, sich viel erklären lässt und vor allem zuhört. Ich glaube, letzteres war besonders wichtig – vor allem, weil es bei interlübke zuvor so viele Veränderungen in ganz kurzer Zeit gegeben hat. Schramm hatte immer den Vorteil, dass es viel Kontinuität gab. Mein Großvater und jetzt mein Vater – die haben bei uns immer die Konstante gebildet. Ich hatte bei interlübke das Gefühl, dass es ganz wunderbar funktioniert, wenn ich die Mitarbeiter erst einmal selbst reden lasse und ihnen nicht einfach Entscheidungen verkünde, wie das vielleicht ein Finanzinvestor machen würde.

Sie haben ja auch innerbetriebliche Prozesse angestoßen. Was war dabei ihr Ansatz?

Philipp Schramm: Mir fiel in meiner neuen Position schnell auf, dass sich bei interlübke – wahrscheinlich bedingt durch die vielen Eigentümerwechsel – einen gewisse "Obrigkeitshörigkeit" eingeschlichen hatte. Gleichzeitig waren viele Mitarbeiter mit dieser Situation total unzufrieden.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Philipp Schramm: Ich habe ein Experiment gewagt und dafür die sogenannte Scrum-Methode verwendet. Scrum wurde eigentlich als Tool zur Softwareentwicklung erfunden. Im Kern geht es darum, das interdisziplinäre Teams bestimmte Fragestellungen bearbeiten. In diesen Teams haben dann eine halbe Woche etwa der Maschinenprogrammierer, der Maschinenbediener, der Lagerist und der Staplerfahrer alle über einem Problem gesessen. Und so kam es, dass auf einmal ganz schnell Lösungen gefunden wurden. Beispielsweise haben wir eine Maschine um 300 Meter verschoben, die 40 Jahre am gleichen Platz stand – und brauchen dadurch eine Stelle nicht neu zu besetzen, die durch den Ruhestand eines Mitarbeiters frei wurde.

Philipp Schramm

Konnten Sie seit der Übernahme einen Stimmungswandel bei interlübke ausmachen?

Philipp Schramm: Uns wurde von Anfang an ein gewisses Vertrauen entgegengebracht, vielleicht auch weil Schramm und interlübke schon eine lange Geschichte verbindet. Mein Großvater war Lieferant für interlübke Ende der Siebzigerjahre. Dadurch kannte uns noch der eine oder andere. Außerdem waren Schramm und interlübke seit langer Zeit Hallennachbarn auf der imm cologne, auch dadurch gab es immer wieder Kontakte. Und die Schramm-Mitarbeiter in Winnweiler kannten natürlich auch interlübke. Vertrautheit – das schafft immer auch ein gewisses Maß an Sicherheit! Aber ich gebe auch zu, dass uns am Anfang nicht alle um den Hals gefallen sind.

Was können Sie uns über die zukünftige Produktphilosophie von interlübke verraten? Der Messeauftritt zum Beispiel sah ja zuletzt schon deutlich anders aus, als man es von interlübke gewohnt war.

Philipp Schramm: Mit dem neuen Sideboard "just cube" von Werner Aisslinger, mit neuen Farben und Materialien haben wir ja schon ein bisschen gezeigt, wie wir uns die Zukunft vorstellen: Die Qualität unserer Produkte, sowohl bezüglich des Materials als auch Designs, steht weiterhin im Mittelpunkt. Wir wollen unser Portfolio aber etwas wohnlicher und zeitgemäßer interpretieren. Was für uns zurzeit ebenfalls im Zentrum unserer Überlegungen steht: Wie überzeuge ich den Kunden von übermorgen? Diese Form von Verjüngung ist genau das, was wir brauchen. Ich denke dabei etwa an besondere Materialien, an wertvolle Stoffe und Leder, brünierte Metalle, Messing. Das sind Dinge, die Langlebigkeit und Nachhaltigkeit ausdrücken. Weil es eben kein PVC aus einer Spritzgusskabine ist. Nehmen sie etwa die Ankleide, die wir auf der letzten imm cologne gezeigt haben: Die war aus zweieinhalbtausend Jahre alter Mooreiche und auf die Ledertüren waren Monogramme gestickt. Solche extrem hochwertigen custom-made Möbel fertigen wir natürlich für eine ganz spezielle Zielgruppe. Aber gleichzeitig brauchen wir auch solche Aushängeschilder, um die Zielgruppe von übermorgen heute zu überzeugen.

Die junge Berliner Designerin Hanne Willmann jetzt seit einem Jahr Kreativdirektorin von interlübke. Welche Impulse kann sie interlübke geben?

Philipp Schramm: Hannes Formensprache verband von Anfang an eines mit interlübke: Geradlinigkeit. Diese Geradlinigkeit ist ein zentraler Bestandteil der DNA von interlübke. Gleichzeitig brachte sie aber eine gewisse Feminität mit, die der Marke bislang ein wenig fehlte und die ihr glaube ich sehr gut tut. Mit ihr gemeinsam haben wir auch schon weitere junge Designer ausgewählt, die derzeit neue Produkte für uns gestalten. Auf der imm cologne 2020 werden bereits erste Entwürfe zu sehen sein, die unserer Vorstellung von nachhaltigen und hochwertigen Möbeln zum Ausdruck bringen und die insbesondere junge, qualitätsbewusste Käufer ansprechen sollen.