top
Küche von Stykka

NACHHALTIGKEIT
Die (R)Evolution der Küche

Reparieren, statt wegwerfen und im Falle des Wunsches nach Veränderung die Optik einfach optimieren, anstelle einen Neukauf zu tätigen. Hersteller wie Stykka aus Dänemark und J*Gast aus Deutschland denken die Küche neu und stellen damit eine nachhaltige Investition sowie ästhetische Alternative dar.
von Linda Pezzei | 13.11.2023

Aus dem Bestreben heraus, unsere Abfallflut zu minimieren und haltbare, langlebige Produkte zu kreieren, die uns ein Leben lang begleiten können, fertigt Stykka kreislauffähige Küchen wie Inneneinrichtungen. "Unsere digital verwalteten Produkte lassen sich leicht in jedes Projekt integrieren. Sie sorgen dafür, dass die Betriebskosten um rund 60 und die Wegwerfmentalität, was unsere Innenraumausstattung angeht, um mehr als 70 Prozent reduziert werden kann. Und das bei Kosten, die keine 20 Prozent über denen ihrer umweltschädlichen Alternativen liegen", so Jarl Engelbrecht Vindnæs, Gründer von Stykka.

Jarl Engelbrecht Vindnæs, Gründer von Stykka

Im Sinne der Haltbarkeit und Langlebigkeit werden die Stykka-Produkte aus robustem und widerstandsfähigem FSC-zertifiziertem Sperrholz gefertigt. "Holz speichert CO2 wie eine Bank, und das wollen wir auch so halten. Deshalb bieten wir ein Recyclingsystem an, bei dem die KundInnen kaputte Teile an Stykka zur Aufarbeitung und Wiederverwendung zurückgeben können", erklärt Vindnæs. Das funktioniert, da alle Stykka-Produkte vollständig und einfach zerlegbar sind, wodurch sich verschlissene Teile leicht ersetzen lassen. Nicht mehr benötigte Module können bei Stykka aufgearbeitet und recycelt werden, wodurch sich die Lebensdauer des Produkts erhöht. "Jedes Teil ist mit einer TrackID gekennzeichnet, die aus dem Namen des Elements, einem QR-Code und einem RFID-Chip besteht, der es mit unserer Datenbank und seinem einzigartigen Materialpass verknüpft", so Vindnæs über den Vorzug, dass alle Elemente mit einem digitalen Zwilling ausgeliefert werden. “Wir glauben, dass es ein großes wirtschaftliches Potenzial gibt, wenn Produkte und Dienstleistungen dazu beitragen, den Klimawandel aufzuhalten. Durch eine Reihe von Kreislaufprodukten ermöglichen wir es unseren KundInnen, ihre Kaufkraft zu nutzen, um weniger Müll zu produzieren und dabei einen Mehrwert zu gewinnen.

Küche von Stykka

Nachgefragt bei Jarl Engelbrecht Vindnæs, Gründer von Stykka

Warum haben Sie Stykka gegründet?

Jarl Engelbrecht Vindnæs: Stykka wurde aus der Dringlichkeit einer Reformation der Baubranche heraus geboren. Unser Ziel ist es, nicht nur Möbel zu produzieren, sondern die Branche mit rückverfolgbaren, aufrüstbaren Produkten zu revolutionieren, die zu einer Kreislaufwirtschaft beitragen. Wir sind hier, um zu zeigen, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein idealistisches Konzept, sondern eine in der Umsetzung erreichbare Realität ist. Mehr als ein Unternehmen ist Stykka eine Antwort auf eine ökologische Notwendigkeit, indem wir uns auf einen intelligenteren Verbrauch und die Minimierung von Abfällen konzentrieren. Wir unternehmen Schritte, um sicherzustellen, dass Ressourcen nicht nur verbraucht, sondern auch wertgeschätzt werden, und zeigen damit, dass ein nachhaltiger Ansatz nicht nur möglich, sondern für unsere Zukunft unerlässlich ist.

Wie entwickeln Sie Ihr Design?

Jarl Engelbrecht Vindnæs: Wir haben ein unglaubliches Team von DesignerInnen, TechnikerInnen und SchreinerInnen. Sie bringen alle ihre professionellen Aspekte ein, wir arbeiten Seite an Seite in unserem Stykka-Labor, wo wir entwerfen, prototypisieren, bauen und entwickeln, was unseren Prozess effizient und schnell macht.

Wie nachhaltig sind Ihre Küchen konzipiert?

Jarl Engelbrecht Vindnæs: Die nachhaltigsten Produkte sind die, die man nie kauft. Das nächstbeste sind Produkte, die man nie wegwirft, und hier kommen wir ins Spiel. Wir stellen Produkte her, die schön und funktional sind und die man immer wieder um neue Funktionen, Fronten und Farben erweitern kann, während gleichzeitig ein Minimum an Abfall und Umweltbelastung entsteht. Es ist schwierig, die Nachhaltigkeit von etwas zu messen. Dennoch berechnen wir dynamisch einen genauen ESG-Bericht für jedes einzelne Produkt an jedem einzelnen Standort. So können unsere NutzerInnen genau abschätzen, wie viel CO2 die Herstellung unserer Produkte unsere Umwelt kostet. Wir wollen transparent sein und halten es daher für wichtig, unsere KundInnen darüber zu informieren, dass unsere Produkte so gebaut und konzipiert sind, dass sie wiederverwendet werden können und möglichst lange halten. Wir verwenden FSC-zertifiziertes Sperrholz, eines der robustesten Holzmaterialien, das die Lebensdauer der Produkte verlängert.

Welches war das spannendste Projekt, das Sie bisher realisieren durften?

Jarl Engelbrecht Vindnæs: Es ist unmöglich, unsere Beteiligung an Living Places Copenhagen zu übersehen. Dieses Projekt ist ein Beweis dafür, dass erschwingliches und nachhaltiges Bauen auch im großen Maßstab möglich ist. Die Häuser hier stoßen jährlich nur 3,8 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter aus. Es ist ein überzeugendes Beispiel dafür, wie die Industrie bei der Festlegung nachhaltiger Normen eine Vorreiterrolle übernehmen kann, indem sie die strengen Anforderungen der dänischen Gesetzgebung von 12 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter pro Jahr sogar übertrifft.

Küche von J*Gast

Auch das Designteam von J*Gast legt unter dem Motto der "Neuerfindung der Einbauküche" seinen Fokus auf hochwertige Materialien wie Echtholzfurniere, Massivhölzer, Lackoberflächen in unterschiedlichen Haptiken und Farben, ultramatte und hochbelastbare Schichtstoffe sowie Metalle und Natursteine in stimmigen Kombinationen. Aus gestalterischer Sicht hat J*Gast ein neues Küchensystem entwickelt, das die Lücke zwischen maßgeschneiderter Küche und standardisierter Industrielösung schließen und die Detailverliebtheit des Handwerks mit den Stärken der industriellen Fertigung verbinden möchte. "Die Küche wurde systemisch neu gedacht und aus ihrem etablierten Korsett aus Korpussen befreit. Ohne diese klassische Korpusbauweise ergeben sich völlig neue Möglichkeiten bei der Gestaltung der Küchen und die Freiheit, für jede Architektur die individuell beste Küche entwerfen zu können", so das Designteam von J*Gast.

Indem man nicht auf vorgefertigte Baugruppen setzt, sondern einzelne Bauteile generiert, lassen sich die Küchen frei den gewohnt festgelegten Breiten der Korpusse gestalten. “Ermöglicht wird das durch den patentierten Rahmen, der vormontiert geliefert und an der Wand befestigt wird. Die Rahmenstruktur lässt sich individuell an jede architektonische Situation anpassen. Die Module werden durch einzelne Seitenwände verbunden, im Gegensatz zu den herkömmlichen Korpusküchen, bei denen immer zwei Flächen aufeinandertreffen”, so J*Gast. Auch in der Ausstattung sind die Küchen in hohem Maße anpassbar.

Detail Küche von J*Gast

Jan Heinzelmann, Gerhardt Kellermann, Ana Relvão, Sven Petzold und Tobias Petri sind mehrfach ausgezeichnete IndustriedesignerInnen und Möbelschreiner mit langjähriger Erfahrung. Die fünf bilden das Kollektiv und zugleich das Akronym hinter J*Gast. Freitags trafen sie sich regelmäßig, um über Design, Prinzipien und Wertvorstellungen im Kontext von Küche und Kochkultur zu sprechen. In einer kollektiven Zusammenarbeit haben die das Konzept der J*Gast-Küche entwickelt und sich dabei mit elementaren Fragen beschäftigt: Wie wollen wir leben? Arbeiten? Essen? Kommunizieren? Zusammenkommen? Wie wollen wir konsumieren? Die Küche wird dementsprechend systemisch gedacht und ist dennoch individualisierbar.

Nachgefragt bei J*Gast

Der größte Vorteil Ihrer Küchen im Vergleich zum Wettbewerb?

J*Gast: Wir haben uns mit dem Ansatz von J*Gast vom klassischen Küchenkorpus befreit. Bei herkömmlichen Systemküchen werden Korpusse aneinandergereiht, was zu einer Dopplung der Seitenwände führt. J*Gast spart Material ein, indem einzelne Seitenwände in die Rahmenkonstruktion eingefügt werden. Schubladenelemente und Türen können flexibel in Breite und Höhe geplant werden. Der vorgefertigte Rahmen fügt sich in jede Architektur ein. Das System erlaubt so maximale Flexibilität, spart Material und verringert deutlich das Transportvolumen.

Detail Küche von J*Gast

Wie nachhaltig sind J*Gast-Küchen geplant?

J*Gast: Die Nachhaltigkeit der J*Gast-Küchen manifestiert sich zunächst durch das neue Design und die intelligenten Lösungen. Ziel ist es, alle Prozesse kontinuierlich zu hinterfragen und zu optimieren, Ressourcen zu schonen und für eine langlebige Qualität zu bürgen. J*Gast verwendet Massivholz für Rahmen, Frontbalken, Auszüge, Schubladen sowie Inneneinteilungen. Bei Seitenwangen, Böden und teilweise den Fronten kommen echtholzfurnierte Plattenwerkstoffe zum Einsatz. Auf Aluminium wird verzichtet, Kunststoffelemente werden reduziert. Außerdem empfehlen wir weitestgehend regionale Natursteinarten für die Arbeitsplatten. Die durch das Rahmensystem bedingte Materialreduktion macht sich auch beim bis zu 50 Prozent geringeren Transportvolumen durch Flat-Packaging bemerkbar. Ressourcen werden geschont und der CO2-Fußabdruck verringert.

Das Team von J*Gast: Jan Heinzelmann, Gerhardt Kellermann, Ana Relvão, Sven Petzold und Tobias Petri (v.l.n.r.)