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Glas in Bewegung

Jonathan Radetz experimentiert aktuell mit durchgefärbtem Gussglas und schafft eine spannende Dynamik, die den augenscheinlichen Aggregatzustand des Materials diffus werden lässt.
Text von Anna Moldenhauer, Fotos von Felix Krumbholz | 08.02.2021

"Es ging mir darum eine Aussage zu treffen, die über der Form steht, die auf den Prozess bezogen ist", sagt Jonathan Radetz. "Liquids", sprich Flüssigkeiten, heißt das konzeptionelle Projekt des Frankfurter Designers, in dem er unterschiedliche Objekte aus Gussglas kreiert hat. Die unregelmäßige Form und die kleinen Luftblasen, die im Glas eingeschlossen sind, unterstreichen die optische Dynamik der Unikate und verleiht ihnen einen weichen, fast geleeartigen Eindruck. Ihre ganze Tiefe kommt in Verbindung mit Licht zum Vorschein, das die farbigen Glaskörper zum Strahlen bringt, von Honiggelb bis Königsblau. Unterschiedlich intensiv, je nach der Stärke der durchgefärbten Form. Ein besonders Merkmal des Gussglases zeigt sich zudem an der Oberfläche der Objekte: Eine flache Delle, die entsteht, wenn der flüssige Glasfaden durchtrennt wird und das Material langsam erstarrt. "Ich habe überlegt, dass diese Einbuchtung eine Funktion haben könnte, wie als Schale", so Radetz.

Um die funktionale Ebene zu unterstreichen, brauchte es einen gemeinsamen Nenner – wie die Menge an Material. Je eine Schöpfkelle heißes Glas ist so pro Objekt verarbeitet. "Im Moment ist es noch ein Konzept, dass das Glasgießen zelebriert, das sich aber zu einem angewandten Projekt entwickeln kann", so Radetz. Und auch für den Mischbruch, der dabei entsteht, und der aufgrund seiner unterschiedlichen Farbigkeit nicht mehr in den Kreislauf zurückgeführt werden kann, hat Radetz bereits eine Idee: Die Verwendung der farbigen Glasfragmente in einer neuen Form in Verbindung mit Keramik. Inwieweit das Experiment mit Gussglaskörpern in funktionalen Produkten mündet, werden die kommenden Monate zeigen. Für Radetz ist es nicht das erste Projekt mit Gussglas, aber wohl das experimentellste: Gemeinsam mit Antonia Henschel entwarf er zuvor für Schönbuch die durchgefärbten Glasbuchstützen "CINEMA" deren Form von den offenen und geschlossenen Innenflächen der Buchstabens im Alphabet inspiriert sind. Die ausgewählten typografischen Elemente werden so zu greifbaren Objekten.

"Liquids" von Jonathan Radetz