top
Der von Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler entworfene Laufen-Stand auf der ISH 2019

STYLEPARK LAUFEN
"Dinge, die man nicht von uns erwartet, reizen uns besonders."

Fuhrimann Hächler stehen für Avantgardearchitektur, die polarisiert. Dennoch bat der Sanitärkeramikspezialist Laufen sie, 2018 seinen Mailänder Messestand zu entwerfen. Der Auftakt einer höchst erfolgreichen Zusammenarbeit, deren Geheimnis uns Gabrielle Hächler verraten hat.
von Fabian Peters | 08.05.2020

Fabian Peters: Euer Büro ist berühmt für seine kraftvollen Wohnbauten – häufig aus Beton, zuletzt auch aus Ziegelsteinen – die oft mit dem Element des Rohen spielen. Was fasziniert Euch so daran?

Gabrielle Hächler: Die Fixierung auf Perfektion ist in unserer Kultur einfach übertrieben worden. Man kann beinahe sagen bis zur Unmenschlichkeit. Ab einem gewissen Punkt verliert Perfektion seine Schönheit. Uns geht es in unserer Architektur darum, Entstehungsprozesse sichtbar zu lassen und natürliche Alterungsprozesse einzubeziehen.

Da mag es überraschen, dass Ihr seit dem Jahr 2018 höchst erfolgreich die Messeauftritte des Sanitärkeramikproduzenten Laufen gestaltet. Was hat Euch an diesem Job gereizt?

Gabrielle Hächler: Wir sind immer Grenzgänger gewesen. Dinge, die man nicht von uns erwartet, reizen uns besonders. Wir können bei den Ständen großartig Dinge ausprobieren, die sonst nicht möglich sind. In Vielem sind diese temporären Architekturen mit einem Haus vergleichbar, insbesondere in Hinblick auf die Funktionalität. Der größte Unterschied ist natürlich, dass sie nicht wettertauglich sein müssen (lacht).

Wie kam Eure Zusammenarbeit mit Laufen zustande?

Gabrielle Hächler: Beda Achermann, ein sehr eigenwilliger und brillanter Buchgestalter und Werbekünstler, arbeitet schon länger mit Laufen zusammen. Er empfahl uns für die Aufgabe, weil er unsere Architektur schätzt und wiederholt von uns gebaute Häuser als Location für Fotoshootings genutzt hatte. Irgendwann haben wir eine Mail bekommen, ob wir uns für den Job interessieren würden. Also sind wir zu Laufen gefahren, durften die Keramikproduktion besichtigen und waren sofort total fasziniert – sowohl von dem handwerklichen Können als auch von dem Knowhow, das dort sichtbar wird.

Laufen setzt bei seinen Produkten so konsequent wie kein anderes Unternehmen der Branche auf Design und die Zusammenarbeit mit internationalen Spitzendesignern. Hat das bei Eurer Entscheidung eine Rolle gespielt?

Gabrielle Hächler: Für uns war vor allen Dingen wichtig, dass Laufen mehr wollte als eine durchschnittliche Messearchitektur. Das war und ist wirklich ein Glücksfall für uns. Und umgekehrt für Laufen hoffentlich auch (lacht). Man muss wirklich sagen, dass diese Partnerschaft fantastisch funktioniert. Wir sind sehr froh darüber, dass man bei Laufen ein sehr komplexes Verständnis davon besitzt, wie man sich als Marke positioniert. Und wir finden es nach wie vor bemerkenswert, dass man das Wagnis mit uns eingegangen ist.

Euer erster Messestand, den Ihr für Laufen auf dem Salone del Mobile in Mailand 2018 gestaltet habt, war gleich ein sensationeller Erfolg. Welche Überlegungen steckten hinter dem Entwurf?

Gabrielle Hächler: Die Architektur war ein wenig wie bei einem islamischen Haus angelegt: nach außen verschlossen mit nur drei Eingängen und im Zentrum ein Innenhof samt Brunnen. Solche Kulturtransfers reizen uns sehr und sind auch das Ergebnis unserer Reisen in den Orient. Auf der anderen Seite war uns völlig klar, dass ein Messestand auch einfach eine gewisse Glamourösität besitzen muss.

Glamour ist für gewöhnlich kein Attribut, das mit Eurer Architektur in Verbindung gebracht wird.

Gabrielle Hächler: Weil das nie im Vordergrund steht! Aber wir arbeiten viel mit Kontrasten. Beispielsweise sind in dem Haus, das wir für uns gebaut haben, hochglänzende Glaspaneele in den Bädern montiert. Das Spiel zwischen diesen perfekten, spiegelnden Flächen und dem rohen, unperfekten Beton – das macht es aus.

Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler

In Mailand habt Ihr 2018 für die einzelnen Serien von Laufen strahlend farbige Kabinette eingerichtet, die einen starken Kontrast zur Betonarchitektur des Standes bildeten.

Gabrielle Hächler: Die Idee dahinter war, den Bad-Charakter dieser Kabinette regelrecht zu überhöhen. So haben wir für die damals erstmals präsentierten Prototypen der Serie "The New Classic" von Marcel Wanders einen blauen Raum geschaffen, der einen extrem wirkungsvollen Gegensatz zur weißen Keramik bildete. Zugleich unterstrich die Farbe die klassischen Formen der Serie. Marcel Wanders gefiel diese Präsentation so sehr, dass er wirklich Tränen vergossen hat.

Die Außenseite des Standes habt Ihr mit Lagerregalen gestaltet, in denen sich Arbeitsmodelle wie in den Produktionshallen von Laufen aufreihten. Wie seid Ihr auf diese Idee gekommen?

Gabrielle Hächler: Ich habe einfach eine große Liebe zu Modellen, weil man an ihnen Arbeitsprozesse ablesen kann. Als ich bei Laufen die Gestelle mit den gebrauchten Gussformen gesehen habe, bin ich fast ausgeflippt, so toll fand ich sie. Ich wollte sie unbedingt zeigen – und mit ihnen die Schönheit des Produktionsprozesses. Am Schluss, also schon beim Aufbau in Mailand, habe ich dann spontan eine "Transformer"-Skulptur aus keramischen Werkstücken an der Außenwand anbringen lassen – ein Verweis auf die Roboter, die im Herstellungsprozess zum Einsatz kommen. Ein bisschen verrückt, aber Laufen hat es dankenswerterweise mitgemacht, und letztendlich war es sehr erfolgreich.

Mittlerweile habt Ihr für Laufen drei weitere Messestände geschaffen und damit fast so eine Art "signature architecture" entwickelt.

Gabrielle Hächler: Die erste Weiterentwicklung war der Stand auf der Sanitärmesse ISH 2019 in Frankfurt am Main, der noch größer und doppelgeschossig war. Der Brunnen, der auch dort im Innenhof stand, war mit seiner Höhenstaffelung von der Fontana di Trevi in Rom inspiriert. Ein solches Barocktheater in unserer Betonarchitektur zu inszenieren, hat natürlich viel Spaß gemacht. Auf der Möbelmesse imm cologne 2020 haben wir dagegen die Formen auf einen kleineren, pavillonartigen Messestand übertragen.

Traurigerweise kann nun der Stand, den Ihr für den Salone del Mobile 2020 entworfen habt, nicht gebaut werden, weil die Messe aufgrund der Corona-Krise abgesagt werden musste. Was verpassen wir?

Gabrielle Hächler: Unsere Idee war es, die geschlossene Box mit "Schaufenstern" zu perforieren. Dadurch wäre der Stand noch hausähnlicher geworden und die Kabinette hätten sich stärker zur Messehalle geöffnet. Außerdem wäre die Außenhülle diesmal plakatiert gewesen. Und zwar in Schichten, von denen auch immer wieder Teile heruntergerissen worden wären. So hätte der Stand einen wirklich städtischen Charakter bekommen. Wir hoffen, dass wir diese Idee bei einem späteren Stand noch einmal umsetzen können.

Ihr macht also weiter?

Gabrielle Hächler: Ich gebe gern zu, dass wir am Anfang nicht unbedingt gedacht hätten, diesen Job so lange zu machen. Aber es macht wirklich unfassbaren Spaß. Sonst würden wir es nicht tun.

Ein leuchtend blaues Kabinett bot auf dem Salone del Mobile 2018 den perfekten Rahmen für die Premiere der Kollektion "The New Classic" von Marcel Wanders.