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Johannes Möller und Iris Jeglitza-Moshage

Wohin des Weges?

Quo vadis Messe Frankfurt? An welchem Meilenstein die Messe-, Kongress- und Eventveranstalterin steht und welche Ziele sie im Blick hat, sagen uns Iris Jeglitza-Moshage, Geschäftsleiterin des Bereiches Technology und Johannes Möller, Leiter des Brandmanagements der Light + Building.
30.05.2022

Robert Volhard: Die Messe Frankfurt hat in den letzten Jahrhunderten viele Krisen überstanden und ist heute die weltweit größte Messe-, Kongress- und Eventveranstalterin mit eigenem Gelände. Auch in diesen herausfordernden Zeiten habt ihr den Ausbau eures Portfolios investiert: Seit 2020 sind weltweit 23 Veranstaltungen neu hinzugekommen. Was ist euer aktuelles Fazit nach über zwei Jahren in der Pandemie?

Iris Jeglitza-Moshage: Die Pandemie hat die Messe Frankfurt genauso hart getroffen wie alle Messegesellschaften weltweit sowie die gesamte Veranstaltungs- und Eventbranche. Wir sind am Anfang noch glimpflich davongekommen, da es möglich war zumindest für die erste Zeit auf unseren Eigenkapitalstock zurückzugreifen. Zudem haben wir glücklicherweise großartige GesellschafterInnen, die uns unterstützt haben. Auch unsere solide Basis sowie das internationale Netzwerk mit unseren Tochtergesellschaften hat geholfen, diese herausfordernde Zeit zu überstehen. Nach der Brückenphase sind wir nun in der Phase des Neustarts. Und es stimmt, wir haben trotzdem weiterhin strategisch in unser Angebot investiert, unter anderem in das internationale Vertriebsnetz oder in die Fertigstellung der Halle 5. Wir wissen noch nicht was kommen wird, aber alle Indikatoren stehen zurzeit auf Grün.

Johannes Möller: Positiv ist sicher zu bewerten, dass wir durch die Situation gesehen haben, dass unser Geschäftsmodell weiterhin das Richtige ist. Wir haben durch die Pandemie gelernt, was digital ersetzt werden kann und was nicht – wie etwa die große Relevanz der persönlichen Begegnung. Das die nicht zu ersetzen sind, bestätigen alle Besucher und Aussteller der Messen, die bis dato auf dem Gelände stattgefunden haben – wie die der Prolight + Sound oder der IFFA.

Robert Volhard: Hat die lange Tradition der Messe Frankfurt euch bei der Bewältigung der Krise geholfen? Frankfurt am Main ist schließlich seit gut 800 Jahren als Messeplatz bekannt.

Iris Jeglitza-Moshage: Ehrlich gesagt nein, denn die lange Historie eines Unternehmens ist in einer internationalen Krise wie der Pandemie, in der sich die Welt fundamental ändert, nicht viel wert. Daher haben wir nach vorne geschaut, um zu definieren, wie nach diesem Umschwung unsere nächsten 800 Jahre aussehen könnten.

Im Gespräch: Franziska von Schumann, Herausgeberin und Vorstand Stylepark, Iris Jeglitza-Moshage, Geschäftsleiterin des Bereiches Technology, Johannes Möller, Leiter des Brandmanagements der Light + Building und Robert Volhard, Gründer, Herausgeber und Vorstand Stylepark (v.l.n.r.)

Franziska von Schumann: Die Pandemie war somit nicht nur ein Brennglas, sondern auch ein Beschleuniger für notwendige Veränderungen. In diesen liegen meist Chancen verborgen – was hat die Messe Frankfurt verändert, was auch zukünftig beibehalten werden soll?

Johannes Möller: Wir waren mutig genug zu hinterfragen, was wirklich wichtig für unsere Veranstaltungen ist. Die persönliche Begegnung zwischen Angebot und Nachfrage steht absolut im Kern. Dazu ist es wichtig Konzepte neu zu denken und den Mehrwert zu analysieren, um zu erkennen, was uns wirklich weiterbringt. Ich glaube, da haben wir ein paar gute Schritte gemacht.

Iris Jeglitza-Moshage: Für das Format der Messen ist der Shift zur Digitalisierung nicht mehr umkehrbar. Social Media ist in seiner Bedeutung für unsere Reichweitenerweiterung zum Beispiel essenziell. Die AusstellerInnen fragen bei uns auch konkret an, welche Angebote wir Ihnen über die Plattform hinaus für ihr Invest und ihre Zeit bieten. Zielgruppen müssen präzise angesprochen werden und Inhalte relevant ausgespielt werden. Die digitale Kommunikation wird uns auch in den nächsten Jahren noch intensiv beschäftigen.

Johannes Möller: Was dazu kommt: Die langen Planungsfristen sind weg. Die Messetermine strukturieren nicht mehr in dem Ausmaß wie vor der Pandemie den Terminkalender der jeweiligen Branchen. Auch die finalen Aufträge für die Messepräsenz, die Einlösung von Ausstellergutscheinen und -tickets, was zuvor fest planbar war, findet jetzt teilweise wenige Tage vor Messebeginn statt. Alle Abläufe sind durch die Pandemie zwangsweise flexibler geworden, da sich die Lage immer wieder verändert hat. Was uns geholfen hat, waren und sind die guten Partnerschaften mit den Fachverbänden, mit denen wir in ständiger Absprache stehen. Eine Messe zu verschieben oder gar abzusagen – das war vor der Pandemie undenkbar. Um diesen Schritt gehen zu können haben wir auch den Rückhalt der AusstellerInnen gebraucht. Für diese Unterstützung sind wir sehr dankbar.

Iris Jeglitza-Moshage: Es war für uns eine gute Erfahrung zu sehen, dass das Netzwerk der Messen funktioniert und sich gegenseitig unterstützt, wenn es notwendig wird. Damit Veränderungen gut funktionieren, muss man sie gemeinsam angehen. Bevor man einen Messetermin verändert, ist es beispielsweise sehr wichtig zu prüfen, ob man den eigenen Gastveranstaltungen oder internationalen Kolleginnen und Kollegen in die Quere kommt.

Franziska von Schumann: Vom 2. bis 6. Oktober 2022 veranstaltet die Messe Frankfurt nun die Light + Building Autumn Edition. Wie unterscheidet sich diese vom regulären Format?

Iris Jeglitza-Moshage: Die Light + Building Autumn Edition ist eine kompakte Sonderausgabe, die natürlich mit der regulären Light + Building nicht vergleichbar ist. Aber die Rückmeldung der HerstellerInnen war durchweg, dass sie sich diese Möglichkeit zur Präsentation und den Austausch wünschen – auf die Messe weiterhin zu verzichten und stattdessen von Showroom zu Showroom zu pilgern, ist für sie keine Option mehr. Die Halle 8 wird mit den lichttechnischen Komponenten außerdem zum ersten Mal Teil einer Veranstaltung der Light + Building sein. Viele kleinere Unternehmen sehen die Sonderausgabe auch als Chance, um aus dem Schatten der großen Unternehmen herauszukommen. In Kürze kommt dann die Halle 5, die gerade fertiggestellt wird, zum Angebot dazu.

Johannes Möller: Das war für uns auch ein Lerneffekt: Nämlich zu sehen das die großen Unternehmen in der Lage sind, über ihre eigenen Kanäle die nötige Aufmerksamkeit für ihr Angebot zu erzeugen. Aber die zweite Riege kann das nicht und braucht den Marktplatz Messe um Reichweite zu generieren. Dazu kommt: Je erklärungsbedürftiger das Produkt ist und je größer der Innovationszyklus dahinter, desto wichtiger ist die Messe und der persönliche Austausch.

Iris Jeglitza-Moshage: Daher ist die Light + Building im Zwei-Jahres-Rhythmus wichtig, weil sie die Branche in vielfacher Hinsicht strukturiert. Das Zeitziel für Innovationen ist die Messe und daraus leitet sich dann auch die Planung ab. Wenn man das nicht mehr hat, wird es fließend und beliebig – die Struktur fehlt.

Robert Volhard: Laut aktuellen Studien sind Gebäude für 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Ist der Innovationsdrang auch der Grund, warum die Gebäudetechnik der Messe mittlerweile so wichtig ist?

Iris Jeglitza-Moshage: Es ist in der Tat so, dass die Frage nach der Effizienz eines Gebäudes die weiteren Schritte erst ermöglicht – wie etwa die Digitalisierung im Gebäude, die Sektorkopplung, die Stromspeicherung oder die Verbindung mit anderen elektrischen Anwendungen wie der Elektromobilität. Die Frage nach der Nachhaltigkeit ist grundlegend.

Johannes Möller: Unsere Topthemen haben wir schon vor zwei Jahren ausgeschrieben. Das waren Green Deal und Sustainability sowie Electrification und Digitalisation – und deren Bedeutung wurde durch die Pandemie noch einmal unterstrichen.

Iris Jeglitza-Moshage: Ich bin mir sicher, dass die Industrie und die BranchenvertreterInnen in der Lage sind, die Notwendigkeiten passgenau zu formulieren und kreative Lösungsangebote zu entwickeln. Wir kennen die Fakten und den Kurs der aktuellen Regierung – auch im Hinblick auf den Krieg seitens Russland gegen die Ukraine. Nicht außer Acht lassen darf man allerdings, dass große Veränderungen oft auch ihre Zeit brauchen. Ein Beispiel: Es existieren aktuell etwa 42 Millionen Wärmeeinheiten in Deutschland. Von diesen sind 23 Millionen älter als 30 Jahre. Die InstallateurInnen schaffen es pro Jahr circa 960.000 Einheiten zu modernisieren oder auszutauschen. Daran sieht man schon, wie lange es dauern wird, bis wir den Altbestand ausgetauscht haben. Die politischen Zeitziele für die Realisierung sind meiner Meinung nach zu kurz angesetzt.

Robert Volhard: Dazu kommen ja auch die notwendigen Anpassungen im Gebäude – vom Austausch der Heizkörper zugunsten der Flächenheizsysteme bis zur Dämmung.

Iris Jeglitza-Moshage: Das sind große Fragen, die gelöst werden müssen und die passenden Antworten findet man auch auf den jeweiligen Fachmessen wie seitens der Messe Frankfurt.

Robert Volhard: Iris, du arbeitest seit über 23 Jahren für die Messe Frankfurt und hast in verschiedenen Positionen die technischen Messen maßgeblich vorangetrieben. Wie möchtest du mit deinem Team die Messeangebote weiter anpassen, um in den geänderten Rahmenbedingungen eure Marktführerschaft weiter auszubauen?

Iris Jeglitza-Moshage: Die Relevanz ist ein wichtiger Punkt, der früher selbstverständlich war und den wir nun neu vermitteln müssen. Früher gab es auch schon Begleitprogramme, aber im Grunde war es für viele AusstellerInnen ausreichend, auf der Messe nur ihre Produkte auszustellen. Heute werden die Kommunikation und die Vermittlung immer wichtiger. Es geht darum miteinander zu diskutieren, zu erklären und Orientierung für eine Meinungsbildung zu geben. Der Bezug zwischen BranchenteilnehmerInnen, Industrie und Politik ist für die Messe Frankfurt extrem wichtig, um so die theoretischen Vorstellungen zusammenzubringen. Es geht um das "Wie?" und nicht mehr um das "Ob". Wenn die gemeinsame Richtung klar ist, hat die Industrie auch die Möglichkeit die entsprechenden Lösungen anzubieten.

Johannes Möller: Ein offener, produktiver Meinungsaustausch funktioniert nicht anonymisiert über digitale Kommentarfelder. Dafür braucht es den Rahmen der Messe.

Iris Jeglitza-Moshage: Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Personalbeschaffung für die Industrie, also die Förderung der Ausbildung von Fachkräften. Die Messe Frankfurt fördert deshalb seit dem Wintersemester 2018/2019 die beiden Bachelor-Studiengänge "Real Estate“ sowie "Facility Management und Real Estate und Integrale Gebäudetechnik" an der Frankfurt University of Applied Sciences (UAS).

Robert Volhard: Unterstützt die Messe Frankfurt auch das Handwerk?

Johannes Möller: Ja, zum Beispiel helfen wir den Handwerksbetrieben dabei Nachwuchskräfte zu erreichen. Dafür ist es wichtig, die Jugendlichen zielgruppengerecht anzusprechen – etwa, wenn sie vor der Entscheidung stehen, ob sie nun eine Ausbildung oder ein Studium beginnen möchten. In der Halle 9.1 gibt es parallel zur Messe eine Werkstattstraße, in der SchülerInnen und Auszubildene anhand von Seminaren handwerkliche Abläufe erfahren und ausprobieren können. Dieses Branding findet auf der Light + Building statt.

Iris Jeglitza-Moshage: Auch in diesem Bereich gibt es allerdings noch viel Luft nach oben, auch für die Handwerksbetriebe selbst, wie mit Blick auf die Diversität.

Franziska von Schumann: Für die Vermittlung auf der Messe gibt es bereits viele digitale Möglichkeiten, die gerade jüngere Zielgruppen ansprachen – zum Beispiel das Speichern von Inhalten mittels QR-Codes. Habt ihr für die Autumn Edition ähnliche Formate geplant?

Johannes Möller: Genau, unter anderem streamen wir die Vortragsangebote nicht live, sondern zeichnen diese auf, so dass diese im Nachgang jederzeit angeschaut werden können. Die Fachvorträge sind sehr wichtig für die Branche, da wäre es schade, wenn sie jeweils nur eine Handvoll Leute hören würden. Die dynamische Messeatmosphäre bietet oftmals nicht die Möglichkeit, sich tiefer mit einer komplexen Thematik wie Additive Fertigungstechnologien zu beschäftigen. Die Inhalte waren schon immer da, nur die Reichweite war lange Zeit sehr eingeschränkt. Die digitalen Angebote helfen nun das zu verändern.

Robert Volhard: Welche Learnings hattet ihr darüber hinaus?

Johannes Möller: Ein Baustein ist sicher auch, zu prüfen, ob wir unsere Angebote ausreichend kommunizieren – wie etwa die Suchfunktion in der Datenbank der Light + Building. Wir haben diese lange nur "Ausstellersuche" genannt. Im Grunde hat man dort aber seit dem Start neben den Kerninfos wie der Standnummer auch viele Hintergrundinformationen zu den Unternehmen und Produkten abrufen können. Wir haben das Tool nun ausgebaut und umbenannt – der "Contactor" bietet den AusstellerInnen jetzt ein Profil, das sie umfangreich bespielen können, inklusive einem virtuellen Counter, um die BesucherInnen ergänzend zum Messebesuch digital zu empfangen.

Iris Jeglitza-Moshage: Dazu ist es unsere Aufgabe neben der Produktebene die unterschiedlichen Schwerpunkte der Light + Building sichtbarer werden zu lassen, wie die Sicherheitstechnik oder die Gebäudetechnik.

Franziska von Schumann: Ich würde gerne auf den Punkt der Nachhaltigkeit zu sprechen kommen. Das Konzept der Messe steht in der Kritik, unnötig viele Ressourcen zu verbrauchen. Inwieweit arbeitet die Messe Frankfurt daran das Geschäftsmodell nachhaltiger zu gestalten?

Iris Jeglitza-Moshage: Das Thema der Nachhaltigkeit hat für die Messe Frankfurt einen sehr hohen Stellenwert und die Geschäftsführung arbeitet engagiert daran, die notwendigen Schritte hierfür umzusetzen. Wir können aktuell noch nicht zu sehr in die Tiefe gehen, da viele Maßnahmen noch nicht final sind. Die Messe Frankfurt ist allerdings schon seit zehn Jahren Mitglied im UN Global Compact, der weltweit größten und wichtigsten Initiative für nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensführung. Das umfasst zum einen die Nachhaltigkeit, zum anderen weitere wichtige Themen wie faire Arbeitsbedingungen oder Diversität. Zudem hält die Messe Frankfurt trotz des hohen finanziellen Aufwandes weiterhin daran fest, mit dem Messeticket unseren Gästen auch Freifahrten im öffentlichen Nahverkehr zu ermöglichen.

Johannes Möller: Erfreulicherweise sehen wir auch, dass bei den AusstellerInnen eine Reaktion auf die Frage der Nachhaltigkeit stattfindet. Die Standbauten werden zum Beispiel umweltbewusster produziert, da es vermehrt modulare Lösungen gibt, die wiederverwertbar sind. Die Veränderung in dieser Sparte ist umso herausfordernder, da der Messebau sich durch viele Subunternehmer kennzeichnet und im Zuge der Pandemie harte Einbußen zu verzeichnen hatte.

Franziska von Schumann: Was ratet ihr BesucherInnen, die zur Light + Building Autumn Edition kommen?

Iris Jeglitza-Moshage: Sich mittels der Angebote der Light + Building Autumn Edition individuell auf den Messebesuch vorzubereiten – aber auch Zeit einzuplanen um sich treiben lassen zu können, um Produkte und Services zu finden, die man nicht gesucht hat und es genießen zu können, dass ein persönlicher Austausch auf der Fläche wieder möglich ist.

Light + Building Autumn Edition 2022

2. bis 6. Oktober 2022

Messe Frankfurt Exhibition GmbH
Ludwig-Erhard-Anlage 1
60327 Frankfurt am Main