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Lesen bildet 11
Wanders’ Prachtstück

Ein Schelm, der denkt, hier ginge es allein um das „Goldene Zeitalter“ der niederländischen Malerei und nicht auch um des Designers Liebe zur Prächtigkeit.
von Fabian Peters | 11.10.2016

Man kann nun wirklich nicht sagen, dass Bücher mit geprägten Ledereinbänden und Goldschnitt in Europa Konjunktur hätten. So wirkt der 5 Kilogramm schwere Foliant aus der Edition des niederländischen Designers Marcel Wanders merkwürdig aus der Zeit gefallen. Der mit goldenem Rankenwerk überzogene Buchdeckel könnte vermuten lassen, man habe es mit einem historistischen Entwurf des späten 19. Jahrhundert zu tun, wäre da nicht die unzweifelhaft aus der Gegenwart stammende Typographie. Ist diese Gestaltung dem dekorativen Formempfinden des Designers geschuldet? Ist es eine Absage an die moderne Buchausstattung und womöglich an das moderne Gestalten insgesamt, die keinen Sinn mehr für das Kostbare haben? Schielt der Herausgeber möglicherweise auf Kundschaft aus dem Nahen und Fernen Osten, wo Nüchternheit in der Gestaltung noch nicht zum einzig gültigen Prinzip geworden ist? Oder ist es die schiere Lust an ironischer Differenz und milder Provokation? Wer weiß?

„Rijks“ ist das gewaltige Werk betitelt. „Rijks“ wie „Rijksmuseum“. Denn Wanders’ Buch zeigt in qualitätsvollen Reproduktionen 64 Meisterwerke aus der sogenannten „Eregalerij“ des Amsterdamer Museums, in der die Höhepunkte der niederländischen Malerei des „Goldenen Zeitalters“ gezeigt werden – jener knapp hundertjährigen Epoche, die Künstler wie Rembrandt, Vermeer und Hals hervorbrachte, um nur drei zu nennen. Zudem äußern sich 30 prominente Persönlichkeiten zu jeweils einem der Bilder: So erklärt der Fotograf und Regisseur Anton Corbijn, was ihn an Ruisdaels Winterlandschaft fasziniert und der Kochkünstler Ferran Adrià spricht über Floris van Dijcks „Stillleben mit Käse“.

Marcel Wanders liebt das Prächtige und das hat seinen Preis: 125 Euro kostet der Bildband. Wem das nicht reicht, der kann für 6.500 Euro eine limitierte Version erwerben. Die ist dann aber auch viermal so groß, fünfmal so schwer und kommt mit einem eigenen Präsentier-Tischchen. Auf Anfrage ist schließlich sogar noch eine handgefertigte Ausgabe erhältlich. Hier ist dann der Einband mit echtem Gold plattiert, die kalligrafische Buchzier wird mit der Hand geschrieben und wer möchte, kann das gute Stück auch noch gleich mit seinem eigenen Familienwappen verzieren lassen. Über den Preis solcher Extravaganzen schweigt sich Wanders allerdings aus.

Allemal billiger dürfte eine Reise nach Amsterdam und der Besuch der Galerien des Rijksmuseums sein. Allerdings müsste dieser ohne die im Buch versammelte Prominenz stattfinden. Das Rijksmuseum hat übrigens der Architekt Pierre Cuypers zwischen 1876 und 1885 in den Formen des Historismus gebaut. Vielleicht ist Marcel Wanders ja zu der Überzeugung gelangt, dass eine historistische Hülle auch bei seinem Buch den Bildern gut zu Gesicht steht.

Marcel Wanders (Hg.)
Rijks, Masters oft the Golden Age

576 S., geb., Text englisch
ViaValetta/Uitgeverij Komma, Gzira (Malta), Den Haag 2016
ISBN 978-94-91525-29-2
125,00 Euro