top
André Ostier, Patricia Lopez-Willshaw, Winter Ball, Hotel Coulanges, Paris, 30. Dezember 1958

Den Moment feiern

Passend zu den bevorstehenden Feiertagen zeigt das MAK – Museum für angewandte Kunst in Wien die Ausstellung "The Fest: Zwischen Repräsentation und Aufruhr", eine Zeitreise von aristokratischen Bällen bis ins Berliner Berghain.
von Judith Jenner | 14.12.2022

Wien verstand sich schon immer aufs Feiern. Auf Maskenbällen oder Hochzeiten kam zu Zeiten der Monarchie die adlige Gesellschaft zusammen. Ihre Exzesse sind legendär. Aber auch heute ist die Stadt für ihr Nachtleben bekannt. Mit seiner Ausstellung "The Fest", geht das MAK – Museum für angewandte Kunst von der eigenen Geschichte hin zu einer umfassenderen Betrachtung des Feierns. Es geht um Glitzer und Pomp und ein Stück weit auch um die Vergänglichkeit des Moments. Die Direktorin des MAK, Lilli Hollein, sieht in dem Thema eine Möglichkeit, historische und zeitgenössische Kunst zusammenzubringen und die Fülle außergewöhnlicher Exponate ihres Hauses zu zeigen. "Meine Intention war vor allem, ein Thema zu wählen, mit dem die Bandbreite unserer Sammlung erkennbar wird, all die Möbel, Gläser oder Teppiche in ihrer herausragenden künstlerischen Qualität", sagt die einstige Mitgründerin und Direktorin der Vienna Design Week. Zugleich möchte sie ihr Haus weiter zur Stadt öffnen. Denn schließlich bedeutet Feiern auch immer, Menschen einzuladen und ungewöhnliche Begegnungen zuzulassen. Dafür hat sie sich exzentrische Unterstützung geholt: Zur Eröffnung ist eine Performance mit Friedrich Liechtenstein als "Türsteher, der alle reinlässt" geplant.

Kendell Geers, Kocktail, 2004 Ausführung: ColleVilca, Italien MAK, GL 3834-1
Exglas für die Wiener Werkstätte, 1919 Entwurf: Mathilde Flögl Ausführung: Johann Oertel & Co., Haida/Nový Bor Glas, bemalt MAK, GL-3429

Besondere Räumlichkeit

Bereits das Ankommen in der Ausstellung ist ein Erlebnis. In einer beweglichen Spiegelwand "reflektieren" Nicole Six und Paul Petritsch Feststimmungen, die sich wiederum in historischen Spiegeln zeigen. Mit Morsezeichen übermittelt ein raumgreifender venezianischer Muranoluster von Cerith Wyn Evans einen Vortrag zur frühen Sternenfotografie von Siegfried Marx. Dieses "Möbel der Lüfte", wie Glaskünstler Peter Rath Kronleuchter einst bezeichnete, schafft sofort eine besondere Atmosphäre im Raum. Auch das Ausstellungsdesign ging die Gastkuratorin Brigitte Felderer mit ihrer kuratorischen Assistenz Olga Wukounig künstlerisch an. Peter Sandbichler gliedert die 1.480 Quadratmeter große Ausstellungshalle mit großen Fahrradkartons als Wände und Bänke. Die Leichtigkeit des umweltbewussten Werkstoffs erlaubt tiefhängende Deckenskulpturen ebenso wie aufragende Kubaturen. Sie umschließen einzelne Objekte – von Festroben über Schmuck bis hin zu Fotografien – räumlich und schafft auf diese Weise verschiedene Stimmungen.

Cerith Wyn Evans, Astrophotography-Stages of photographic development by Siegfried Marx (1987), 2007 Installation mit Glasluster, Glühbirnen, Computer mit Morsegerät Texte über Astrofotografie: R. Budell und W. J. Roberton TBA21 Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Collection
Petra Bacher, "L’enfant terrible", Hommage à JEAN PAUL GAULTIER, 2013–2015 Karton, Marzipan, Zucker

Interaktion mit der Vergangenheit

Das Recyclingmaterial steht im Kontrast edlen Exponaten wie dem 30 Meter langen Mailänder Tafelaufsatz, der zur Krönung Kaiser Ferdinands zum König von Lombardo­Venetien 1838 angeschafft wurde. Die Tischdekoration ist mit Sicherheit eins der schmuckvollsten Exponate aus der Sammlung des MAK. Der in Wien lebende Künstler Thomas Hörl entwarf für einen Teil der Porzellanfigürchen präzise angepasste Kostüme, Halskrausen und Frisuren. So lässt die Ausstellung historische Objekte mit moderner Kunst interagieren. Dass Feiern auch politisch sein kann, zeigt die Installation der Künstlerin Anna Vasof. Sie hat Bilder aus den Maifestschriften der Arbeiterbewegung in kurzen geloopten Videos digital bearbeitet, so dass sie fast lebendig erscheinen. "Während bei den großen Bällen der Aristokratie Stand und Geburt zählten und ein Großteil der Bevölkerung dazu keinen Zugang hatte, muss man heute nicht mehr adlig sein, um mitzufeiern. An der Tür angesagter Clubs sind andere Kriterien wichtig, zum Beispiel Schönheit und Vermögen", resümiert Brigitte Felderer die gesellschaftliche Dimension einer sich verändernden Festkultur. Natürlich soll bei "The Fest" auch gefeiert werden. Für den 13. April 2023 lädt Lilli Hollein zu einem KünstlerInnenfest. BesucherInnen werden künstlerische Ansätze der Festgestaltung erleben. Mit "The Fest" spannt das MAK einen weiten Bogen vom Barock bis in die Gegenwart, von herrschaftlichen Bällen über den Maiaufmarsch bis ins Berliner Berghain. Indem alle Sammlungsbereiche des Museums in die Ausstellung involviert sind, feiert das MAK – Museum für angewandte Kunst mit der Ausstellung also auch ein bisschen sich selbst.


The Fest
Zwischen Repräsentation und Aufruhr

Mittwoch, 14. Dezember 2022 bis Sonntag, 7. Mai 2023
MAK – Museum für angewandte Kunst

Öffnungszeiten:

Dienstag 10 bis 21 Uhr
Mittwoch bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Montags geschlossen

Öffnungszeiten Feiertage 2022

24. Dezember 10 bis 15 Uhr
25. und 26. Dezember 10 bis 18 Uhr
27. Dezember 10 bis 21 Uhr
28. bis 30. Dezember 2022, 10 bis 18 Uhr
31. Dezember 2022, 10 bis 15 Uhr
1. Januar 2023, 10 bis 18 Uhr