top
Studio Besau Marguerre im Foyer des Museum für Kunst & Gewerbe in Hamburg

Farben, die neugierig machen

Studio Besau Marguerre haben das Foyer des Museums für Kunst & Gewerbe in Hamburg neu gestaltet. Wir sprachen mit Eva Marguerre und Marcel Besau über einen Raum zum Durchatmen, wie man beim Spaziergehen über Farbe spricht und warum es manchmal knallig werden muss.
11.06.2023

Sicherheit, klare Wegeführung sowie schnelle Orientierung und ein verbesserter Service standen im Fokus, als dem Museum für Kunst & Gewerbe in Hamburg städtische Mittel bewilligt wurden, um das Foyer des traditionsreichen Hauses umzubauen. Durch gestalterische Eingriffe sollte vor allem die Qualität des Aufenthalts in dem 2010 zuletzt umgebauten Entrée verbessert werden. Ein neues Farbkonzept und eine verbesserte Raumakustik sorgen nun für eine angenehme Atmosphäre. Und dies geschieht "durchaus zeitgeistig", wie die Museumsdirektorin Tulga Beyerle betont. Besucherinnen und Besucher sollen sofort verspüren, dass sie sich in einem Haus befinden, das Gestaltung in all seinen Aspekten zeigt und zur Debatte stellt. Und sie sollten sich willkommen und gut aufgehoben fühlen. Das klingt banal, ist es aber nicht.

Denn zum urbanen Umfeld des Museums gehören nicht nur benachbarte Ausstellungshäuser und die städtische Zentralbibliothek. Nebenan ist auch das Drob Inn, die Anlaufstelle der offenen Drogenszene, ein Treffpunkt vieler Drogenkranker. In Blickweite befindet sich auch der Hamburger Hauptbahnhof, Deutschlands meistfrequentierter Fernbahnhof. Im nahen Steindamm haben sich migrantische Wirtschaftsbetriebe angesiedelt, während die Kaufhäuser der einst prachtvollen Mönckebergstraße nicht mehr unangefochten sind in ihrer Rolle als kommerzielle Umsatzbringer und Sinnstifter der Innenstadt. Zur Ausdifferenzierung von Design gehöre inzwischen, so Tulga Beyerle, dass immer mehr auch zu sozialen Fragestellungen geforscht und entworfen werde. Unter ihrer Leitung bietet das Haus zu diesem Themenfeld verschiedenste Veranstaltungen an. Nicht zuletzt beherbergt das Museum seit 2020 den "Freiraum", einen kostenfrei zugänglichen Ort, der als Treffpunkt, für Pausen und Debatten dient und dabei experimentell, wandelbar, gemeinschaftsorientiert ist. Mit dem Foyer stellt sich das Haus Besucherinnen und Besucher neu vor.

Interview mit Studio Besau Marguerre

Thomas Edelmann: Weshalb habt ihr den Eingangsbereich des Museums für Kunst & Gewerbe wohnlich gestaltet?

Marcel Besau: Für uns war es wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem man ankommt und die Möglichkeit hat, sich zu fokussieren. Den Trubel, den man draußen verspürt, kann man hier ablegen, bevor man in die Ausstellungen geht. So kann man die Arbeiten, die hier präsentiert werden, wirklich erleben.
Um das zu ermöglichen, dazu gibt es innerhalb des Foyers verschiedene Räume, die ineinander übergehen. Dazu trägt in unterschiedlichen Ausprägungen die Farbgestaltung bei, aber auch die bewusste Auswahl der Möbel, je nach Aufgabe der einzelnen Bereiche. Auf der einen Seite des Eingangs stehen Hocker um einen großen Holztisch mit aktuellen Büchern und Katalogen. Man kann den Besuch hier vor- oder nachbereiten. In der offenen Lounge gegenüber tragen Polstermöbel und Teppiche zur Entspannung bei. Generell haben wir Textilien genutzt, um eine Weichheit ins Foyer zu bringen. Mit einer kaum sichtbaren neuen Deckenabhängung tragen sie dazu bei, die Akustik zu verbessern. Poster an der Wand dienen der Informationsvermittlung, weil sie gerahmt sind, tragen auch sie zur wohnlichen Atmosphäre bei.

Eva Marguerre: Tulga Beyerle ist es sehr wichtig, nicht auszublenden, was vor der Tür des Museums geschieht. Das Museum bietet Ausstellungen, die sich auf dieses Umfeld beziehen. Es reflektiert auf vielfältige Weise den öffentlichen Raum. Aber jetzt hier im Foyer ist es wichtig, sich ein wenig abzugrenzen, bewusst einen Ort zu schaffen, an dem man durchatmen kann und bemerkt, dass man sich in einer komplett anderen Welt befindet. Ich halte es für richtig, das Politische inhaltlich eher in Ausstellungen, Katalogen oder anderem Lesematerial zu bearbeiten.

Ihr seid bekannt für euren Umgang mit Farbe und für bestimmte starke Farben, die ihr oft kontrastierend einsetzt. Ursprünglich sahen eure Pläne vor, im Museumsfoyer sehr viel zurückhaltender zu sein. Weshalb? Wieso war es hier anders?

Eva Marguerre: Die Grundfarben fanden wir vor. Im restaurierten Windfang, dem Bereich direkt hinter dem Eingang stammt die Decke aus der Bauzeit des Hauses. Dort gibt es das Blau, Terracotta-Töne in Nuancen und auch Gold.
Wir haben gesagt: Gold ist nicht so unser Ding, für das Foyer schien uns das nicht passend. So leiteten wir daraus ein sehr warmes Gelb ab. Das war zu Beginn des Projektes. Wir haben aufgezeigt, man kann eine viel stillere Richtung gehen, oder man setzt ein Statement. Uns gefällt sehr, was am Ende dabei herauskam. Die Zuspitzung entstand in der Zusammenarbeit. Für uns ist es wichtig, in den Austausch zu gehen. Es war der Wunsch von Tulga Beyerle, deutlich poppiger zu werden.

Erlebt ihr eine solche Zuspitzung oft?

Marcel Besau: Das ist eher die Ausnahme. Die Zusammenarbeit hier war schon sehr besonders. Tulga Beyerle hat uns eher noch motiviert meinte: "Lasst uns mal schön knallig sein!" Es ist gut, eine Sparringspartnerin zu haben, die sich mit Gestaltung auskennt und da eine Haltung hat. Viele Auftraggeber sind es nicht gewohnt, in solchen Fragen eine starke Position zu beziehen. Dabei ist ein Dialog, ein Pingpong mit Auftraggebern immer wichtig. Das bereichert jedes Projekt.

Eva Marguerre: Manchmal können sich Kunden das Resultat nicht genau vorstellen. "Ist das nicht zu viel?", lautet dann eine Frage. Wir antworten: "Vertraut uns!" Das verspielt sich im Raum. Hätten wir alle fünf unserer Farben gleich in den vorderen Eingangsbereich gepackt, wäre man davon erschlagen. Es geht immer darum, wie man die Farben einsetzt, …

Marcel Besau: … dann entsteht eine bewusste Choreografie der Farbigkeit.

Eva Marguerre:
Was allein das Currygelb mit dem Blau und den vier Terrakotta-Nuancen der Wände macht, ist unglaublich! Die Wirkung der anderen Farben verändert sich extrem, was wiederum die einzelnen Räume innerhalb des Foyers beeinflusst.
Viele Kunden hätten sicher die gesetztere Variante gewählt. Tulga Beyerle aber wollte das Statement und hat sich zudem noch ein Accessoire gewünscht, das wie ein Störer wirkt, damit nicht alles zu perfekt, zu harmonisch erscheint. Dafür haben wir Spiegel in Neon Koralle ausgewählt.

Hat sich Euer Umgang mit Farben verändert? Oder schöpft ihr aus einer Farbwelt, die die Wiederholung braucht?

Eva Marguerre: Wir sind da nicht festgelegt und entwickeln uns weiter. Es sind längst nicht immer den gleichen Farben. Hier haben aus dem was wir vorfanden unsere Farben abgeleitet. Wichtig sind die Farbkombinationen und wie man sie einsetzt. Jedes Interior, jedes Produkt wird dadurch anders.

Marcel Besau:
Ein wichtiger Aspekt ist die Intuition. Und dann gibt es handwerkliche Fragen: Wie kombiniert man, in welchen Abstufungen bringt man bestimmte Farben ein, wo platziert man sie und in welchen Mengen? An wen richtet sich eine bestimmte Farbigkeit?
Wir haben keineswegs alles bunt gemacht. Es geht auch um Harmonien, ebenso um gezielt gesetzte Störelemente, um Kontraste, die für Aufmerksamkeit sorgen.

Ein Beispiel?

Marcel Besau: Im Entrée trifft die weiße Welt auf ein dunkles Blau. Viel kontrastreicher kann man es ja kaum machen, in der Intensität, wie auch in der Helligkeit. Die anderen Elemente sind zurückgenommen.

Eva Marguerre:
Eine einmal gefundene Kombination würde ich nie einfach auf ein anderes Projekt übertragen. Tatsächlich tauchen Gelb und Blau oft bei uns auf, weil sie tolle Partnerfarben sind und ein Leuchten erzeugen. Wir mögen sehr klare, leuchtende Farbtöne, da hat man natürlich Lieblingsfarben, weil man aus Erfahrung weiß, dass sie gut zusammen funktionieren. Lustigerweise werden wir oft auf das Elbphilharmonie-Konzept angesprochen, das wir mit Daniel Schöning realisiert haben, so als wäre es nicht unseres. Es ist genauso farbstark, nur eben in Weiß mit hellen Nuancen. Das hat jeweils mit der Architektur und dem Kunden zu tun.

Marcel Besau:
Unser intuitiver Umgang mit Farbe verändert sich, einfach aufgrund der Wahrnehmung und des Alters, durch die persönliche Entwicklung. Das hat mit Lebenserfahrung im weitesten Sinne zu tun. Wahrscheinlich wird sich auch der Geschmack wandeln. Physisch liegt es daran, dass die Augen früher oder später schwächer werden. Alles wird grauer, deswegen müssen wir es bunter machen.

Bislang gab es bereits im Foyer erste Vitrinen. Weshalb habt ihr das geändert?

Eva Marguerre: Im Foyer erschienen Fragmente, die verloren wirkten. Wir wollen zeigen: Worum geht es hier?

Marcel Besau:
Ausgangspunkt war, dass manche Flächen wenig genutzt und etwas vernachlässigt wirkten. Mit seinen massiven Säulen in der Mitte wirkte der Raum unübersichtlich. Wir wollen einen guten Überblick über die Möglichkeiten des Hauses schaffen. Über Screens erfährt man, welche Ausstellungen stattfinden, was gerade an Aktivitäten geboten wird.
Das Museum soll als solches wahrnehmbar sein. Im Foyer möchten wir Neugier für das Haus wecken. Vielleicht trägt das dazu bei, dass sich neue Zielgruppen mit dem Museum identifizieren, es zu ihrem Ort machen. Weil sie die Lebendigkeit eines solchen Ortes schätzen.

Wie muss man sich den Prozess vorstellen? Wie entwickelt ihr eure Gestaltungkonzepte?

Eva Marguerre: Jedenfalls setzen wir uns nicht an den Tisch und überlegen, welche Farbe nehmen wir? Es ist ein intuitiver Prozess. Bevor wir zeichnen, sprechen wir darüber. Es geht um ein Gefühl für einen Raum oder ein Produkt. Wir gehen viel spazieren, auf jeden Fall sind wir in der Natur unterwegs und unterhalten uns über das Projekt. Da bauen sich Bilder im Kopf auf. Dann wird es zu einem Ping Pong. Wir entwerfen tatsächlich viel im Kopf, in der Fantasie, bevor irgendwas aufs Papier kommt oder in den Rechner. Zu diesem Zeitpunkt würde ich nie einen Farbfächer in die Hand nehmen und sagen: Die Farbe nehme ich! Damit würde ich den Prozess komplett unterbinden. Wir gingen oft ins Museumsfoyer, sahen uns Räume und Abläufe an. Diesmal haben wir uns auf vorgefundene Farben bezogen. Fast immer ist es aber so, dass Marcel und ich ähnliche Farben für ein Projekt im Kopf haben. Sobald wir uns austauschen, stellen wir fest, wie sehr sich unsere Farbwelten ähneln. Es hat mit Wahrnehmung zu tun und auch damit, genau zuhören zu können.

Marcel Besau: Wir sind sehr gut eingespielt.

Was folgt dann?

Eva Marguerre: Das Handwerk besteht darin zu überlegen, welcher Blauton ist es denn genau? Über Farben kann man sich nicht sehr präzise unterhalten. Man kann das nur umschreiben. So kann es passieren, dass Marcel das Gelb völlig anders sieht als ich. Dann brauchen wir Material- und Farbmuster.

Marcel Besau:
Hinzu kommen Licht und Materialität. Denn in jeder Situation wirken Farben anders.

Eva Marguerre:
Sobald es um eine Farbpalette geht, kommen bei Produktkollektionen weitere Aspekte hinzu. Wir haben vielleicht ein bis drei essenzielle Farben für das Produkt im Kopf. Dann geht es aber auch um die Frage: Was will der Markt? Haben wir weibliche wie männliche Farb-Aspekte abgedeckt? Sind warme und kühle Farben berücksichtigt…

Marcel Besau:
… und elegante sowie verspielte Nuancen…

Eva Marguerre:
… Kurz: Es geht darum, eine gute Range zu erzeugen. Und das ist wirklich Handwerk, bei dem es um Nuancen geht. Wenn ich sage, diesen Farbton will ich unbedingt, wie kann man damit eine Range erzeugen? Bestehen die Farben für sich, passen sie zueinander? Wie lassen sie sich ergänzen? Das sind handwerkliche Aspekte der Entwicklungsarbeit.

Gibt es Menschen, die euer Thema kalt lässt? Kann man Farbe ignorieren?

Eva Maguerre: Mit der Farbe ist es ähnlich wie mit dem Licht. Man kann es nicht ausblenden. Wenn du in einem kleinen Raum mit niedriger Decke bei Neonbeleuchtung sitzt, dann kannst du mir nicht erzählen, dass es dir da gut geht. Das macht etwas mit einem. Viele Leute sind sich dessen nicht bewusst.

Bei Farben ist es das Gleiche, ob du in einem Raum ein Wohlgefühl entwickelst oder nicht. Es muss den Leuten ja gar nicht bewusst sein, das ist irrelevant. Aber wir können mit der Dimension Farbe spielen. Wir geben den Leuten, die hierher kommen ein Gefühl mit auf den Weg. Wenn man dann auf den Gesichtern sieht, dass es wirkt und wie, ist das besonders schön.

Lernt man im Foyer des Museums für Kunst & Gewerbe etwas über Farben?

Marcel Besau: Bei vielen Projekten geht es darum, Farbe erfahrbar zu machen. Farbe einzuschätzen und dazu eine eigene Position zu entwickeln, das lernt man ja eigentlich nicht. In der Schule erfährt man vielleicht noch etwas über Komplementärkontraste. Doch die Natur bietet eine wahre Explosion an Nuancen. Wir sind emotionale Wesen, was die Wahrnehmung angeht. Sich damit zu befassen, dafür gibt es im Alltag der meisten Menschen wenig Gelegenheit. Bei der Neugestaltung des Foyers stand das zwar nicht im Fokus, aber wenn als Resultat unserer Arbeit ein solches Haus dazu beiträgt, dann begeistert uns das. Vielleicht werden andere Gestalter dadurch beeinflusst. Oder Kinder, die hierherkommen, das erleben und mit in ihren Alltag nehmen. Wer weiß, was daraus wird!