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Gebaute Landschaft

Der ideale Bauplatz wurde vom Meer aus gesucht: An der mexikanischen Pazifikküste baute Ricardo Legorreta 1981 ein Hotelgebäude in den Berg hinein, das bis heute unverändert blieb.
von Carsten Krohn | 20.09.2018

Obwohl die Hotelanlage mit über 400 Zimmern die Bucht überragt, tritt das Bauwerk von Strand aus kaum in Erscheinung. Es ist vom Strand abgerückt, so dass sich die tropische Vegetation um das Bauwerk herumzieht. Betreten wird es über eine Eingangshalle von monumentalen Dimensionen. Hier ist die Architektur derart abstrakt und archaisch, dass es weder Fenster noch Türen gibt. Die Besucher betreten ein mit Natursteinplatten gepflastertes Plateau, das sich zu einem Palmenwald im Osten und zum Meer im Westen öffnet. Die Landschaft wird in gerahmten Ausblicken inszeniert. In der zentralen Halle erscheint der Bau als eine gewaltige Brückenkonstruktion, unter der die Besucher hindurchgehen und direkt bis zur Gebäudekante schreiten können, von der sich ein spektakuläres Panorama über das Wasser wie von einem großen Schiff aus bietet. 

Sämtliche Gänge, die Lobby mit Bar, die um den Sonnenuntergang herum entworfen zu sein scheint, sowie das zentrale offene Restaurant bilden zusammen ein Kontinuum mit dem Außenraum. Die Struktur des Gebäudes ist so konzipiert, dass sämtliche Räume von der Meeresbrise durchzogen werden. Lediglich die Hotelzimmer sind verglast und können klimatisiert werden. Aber auch hier ist es möglich, die raumhohen Glasschiebetüren komplett in die Wand zu fahren, so dass der Innenraum mit der Terrasse eine Einheit bildet. Bemerkenswert für ein Hotel ist, dass der Architekt auch die Möblierung mitgestalten konnte. Die schweren Massivholzmöbel verleihen den Räumen eine spezifisch mexikanische Atmosphäre. Sowohl die geometrisch klaren Formen der Möbel als auch die Farbigkeit des Bauwerks sind stark von dem Architekten Luis Barragán beeinflusst. Die Kombination der Farben spielt mit den Komplementärkontrasten. So ist die Decke der Lobby lila, während die Innenseiten der Wandöffnungen gelb gestrichen sind. Andere Bereiche sind dunkel blau oder leuchtend rosa. 

Ein Erlebnis ist der Weg zum etwas abseits gelegenen Komplex der terrassierten Becken zu Schwimmen, denn hier ist der tropische Regenwald unmittelbar erfahrbar. Auch bei der Badeanlage passt sich der bauliche Eingriff an die natürliche Topografie an. Die verschiedenen Becken staffeln sich auf unterschiedlichen Ebenen. 

Ricardo Legorretas Übertragung der Architektur von Luis Barragán auf einen monumentalen Maßstab bleibt allerdings ausbalanciert. Während unzählige Bauten des internationalen Massentourismus jene Unberührtheit der Natur zerstören, die von den Menschen gesucht wird, wurde hier demonstriert, dass eine architektonische Megaform als gebaute Landschaft imstande ist, den Bewohnern ein meditatives Erlebnis zu ermöglichen, das durch den Dialog mit der Natur geprägt ist.