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Rundum vernetzt
von Armin Scharf | 08.05.2012

Eigentlich ist das vernetzte Haus keine neue Sache, sondern schwirrt seit vielen Jahren durch Medien und über Messen. So feierten die Systeme, die alles mit allem vernetzen können, auch während der aktuellen Light+Building ein neuerliches Fest aus Screens, Integrationsangeboten und Apps für Apple- und nun auch erstmals Android-Mobilgeräte. Inzwischen umfassen die fast alle auf dem KNX-Kommunikationsstandard aufbauenden Herstellersysteme sogar die Steuerung und Überwachung der Hausgeräte, des Bades und sogar des Gartens. Elektrospezialist Busch-Jaeger kooperiert mit Gardena und baut die Gartenbeleuchtung oder Bewegungsmelder in die Haussteuerung mit ein.

Herausforderung Planung

Da mag man sich fragen, wozu man überhaupt noch die guten alten Schalter benötigt, wenn doch alles per Touchscreen an der Wand oder Smartphone in der Hand zu steuern ist. Die Antwort: Weil sich bislang immer noch wenig private Bauherren für ein integriertes System entscheiden. Da mögen die notwendigen Investitionen im Wege stehen, die Unsicherheit, was die Standards betrifft und sicherlich auch jene psychologische Hürde, das Eigenheim auch noch in die ewige Update-Schleife zu heben. Aber das wird sich mit der Smartphone-Generation vermutlich alsbald ändern. Entscheidend ist viel mehr, wie denn die schöne neue Steuerungswelt in das Haus kommt. Denn je fortschreitender und integrativer die Hausvernetzung wird, desto mehr ändern sie auch die gewohnten Marktverhältnisse. So müssen die bisher strikt getrennten Ebenen der Elektrik, Heizung und Sanitär, Fenster- und Rollladenbauer sowie IT zusammenfinden. Das bedeutet letztlich die Auflösung der traditionellen Gewerkabgrenzungen, sowohl bei den Planern, beim Fachhandel wie auch beim Handwerker. Gerade der aber zögert, die neuen Möglichkeiten offensiv aufzugreifen und als Chance zur qualitativen Profilierung und Umsatzverbesserung zu sehen. Die Systemhersteller haben dies erkannt und sind dabei, die Konfiguration der Systeme zu vereinfachen und auch dem Endnutzer über die Bedienung hinaus einfache Einstellmöglichkeiten anzubieten [JZ1] Das sollte aufhorchen lassen. Dennoch: Ohne einen engagierten Planer und einen Handwerker, der nicht nur in Kabelschlitzen oder Steckdosen denkt, wird man trotz vereinfachter Bedienkonzepte nicht auskommen. Die Hersteller helfen bei der Suche nach diesen Fachleuten naturgemäß gerne.

Stimmen aus der Steckdose

Apropos Steckdose: Die wird mit dem wachsenden digitalen Gerätezoo noch wichtiger – und vielseitiger. So konnte man auf der Light+Building neue Derivate besichtigen: Steckdosen mit LED-Orientierungslichtern und integrierten USB-Ladern, Einsätze mit WLAN-Accesspoints und Webradios. Interessante Entwicklungen also, die dem trauten Heim echten Mehrwert bringen können. Dazu gehören auch die für die LED-Leuchtennutzung optimierten Dimmer oder Universal-Dimmer [JZ2] wie von Berker, mit denen sich trefflich sowohl Halogenlampen, LEDs wie sogar Energiesparlampen harmonisch und flackerfrei regeln lassen.

KNX trifft IP

Zurück zur Hausvernetzung: Hier treffen inzwischen verschiedene Kommunikationsstandards zusammen, die international etablierte KNX-Technik und der aus der Netzwerkwelt stammende IP-[JZ3] Standard. KNX vernetzt die haustechnischen Komponenten, also Heizungssteuerung, Sonnenschutz, die Beleuchtung und Hausgeräte; IP öffnet das System nach außen, zu stationären oder mobilen Interfaces, mit denen sich das Heimnetz via iPhone oder iPad steuern lässt. KNX und IP können nun im Haus über Server oder Gateways besser miteinander verknüpft werden. IP wiederum entwickelt sich als Standard für die Tür-Kommunikation. Wie, das zeigte beispielsweise Siedle mit dem System „Siedle Access".

Intuitivere Systeme

Die Bedienung der Haustechnik, also der Abruf von Verbrauchsdaten, von Statusmeldungen, von voreingestellten Szenen oder Alles-Aus-Zuständen, erfolgt nach den Vorstellungen der Hersteller in Zukunft vermehrt über kleine oder große Touchscreens an der Wand. Deren Interfaces gehen deutlich in Richtung intuitivere Handhabung, teils mit Raumbildern oder Grundrissen hinterlegt und mit eindeutigen Icons. Gerade bei einer komplexen Vernetzung ist deren Darstellung per Interface eine Herausforderung, schließlich wollen die verschiedenen Ebenen auf den zwar größer werdenden aber immer noch begrenzten Displays nutzerfreundlich abrufbar sein. Einen grafisch und strukturell sehr klaren Ansatz zeigt die zu Schneider Electric gehörende Marke Mertens mit dem System „Uniq", das sich per Weboberfläche auch auf dem PC und sogar dem Fernseher darstellen lässt. Eindeutige Symbole und Messwert-Darstellungen machen „Uniq" zu einem System mit Spaßfaktor.

Der positive Einfluss der Apple-Usability ist überall zu spüren, auch wenn sich die konkreten Umsetzungen optisch davon differenzieren. Dagegen hinkt die Hardware oft der Benchmark Apple hinterher: Nur wenige Screens schaffen es in puncto Brillanz, Ansprechsensibilität und Bildaufbau mitzuhalten. Eigentlich ist das nicht wirklich dramatisch, doch durch die überall zelebrierte Nähe der großen und kleinen „i's" von Apple erwartet man hier die gleiche Performance.

Funknetz für den Bestandsbau

Bislang ließ sich die Hausvernetzung nur beim Neubau oder im Rahmen einer umfassenden Sanierung vernünftig umsetzen. Mit dem „eNet" gehen Gira und Jung wie auch schon Schneider-Electric zuvor den eigentlich viel größeren Markt jenes Altbaus an, der kostengünstig modernisiert werden soll. Hinter dem „eNet" verbirgt sich ein bidirektionales Funksystem, an das Sender, Sensoren und Aktoren andocken. Gesteuert wird über Hand- oder Wandsender, per Touchscreen oder per App via iPhone, wenn ein „eNet Server" integriert ist. Eine prima Sache, die sich auch in Mietwohnungen nutzen lässt, denn „eNet" kann mit umziehen. Eine weitere Neuerung hat sich Jung ausgedacht: eine kleinformatige Alternative zu den großen Steuerscreens. Das „KNX Smart Panel" ist kompakt und kombiniert den Touchscreen mit sensorischen Tasten auf der Glasfront.

Interessant ist hier auch das aus der Schweiz kommende System „Digitalstrom". Hier vernetzen kleine, in Zweigdosen, Leuchten, Rollladenantrieben oder andere elektrische Verbraucher integrierbare Module das Haus nachträglich auf einfache Weise. Die Steuersignale werden auf die 230-Volt-Versorgungsspannung aufmoduliert, was zusätzliche Verkabelungen erspart. Auch hier ist das Smartphone als Steuertool nutzbar.

Türöffner iPad

Neben den großen Alleskönnern finden sich Anbieter, die sich bewusst auf ein reduzierteres Feld konzentrieren. Trivum aus Stuttgart beispielsweise, die von der akustischen Mehrraum-Beschallung kommen und via KNX nun auch Haustechnik ansteuern können. Oder Siedle, der Türkommunikations-Experte aus dem Schwarzwald. Die bereits erwähnte Software-Lösung „Siedle Access" verbindet den Gebäudezugang mit Video und Ton, Mediensteuerung und interner IP-Telefonie. Basis dafür ist ein strukturiertes Netzwerk mit Standardkomponenten, das alle Nutzer verbindet. Das ist besonders interessant für Gebäude mit mehreren Wohneinheiten, aber auch für Unternehmen, die die Intercom-Funktion via Internet auch standortübergreifend nutzen können. Prinzipiell lässt das einen dezidierten Server nutzende System nahezu unbegrenzte Teilnehmerzahlen zu. Für den Nutzer zeigt sich „Siedle Access" als App für iPhone und iPad oder als Web-Interface auf einem PC.

Komfort und Energie

Neben Komfortfunktionen, die man benötigt oder auch nicht, ist die Steuerung der Energieeffizienz ein maßgebliches Argument für die Vernetzung. Das Monitoring der einzelnen Verbraucher erlaubt deren optimierte Konfiguration – beginnend bei der Vorlauftemperatur der Heizung bis zur Beleuchtung. Und vor dem Hintergrund des Stromnetz-Umbaus wird die netzverträgliche Ansteuerung von Hausgeräten, lokalen Stromspeichern oder die Einspeisung von PV-Strom künftig sehr wichtig. So starten verbrauchsintensive und nicht zeitkritische Geräte beispielsweise dann, wenn der Strom günstig ist und dies vom Stromversorger so signalisiert wird. Oder aber der selbst erzeugte PV-Strom wird nur dann in das allgemeine Netz eingespeist, wenn die Nachfrage da ist – wenn nicht, steht er für den Eigenverbrauch zur Verfügung oder fließt in die Batterie des E-Mobil an der vernetzten Ladestation. Diese intelligenten Netze, auch Smart Grids genannt, sollen unter anderem die Schwankungen der regenerativen Energiequellen ausgleichen. Weil das aber ein nach innen und außen vernetztes Haus verlangt, wird dieses zu einem wichtigen Baustein der Energiewende.

Und so sieht eine multifunktionale Kombination aus: Steckdose, Schalter, LED-Leselicht sowie USB-Ladestation im Vierfach-Rahmen, Foto © Jung
Leselicht in der Wand: Die schlanken LEDs, hier zwölf an der Zahl, ermöglichen neue Anwendungen für den Wandeinbau. In zwei Stufen über einen normalen Serienschalter aktivierbare Beleuchtung von Jung, Foto © Jung
Auch Steckdosen werden multifunktional: Hier ein Beispiel von Berker mit integriertem LED-Orientierungslicht, Foto © Berker
Nicht nur Busch-Jaeger setzt auf bildunterstütze Interfaces. Hier die mit 30 Zentimeter Diagonale größte Version des „Busch-Comfort-Panel“, Foto © Busch-Jaeger
Die Integration von Gartenfunktionen ist neu und das Ergebnis der Kooperation von Busch-Jaeger mit Gardena, Foto © Busch-Jaeger
Tarifkontrolle in Echtzeit: „Busch-EnergyControl“ zeigt die aktuelle Entwicklung der Strompreise. Dieses Monitoring kann besonders für die künftige Stromnetz-Nutzung wichtig werden, Foto © Busch-Jaeger
Berker nennt sein System „B.IOS“. Es verbindet die KNX-Bussysteme mit der IP-Welt und macht die Haustechnik so von mobilen Geräten aus steuerbar, Foto © Berker
Merten präsentiert das „Uniq Interface“, das durch eine grafisch sehr ansprechende Icon-Gestaltung besticht, die die Funktionen sehr einfach abrufbar macht, Foto © Merten
Merten setzt auf eine Vielzahl von Icons und Informationen auf der Startseite des „Uniq Interface“. Das ermöglicht einen schnellen Überblick und den unkomplizierten Aufruf der Funktionen. Foto © Merten
Knapp 23 Zentimeter in der Diagonalen misst das Touchpanel „Gira Control 9 KNX“ und dient als Steuerzentrale für die KNX-Businstallation, Foto © Gira
Funkfernbedienung für das „eNet“, das die nachträgliche Vernetzung ohne neue Kabel ermöglicht, Foto © Gira
Die Displays werden nicht nur größer, sondern auch kompakter: Hier der „KNX Smart-Control“, kleiner TFT-Touchscreen mit zusätzlichen Sensortasten von Jung, Foto © Jung
„Siedle Access“ löst die Türkommunikation per IP-Netzwerk neu und integriert zusätzlich Intercom-Funktionalitäten. Bedienbar ist die Lösung unter anderem per App für Apple-Mobilgeräte, Foto © Siedle
Per WLAN kommt das Internet-Radio an die Wand: Die Idee ist nicht ganz neu, aber hier formal perfekt realisiert. Auch Stereo-Lösungen sind inzwischen auf dem Markt, Foto © Busch-Jaeger
Praktisch: USB-Ladestation an der Wand mit rutschfester Ablage, Foto © Busch-Jaeger