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Marco Zavagno und Enrica Cavarzan

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Ohne Scheuklappen

Zaven Design haben für S-CAB die Sitzmöbel "Koala" entworfen, zwei Varianten einer Grundidee, die den Körper sanft umfassen und maximalen Komfort bieten. Warum Enrica Cavarzan und Marco Zavagno in ihrer Arbeit den Kontrast schätzen, sagen sie uns im Interview.
09.05.2025

Anna Moldenhauer: Wie ist die Zusammenarbeit mit S-CAB zustande gekommen?

Marco Zavagno: Der Industriedesigner Alessandro Stabile hat uns mit S-CAB vernetzt und bei unserem Besuch im Unternehmen haben wir eine tolle Energie bei den Menschen gespürt, die dort arbeiten. Der Start für eine Zusammenarbeit war schnell gegeben, es hat einfach gepasst. Es ist großartig mit einem Team zu arbeiten, das offen für Neues ist und auch den Willen hat, neue Wege zu finden.

Wie war das Briefing?

Marco Zavagno: Das Ziel waren Sitzmöbel für den Vertragsmarkt, die einen hohen Komfort ermöglichen. Wir haben uns für zwei Versionen entschieden, eine geschlossene Form und eine Weiterentwicklung derselben, die eine Möglichkeit bietet, die Vision dieser Gestaltung größer zu denken.

Enrica Cavarzan: Die Struktur des Stuhls war die Hauptidee. Darauf haben wir aufgebaut, mit Gegensätzen wie unterschiedliche Materialien. Zudem sollte das Grundgerüst im Innen- und Außenbereich verwendbar sein.

War die Idee für zwei Versionen von Anfang an gegeben, oder hat sich diese im Arbeitsprozess ergeben?

Marco Zavagno: Der Stuhl sollte für unterschiedliche Bedürfnisse anpassbar sein, damit eine Produktfamilie entstehen kann. Wir haben uns daher für einen äußeren Ring entschieden, der mit den Beinen verbunden ist und den Sitz stützt. Daran lässt sich auch die Rückenlehne befestigen. Diese Linie ist in jeder Weiterentwicklung des Stuhls wiederzuerkennen, sie verleiht der Familie Kontinuität.

Enrica Cavarzan: Die Version mit der schlankeren Polsterung ist entstanden, weil es uns ein Anliegen war, die Struktur zu zeigen. Für den Komfort sorgt die Umhüllung der zentralen Punkte, wie der Rückenlehne. Im Gestaltungsprozess tauschen wir miteinander Ideen und Bilder aus. Wir skizzieren, bauen kleine Modelle aus Karton und Papier oder drucken diese in 3D. Die Arbeit an diesen physischen Modellen ist uns näher als ein Rendering, denn Größe und die Proportionen lassen sich an diesen einfach besser abschätzen. Für uns ist die Kommunikation mit dem Unternehmen ein Prozess, der auf Austausch basiert: Wir teilen eine erste Idee, grobe Skizzen und schauen dann welche Richtung sie einschlagen wollen. Nach dem ersten Feedback von S-CAB haben wir so mit dem Zeichnen begonnen und die Bewegungsproportionen erstellt. Der erste gemeinsame Prototyp war dann bereits sehr passend.

Metall und Polster sind die zwei prägendsten Materialien bei den Stühlen, warum ist das so?

Marco Zavagno: Das Metall ist eines der wichtigsten Elemente für S-CAB. Sie produzieren in ihrem eigenen Werk in Italien und können dank des transparenten Zyklus mit dem Metall im Grunde alles fertigen, was sie möchten. Diese Expertise schätzen wir sehr. Sie spart zudem Kosten wie Ressourcen, da die Produktion an einem Ort geschieht.

Für die individuelle Gestaltung bieten Sie viele Veredelungen für die Stahlrahmen und für die Stoffe und sogar ungewöhnliche Varianten wie Samt. Was war Ihnen bei der Auswahl dieser Individualisierungsoptionen wichtig?

Enrica Cavarzan: S-CAB hat uns vertraut, die passenden Materialien und Stoffe auszuwählen, und das wissen wir sehr zu schätzen. Wir wollten einen Bezug, der ein warmes, komfortables Gefühl vermittelt. Der quasi dreidimensional ist und den man gerne anfassen möchte. Zudem haben wir einen Kontrast gesucht, wie mit Blick auf die Struktur aus Metall und Öko-Leder. Für die Wolle haben wir mehrere Farbmischungen ausgewählt, darunter beispielsweise ein schönes Orange, dass eine Tiefe hat, so dass das Zusammenspiel spannend wirkt. Wir achten bei Entwürfen generell sehr auf die Reflexion des Lichts, auf die Farbe und auf das Material. Deshalb wählen wir lieber Oberflächen, die eher zweidimensional sind.

Marco Zavagno: Wir favorisieren keine bestimmten Farbtöne, aber wenden jeweils viel Zeit für die Auswahl der Farben auf. Dazu gehört auch die Muster einige Zeit im Innen- wie im Außenraum liegen zu lassen und immer wieder zu ihnen zurückzukehren. Je nach Sonnenstand und Beleuchtung verändert sich ihre Wirkung.

Die Formen, die ihr entwerft, sind ebenso kontrastreich – kunstvoll, aber auch streng. Ihr brecht mit klassischen Gestaltungsmustern. Was reizt euch an dieser Mischung?

Enrica Cavarzan: Wir schätzen unterschiedliche Ästhetiken und unterteilen Designprojekte nicht in "gut" und "schlecht". Unsere Arbeit ist interdisziplinär, wir publizieren Bücher, beraten Unternehmen, entwerfen Räume und Möbel. Wir lieben es Räume zu verändern, denn dank dieser Mischung behalten wir unseren kreativen Instinkt und langweilen uns nicht. Unsere Energie durchzieht die Projekte und ist meiner Meinung nach etwas, das auch langfristig in unseren Arbeiten sichtbar sein wird.

Marco Zavagno: Zudem streben wir nach einer Einfachheit, die raffiniert ist. Die einlädt, genauer hinzusehen. Um das zu erreichen, versuchen wir über Reduktion und Addition, zum Kern eines Projekts vorzudringen, bis die Details stimmig sind. Das Ergebnis muss uns zuerst überzeugen und das ist nicht einfach, denn wir sind sehr wählerisch. Zudem haben wir den Anspruch, dass unsere Arbeit einen Sinn ergeben muss, denn erst dann verdienen es neue Dinge zu existieren.

Wie wirkt sich der multidisziplinäre Ansatz auf euer Möbeldesign aus?

Enrica Cavarzan: Ich würde sagen wir sind ganzheitlich davon beeinflusst, da wir aus vielen Erfahrungsfeldern schöpfen. Unsere Art die Dinge zu sehen ist davon geprägt viele Perspektiven einzunehmen.

Marco Zavagno: Zudem gewährt uns die Recherche in unterschiedliche Themen ein umfangreiches Wissen, das wir zwischen den Disziplinen verknüpfen können.

Warum habt ihr euch entschieden in Venedig zu leben und zu arbeiten?

Enrica Cavarzan: Das war eher ein Zufall. Alle zwei Jahre bin ich der Meinung, dass wir wegziehen sollten, aber das Gefühl hält nie lange an. Die Beziehung zu der Stadt ist eine Hassliebe. Die Stadt ist touristisch geprägt, aber sie bietet auch viel. Die Nähe zum Wasser, besondere Lichtstimmungen, die Schönheit der Natur an sich und viele kulturelle Angebote. Nachts ist es zudem an unserem Wohnort auf der Insel sehr still. Daran kann man sich gut gewöhnen.

Marco Zavagno: Die Stadt bietet uns eine Balance zwischen Arbeit und Familienleben. Alles andere finden wir auf unseren Reisen.

Ihr haltet auch Workshops und Vorträge an Designschulen – was ist ein Kernthema, was euch wichtig ist zu vermitteln?

Enrica Cavarzan: Bei der Lehre zum Produktdesign, wie an der Nuova Accademia di Belle Arti NABA in Mailand oder der Universität in Venedig ist es für uns wichtig, den Studierenden die Möglichkeit zu geben ihrer eigenen Forschung nachzugehen und diese zu vertiefen. Ich kann ihnen Wissen aus meiner Expertise vermitteln, aber letztendlich bin ich dazu da um sie dabei zu unterstützen ihren eigenen Weg zu erkunden.

Marco Zavagno: Es ist grundlegend, dass die Studierenden verstehen, was sie gestalten möchten. Ich bin kein Lehrer, der ihnen beibringt, wie man einen Stuhl entwirft. Mir geht es um den Dialog, der ihnen Optionen eröffnet, in denen wir Ideen und Referenzen herausarbeiten, auf denen sie aufbauen können. Ich möchte Ihnen beratend zur Seite stehen. Der Weg zu einem Entwurf ist individuell. Um ihn zu gehen, muss man bereit sein selbst etwas zu verwirklichen, anstatt nachzuahmen. Wer gestalten will, muss einen offenen Blick haben und darf keine Angst vor den eigenen Ideen haben.

Enrica Cavarzan: Design studiert man, um Projekte von Grund auf verstehen und auch kritisieren zu können. Es ist eine Investition in einen selbst. Parallel hilft die Lehrtätigkeit die eigene Arbeit neu zu reflektieren. Wir achten sehr darauf, was wir den Studierenden vermitteln wollen, denn es ist ein gemeinsamer Weg, um etwas Sinnvolles zu schaffen.