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Mit Hilfe einer Netzwerkanalyse ermittelt Spaciv, wer mit wem arbeitet.

Fläche als Ressource

Spaciv aus München wollen mit einem digitalen Tool der Flächenverschwendung entgegenwirken. Wir sprachen mit Gründer und Architekt Malte Köditz über die Idee dahinter.
von Alexander Russ | 20.08.2021

Spaciv sind Tech-Startup und Familienunternehmen zugleich: Bei dem von Softwareentwickler Ulf Seekamp und Architekt Malte Köditz gegründeten "Proptech" handelt es sich um ein Vater-Sohn-Gespann, das ein digitales Tool für eine detaillierte und flexible Flächenoptimierung entwickelt hat. Dafür bringen beide ihre Erfahrungen im Bereich der Flächenplanung und der Entwicklung digitaler Lösungen ein und verbinden sie zu einem Werkzeug, mit dem sie Veränderungen in der Arbeitswelt intelligent steuern wollen.

Alexander Russ: Malte, du warst früher Workplace Berater bei HENN Architekten und entwickelst mittlerweile zusammen mit deinem Vater digitale Lösungen für bedarfsorientierte Flächenstrategien in eurem Startup Spaciv. Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Malte Köditz: Mit Spaciv wollen wir verändern, wie wir als Gesellschaft Flächen konsumieren. Das Ganze ist ein digitales Tool, das es uns auf einer sehr detaillierten Ebene ermöglicht, den jeweiligen Flächenbedarf zu analysieren und die Planung entsprechend anzupassen. Flächen werden heutzutage oft verschwendet, weil die NutzerInnen gar nicht wirklich wissen, was sie tatsächlich benötigen.

Wie funktioniert das konkret?

Malte Köditz: Wir haben ein System entwickelt, mit dem man Personaldaten und Flächendaten zusammenbringen kann. Das sind zwei Bereiche, die in der Vergangenheit immer getrennt voneinander behandelt wurden. Unsere Vorgehensweise ist dabei die Folgende: Wir bilden das Modell der jeweiligen Organisation in unserem System ab, in dem wir die entsprechenden Daten granular – also sehr detailliert – importieren. Ein anderer Weg wäre, das Ganze vorab zu modellieren, um sich so der gewünschten Granularität anzunähern. In unserem System analysieren wir dann anschließend den tatsächlichen Bedarf der NutzerInnen – also wie und wo Menschen an den jeweiligen Orten arbeiten. Dadurch lassen sich die Zeitkontingente für die jeweiligen Aktivitäten genau erfassen und daraus die benötigten Flächen ableiten.

Die Bestandsanalyse ermittelt, wieviel Fläche jedem Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
Spaciv bietet eine räumliche Übersicht in Form eines Flächenmodulkatalogs.

Welchen Mehrwehrt hat euer System gegenüber einer herkömmlichen Flächenplanung?

Malte Köditz: Als Workplace Berater wird man ja von einem Bauherrn beauftragt, einen bestimmten Bedarf zu erfassen. Das ist einerseits ein spannender Prozess mit vielen Workshops und einem entsprechenden Austausch. Andererseits ist das sehr zeitaufwendig. Hinzu kommt, dass es mit dieser Herangehensweise schwierig ist, auf die bereits erwähnte Granularität zu kommen, die wir mit Spaciv erzielen können. Jede Organisation hat ihre Eigenheiten und deren Komplexität können wir mit unserem System detailliert erfassen. Gleichzeitig ändern sich Nutzerbedarfe konstant, da Organisationen in der Regel agile Gebilde sind – zum Beispiel, wenn sich neue Aufgabenfelder auftun und es als Folge neue Projektteams gibt. Diese Veränderungen im Prozess der herkömmlichen Planung abzubilden, ist sehr schwierig. Das läuft dann in der Regel mit Hilfe von Excel-Tabellen, durch die man versucht, die jeweiligen Informationen zu erfassen – was entsprechend zäh und fehleranfällig ist. Mit unserem System werden die Daten stattdessen kontinuierlich erfasst, sauber strukturiert, modelliert und die sich ergebenden Veränderungen transparent dargestellt. Wir liefern also eine hohe Detailschärfe und gleichzeitig eine hohe Transparenz.

Könntest du den Begriff "Granularität" noch mal genauer erläutern?

Malte Köditz: Granularität heißt in unserem Fall, dass wir immer auf Positionsebene rechnen. Wenn wir also eine Organisation analysieren, die zum Beispiel 5.000 Mitarbeiter hat und wir das dann in die einzelnen Organisationseinheiten runterbrechen, dann können wir jede einzelne Position – also den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin der Organisation – in jedem Schritt mit dem benötigten Flächenbedarf verknüpfen. Wir können dabei vom Groben ins Feine gehen und vom ersten Moment an Ergebnisse liefern. Darin steckt dann auch das Potenzial für die Optimierung, die nicht nur aus einer Ermittlung der tatsächlich benötigten Fläche besteht, sondern auch in der Möglichkeit, individuelle Arbeitswelten zu schaffen, die auf die jeweiligen MitarbeiterInnen genau zugeschnitten sind.

Anstatt abstrakter Tabellen gibt es bei Spaciv eine vernetzte Plattform, die Daten miteinander in Beziehung setzt.

Du hast anfangs erwähnt, dass Flächen heutzutage oft verschwendet werden. Wie könnt ihr dem entgegenwirken?

Malte Köditz: Organisationen planen ihre Flächen meistens spekulativ. Das heißt, sie stellen sich die Frage, wieviel Fläche sie momentan benötigen und wieviel sie in Zukunft benötigen werden. In der Folge wird diese dann entweder gebaut oder gemietet. Das bedeutet aber auch das Ende des ganzen Prozesses – entweder man findet sich damit zurecht oder eben nicht. Das läuft der eingangs erwähnten Tatsache, dass sich der Flächenbedarf ständig ändert, natürlich komplett zuwider. Um dem entgegenzuwirken, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ich baue einen Puffer ein und habe als Resultat eine überdimensionierte Fläche – was natürlich eine unglaubliche Ressourcenverschwendung ist. Oder man denkt in dynamischen Systemen, wo man Flächen zum Beispiel durch das Buchen eines CoWorking-Space oder durch mittelfristige Mietverträge flexibel dazuschalten kann. Darum geht es uns bei Spaciv: dass man die Fläche und deren Nutzung dank einer detaillierteren Analyse intelligent miteinander verbindet und auch immer wieder anpassen kann. Die Ermittlung der benötigten Fläche ist also kein einmaliger Planungsschritt, sondern ein fortlaufender Prozess, der immer wieder nachjustiert wird.

Kannst du uns zum Schluss noch eine Prognose geben, wie die Arbeitswelt der Zukunft aussehen könnte?

Malte Köditz: Ich glaube die zukünftige Arbeitswelt wird genauso vielfältig sein, wie sie es auch heute schon ist. Deshalb braucht es Ansätze, mit der sich diese Vielfalt intelligent erfassen und steuern lässt.