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NEW WORK
Das Raster durchbrechen

Note Design Studio hat mit dem Douglas House im Londoner West End einen neuen Wohlfühlort für flexibles Arbeiten geschaffen. Dem Dreißigerjahre-Bau verpasste das schwedische Kollektiv dabei einen sanften Stoß und eine leichte Welle.
von Jeanette Kunsmann | 02.03.2021

Einen passenden Begriff für die gemütlich-komfortablen Gemeinschaftsorte der arbeitenden Avantgarde gibt es immer noch nicht, wegweisende Referenzen hingegen schon. Trotz – oder gerade wegen – der Pandemie bleibt der Boom für Serviced-Coworking-Projekte ungebrochen. Auch The Office Group (TOG) wächst weiter. Gerade hat der britische Büroanbieter zwischen Oxford Circus und Great Portland Street seine 42. Dependance eingeweiht, in Deutschland sollen nach dem Berliner Kontorhaus bald weitere Standorte in Frankfurt und Hamburg folgen. Flexibles Arbeiten nach dem Coworking-Modell auf einem hohen Niveau ist bei The Office Group für alle Betriebsgrößen attraktiv: vom Freelancer bis zu Großunternehmen, die für ihre Mitarbeiter meist gleich mehr als eine Etage anmieten. Für die Konzeption und Gestaltung des Interieurs im kürzlich eröffneten "Douglas House" haben TOG-Gründer Olly Olsen und Charlie Green erneut das Stockholmer Kreativteam von Note Design Studio beauftragt. Bereits 2019 hatte das Kollektiv um Johannes Carlström und Cristiano Pigazzini das "Summit House" in Holborn für die Gruppe in einen Flexible-Workspace verwandelt. Hier trifft Minimalismus auf anmutende Harmonie aus Karamell, Dunkelrot und Grüntönen, die auch zu der Ästehtik des Filmproduzenten Wes Anderson passen würde.

Wenn Note Design Studio dem denkmalgeschützten Art-Deco-Gebäude aus den Zwanzigerjahren in Holborn mit vornehmlich nordischem Understatement zu neuem Glanz verhelfen konnte, stellte das sechsgeschossige Gebäude in der Great Titchfield Street die Gestalter vor neue Herausforderungen. Der Bestand mit dem Baujahr 1933 ist radikal funktional angelegt: Ein strenges Raster prägt Fassaden und Innenräume. "Dieses Raster wollten wir aufbrechen", erklärt Johannes Carlström die Basis Umgestaltung des gut 90 Jahre alten Backsteingebäudes in einen für die Zukunft gerüsteten Arbeitsort. Der Entwurf von Note Design Studio spiele "mit dem hypermodernen Habitus von The Office Group und Innenräumen, die eine andere Zeit atmen", so der Architekt. Die alte Substanz wurde respektvoll saniert, historische Details und Elemente aufgearbeitet. Als organische Form setzt eine gewellte Wand aus blassblaugefärbten Glasbausteinen im langen Korridor einen Konterpart zum strengen Raster. Dahinter befinden sich die Konferenzräume. Wo vier Treppenaufgänge das Erdgeschoss in drei Bereiche unterteilen, soll die gewellte Glaswand für eine neue Verbindung dieser Raumsegmente sorgen.

Doch nicht nur der konformen Ziegelfassade und der puren Symmetrie der vielen Sprossenfenster wollten die nordischen Gestalter etwas entgegensetzen, ihr Interior versucht die Konformität des Büroalltags zu brechen. Über die intensive Farbgestaltung sollen alle Sinne aktiviert werden. Monochrome Sitzmöbel im Sinne eines International Klein Blue oder in Signalrot treffen auf abgestufte Farbwelten in warmen Holz-, Nuss-, Senf- und Ockertönen. Auf jeder der sechs Etagen bieten einzelne Energieorte Möglichkeiten zum Austausch, ruhige Rückzugsräume fördern die Konzentration. Der Fokus liegt stets auf den emotionalen Qualitäten eines Raums. Bevorzugt Note Design Studio in seinen Projekten üblicherweise skandinavische, insbesondere schwedische Möbelhersteller und Designer, schöpft die Möblierung im Douglas House aus einer beeindruckenden Vielfalt ganz Europas. Hier mischen sich Produktneuheiten mit zeitlosen Klassikern zu einem permanenten Dauerreiz. Die stapelbaren Polsterhocker "Drop" von der französischen Designerin Pauline Deltour für COR setzen dabei in sandigem Beige einen farblichen Ausgleich zu den ultramarinblau leuchtenden Sesseln "Marenco", den das italienische Möbelunternehmen Arflex seit 1970 produziert.

Die hellblauen Massivholzstühle stammen aus der Kollektion "Curv" vom Schweizer Designer Jörg Boner für das deutsche Label Stattmann Neue Möbel, der "K65" Barstuhl ist ein Artek-Klassiker des finnischen Möbeldesigners Alvar Aalto. Und die skulptural geschwungenen Bogenwandleuchten des belgischen Duetts Muller van Severen produziert das Antwerpener Label Valerie Objects. Eine Reihe von Sonderanfertigung wie die vielen Einbauten ergänzen das wilde Ensemble. Es sei mehr wie eine Leinwand, auf die man malt, beschreibt Carlström den Auswahlprozess: "Jeder Pinselstrich zählt und hat eine Wirkung. So ähnlich sind wir auch bei der Auswahl der Möblierung vorgegangen: sehr behutsam." Dass dieses mutige Konzept aufgeht, beweist bereits ein besonderer Eyecatcher am Empfang. Den Tresen umhüllt hier ein taubenblaues Alpi-Holzfurnier aus der ersten Memphis Collection und es grüßt: Ettore Sottsass.

How We Made This: Douglas House