Bei manchen Architekturpreisen ist es so, dass man als Architekt bereits stolz sein kann, wenn das eigene Projekt zu jenen gehört, die in die engere Auswahl gekommen sind. Eine solche Auszeichnung ist der „Mies van der Rohe Award“, den die Europäische Union in Zusammenarbeit mit der Fundaciò Mies van der Rohe alle zwei Jahre für herausragende zeitgenössische Bauten in Europa vergibt. Was mit Spannung erwartet wurde, ist nun von der hochkarätigen Jury entschieden: Der erste Preis geht an die Philharmonie im polnischen Stettin – ein geisterhafter Bau, den die Architekten Alberto Veiga und Fabrizio Barozzi – gemeinsam sind sie Barozzi Veiga – entworfen haben. Mit ihrer strahlend weißen Silhouette aus spitzen Türmen, die dicht aneinander gedrängt miteinander zu verschmelzen scheinen, umfasst der Bau einen Konzertsaal für 1.000 Zuschauer, einen kleineren für Kammermusik sowie einen großzügigen Bereich mit Cafeteria, der in den kalten Jahreszeiten mitunter als öffentlicher Raum für unterschiedliche Veranstaltungen genutzt wird.
Gewinner in der Kategorie „Emerging Architects“ – also die Youngster-Sektion – ist das spanische Büro Arquitectura-G, die mit ihrem Wohnhaus „Casa Luz“ die Jury überzeugten. Hinter Arquitectura-G stehen Jonathan Arnabat, Jordi Ayala-Bril, Aitor Fuentes und Igor Urdampilleta, die allesamt zwischen 34 und 40 Jahre alt sind. Das Haus von knapp 80 Quadratmetern befindet sich im spanischen Ort Cilleros in der Extremadura unweit der portugiesischen Grenze. Die Architekten nutzten die auf dem Grundstück vorhandenen, alten Steinmauern und integrierten diese in einen Neubau. Um auch die Birke auf dem Baugrund zu erhalten, formten Arquitectura-G um sie herum einen Innenhof, der nun den Mittelpunkt des Hauses bildet.
Heimspiel in Barcelona
Die Preisverleihung am 8. Mai im Mies’schen Barcelona Pavillon war für die Preisträger ein Heimspiel – stammen doch beide Büros aus Barcelona. Der „European Union Prize for Contemporary Architecture – Mies van der Rohe Award“ gilt mit einem Preisgeld in der Höhe von 60.000 Euro für den ersten Platz und 20.000 Euro für den Gewinner der Kategorie „Emerging Architect“ als einer der renommiertesten europäischen Architekturpreise. Wohl auch, weil die Projekte der Jury von unabhängigen Fachleuten, Mitgliedern des Europäischen Architektenrates, nationaler Architektenverbände und dem Beratungsausschuss vorgeschlagen werden. So gab es in diesem Jahr 420 Einreichungen aus 36 europäischen Ländern.
Beide Gewinner-Projekte gehen äußerst sensibel mit dem Bestand um. Während Barozzi Veiga mit der neuen Philharmonie das städtische Leben in den Bau integrieren und gleichzeitig ein kraftvolles , aber dennoch leichtes und unaufdringliches Monument für die Stadt geschaffen haben, zeigen Arquitectura-G mit ihrer „Casa Luz“ nicht nur, dass gute Architektur mit knapp 500 Euro pro Quadratmeter auch günstig sein kann, sondern auch den respektvollen und klugen Umgang mit der historischen Substanz des Ortes, ohne dabei die Vergangenheit zu romantisieren.
Foto © Simon Menges
Zeichnungen © Arquitectura-G