top

Ein Stück von ihr

Viola Beuscher hat eine unverwechselbare Formensprache: pur, minimalistisch und elegant. Die Keramikerin legt großen Wert darauf, dass sich diese konsequent in ihren Produkten widerspiegelt. Kaum jemand würde vermuten, dass sich Beuscher das Töpferhandwerk selbst beigebracht hat.
von Katharina de Silva | 14.04.2023

Es ist 9:30 Uhr an einem Montag im Frühling. Die Sonne steht noch zu tief, um durch die großen, bodentiefen Fenster zu scheinen. Trotzdem ist es hell in den Räumen der kleinen Töpferei im Frankfurter Bahnhofsviertel. Die Einrichtung hat etwas sehr Pures und Beruhigendes: viel Weiß, viel helles Grau. Dazu Regale aus unbehandeltem Holz, in denen Becher, Schalen, Vasen und Teller stehen. Viola Beuscher trägt einen dunkelgrauen Pullover, die Haare hat sie im Nacken zusammengebunden. Sie serviert Kaffee aus einem ihrer formschönen Becher – neben den Schalen eines der meistverkauften Produkte des Online-Shops. Wir sitzen an einem großen Tisch im vorderen Teil ihrer Werkstatt. Hier finden auch die Töpferkurse statt, die “viola beuscher ceramics” regelmäßig anbietet.

Wer schon einmal erlebt hat, wie aus einem einfachen Klumpen Ton auf der Töpferscheibe Drehung um Drehung eine Tasse oder Vase entsteht, der weiß: Das ist Meditation pur. Ton hat etwas sehr Ursprüngliches, etwas Elementares. Auf viele Menschen wirkt der Umgang mit diesem Material erdend und zentrierend. Auch Viola Beuscher ist über diese Eigenschaften zum Töpfern gekommen: Die gebürtige Fuldaerin studiert 2014 Journalismus und Politikwissenschaft und steht kurz vor dem Abschluss ihrer Bachelorarbeit, als sie in einen Unfall verwickelt wird. In der Folge wird sie berufsunfähig – mit gerade einmal 22 Jahren. Heilung findet sie unter anderem in der intensiven Beschäftigung mit Ton. Zweieinhalb Jahre lang töpfert sie fast täglich – zunächst im Rahmen der Therapie, später zu Hause. Rückblickend war das die Zeit, in der sie die Grundlagen für “viola beuscher ceramics” legte – und für alles, was seither daraus entstanden ist. “Das A und O im Handwerk ist, dass man die Zeit hat, um zu üben, zu üben, zu üben”, sagt sie. “Durch den Unfall hatte ich das Privileg, diese Zeit zu haben. Auch wenn es sich damals nicht wie ein Privileg angefühlt hat.” Als Viola Beuscher 2017 langsam ins Leben zurückfindet, steht sie vor der Frage, was sie beruflich machen will. Ein Studium kann sie sich nicht mehr vorstellen. Die Anfrage befreundeter Gastronomen kommt da gerade recht. Zum ersten Mal fertigt sie eine Serie von Tellern und Schalen nach individuellen Wünschen an. Es ist der Beginn ihrer Selbstständigkeit.

Von da an geht alles ganz schnell: Mit ihrer geradlinigen, minimalistischen Keramik stößt Viola Beuscher in der Frankfurter Gastronomieszene auf reges Interesse. Bald kennt man die Töpferin auch über die Stadtgrenzen hinaus. “Die Nachfrage war von Anfang an so groß, dass ich schnell lernen musste, auch mal nein zu sagen”, erinnert sie sich. Beuscher mietet Räume in der Taunusstraße und übernimmt mit ihren damals drei Mitarbeiterinnen fortan vor allem Aufträge von Restaurants und Cafés. Bis zu 300 Teller, Schalen oder Becher fertigen sie in Handarbeit für jede und jeden ihrer KundInnen. Mindestens acht Stunden täglich, sieben Tage die Woche. Dann kommt die Pandemie. Die Bestellungen bleiben aus, bereits erteilte Aufträge werden storniert. Mit Unterstützung ihres Partners Philip Biedermann, der heute als stellvertretender Geschäftsführer im Unternehmen tätig ist, startet Viola Beuscher quasi über Nacht einen eigenen Online-Shop. “Das war unsere Rettung”, erinnert sie sich.

Heute macht der Online-Shop von “viola beuscher ceramics” rund 60 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Unter den 20.000 Instagram-FollowerInnen ist ein regelrechter Andrang auf die Keramiken ausgebrochen. Neue Kollektionen, wie die limitierte Happy Edition, sind oft innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Auch die Plätze in ihren Kursen namens “Clay Classes” sind heiß begehrt. Um der hohen Nachfrage gerecht zu werden, arbeiteten im Jahr 2021 zeitweise 12 feste und freie MitarbeiterInen in der kleinen Töpferei. Heute besteht das Team wieder aus sechs Personen. Den Großteil der Produktion übernimmt Beuscher selbst. Ihr Stil ist unverwechselbar: pur, weil die Materialität im Vordergrund steht. Minimalistisch, weil nur sehr reduziert Glasuren verwendet werden. Elegant, weil alle Becher und Schalen dünnwandig gedreht werden.

"Happy Edition"

Die Energiekrise und die Inflation haben die kleine Töpferei im vergangenen Jahr hart getroffen. “Unsere Fixkosten haben sich verdoppelt. Wir sind froh, dass wir den letzten Herbst überlebt haben”, sagt sie. Doch Viola Beuscher lässt sich nicht entmutigen. Im Gegenteil: Gemeinsam mit ihrem Team blickt sie nach vorn und arbeitet kontinuierlich daran, alle Abläufe in ihrer Werkstatt zu optimieren. Zu sehr liebt sie das, was sie tut. “In meiner Arbeit kann ich mich voll und ganz widerspiegeln”, sagt sie. “Egal, was ich mache, es steckt immer ein Stück von mir darin.”

Tipp:
Aktuell bietet Viola Beuscher mit der "Spring Collection" die erste Kollektionsarbeit des Jahres an.