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Felix Rasehorn, Robin Hoske (v.l.n.r.)

JUNGE TALENTE
Brücken gestalten

Das WINT Design Lab entwirft nachhaltige Zukünfte. Von ihrem Büro am Flughafen Tegel in Berlin aus erforschen sie ganzheitliche Designstrategien, neue hybride Werkzeuge und die Produktion von interdisziplinärem Wissen durch Praxis. Woran sie aktuell arbeiten, sagen sie uns im Interview.
20.02.2024

Anna Moldenhauer: Ein Teil eurer Arbeit ist die Beteiligung an Forschungsprojekten. Wie kommen diese zustande?

Felix Rasehorn: Die meisten Projekte haben sich bisher aus dem Berliner Kreativ-Netzwerk ergeben, mit Personen die zwar ganz andere Kompetenzen haben als wir, aber ein ähnliches Interessengebiet – beispielsweise mit BiochemikerInnen. Zudem ergibt sich ein Austausch über Unternehmen, die Forschungsprojekte haben und mit den Universitäten vernetzt sind. Wir sind quasi die Brücke aus der Forschung in das Projekt.

Robin Hoske: Parallel haben wir immer eine große Eigeninitiative gezeigt, sei es im Rahmen des Forschungsclusters "Matters of Activity", in dem Felix aktiv ist oder im Bereich Nachhaltigkeitsdesign am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM, an dem ich arbeite. Viele Forschungsprojekte haben ein Potenzial für Gestaltung, für eine Querverbindung zwischen den Wissenschaften und dem Design, und nach diesen haben wir gesucht. Uns geht es darum mehr zu realisieren als ein Portfolioprojekt, den technischen Ablauf zu zeigen und auch die Wirklichkeit der Designszenarien.

Ihr erforscht unter anderem die ökologische und technologische Verantwortung für die Gestaltung. Was genau bedeutet das?

Robin Hoske: Wir sind ein sehr technologieoptimistisches Studio, sehen in neuen Technologien beispielsweise Potenziale für ein verantwortungsvolles Handeln oder bessere Ressourceneffizienz. Es geht uns stets um Optimierung im planetarischen Sinne, sprich um Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung. Wir möchten eine Vision zeigen und die positiven Potenziale beleuchten.

Warum ist es wichtig DesignerIinnen schon sehr früh in wissenschaftliche Prozesse einzubeziehen?

Felix Rasehorn: DesignerInnen können der Technologieentwicklung eine neue Richtung geben, die Fragestellungen durch einen anderen Filter sehen. Wir glauben, dass es beiden Seiten hilft, den Nutzen und die Gefahren einer neuen Technologie von Anfang an besser bewerten zu können.

"Embrace" mit Silke Hofmann: Ergonomischer BH nach einer Mastektomie
"Gold": Textilien aus Kollagen

Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit hilft auch dabei zu vermitteln, dass DesignerInnen nicht nur für die Gestaltung des Endproduktes zuständig sind. Gibt es eurer Meinung nach eine Branche, wie die Medizin, in der die Potenziale der Gestaltung für die Prozess- und Produktoptimierung noch zu wenig erkannt werden?

Felix Rasehorn: In der Medizinbranche haben wir einige Projekte realisiert. Der Wille zu einer Zusammenarbeit ist in meiner Erfahrung auf jeden Fall da. Das Innovationspotenziale liegen bleiben, hat auch mit der Realität in den medizinischen Berufen zu tun. Dieser bietet kaum einen Raum für Experimente.

Robin Hoske: Aus meiner Sicht ist die fehlende Experimentierfreude der Unternehmen auch branchenübergreifend ein deutsches Problem. In Deutschland sind wir sehr funktionsgetrieben. Der freie Raum wird durch DIN-Normen totgedacht. Wenn man das Ergebnis nicht vorab bereits klar formulieren kann, ist es für viele unvorstellbar das Projekt überhaupt anzugehen. Mit diesen begrenzenden Vorgaben haben wir manchmal zu kämpfen. Im Gegensatz dazu hat mich die Textilbranche überrascht – viele AkteurInnen dort sind sehr offen für einen Wandel, haben das Problem erkannt und arbeiten daran die Materialkreisläufe zu verbessern.

Felix Rasehorn: Die Hürde für die Implementierung ist auch oft zu groß, beispielsweise für eine Verbindung der digitalen Ebene, dem Wald und dem Ökosystem. Vom Konzept bis zur Implementierung laufen die Prozesse in Jahreszirkeln ab und da stoßen wir als kleines Studio sowohl in der Kapazität wie inhaltlich an unsere Grenzen. Je langsamer der Kreislauf von der Implementierung zur Umsetzung ist, umso schwieriger lassen sich neue Ideen umsetzen.

Da wäre in den Unternehmen ein Designteam hilfreich, an die ihr das Konzept für die weitere Entwicklung übergeben könnt. Auch im Bereich der Textilien hattet ihr in letzter Zeit viele spannende Projekte, wie das Outdoor-Textil auf Kollagenbasis oder die digitale Ultraschallverbindungstechnik für luft- und wasserdichte Textilien. Wie wählt ihr die Projekte aus, bilden eure eigenen Schwerpunkte die Grundlage?

Felix Rasehorn: Ich würde schon sagen, dass unsere Schwerpunkte in allen Projekten vorhanden sind und sich über die Zeit ausgeprägt haben. Technologien und Potenziale haben uns von Beginn an interessiert. Die eigene Erfahrung durch die Kooperation mit den Wissenschaften ist über die Zeit eine Art Anker geworden. Uns sind ökologische Ziele wichtig, die mit einem Projekt verbessert werden. Die Stakeholder-Mapping, die Nachhaltigkeitsstrategie beziehen wir jedes Mal mit ein. Zudem sind wir daran interessiert, aktuelle Wissenschaftskontexte in diese Projekte einfließen zu lassen. Wir versuchen Brücken zu bauen, zwischen der Wissenschaft und dem Produktdesign. Das ist in all unseren Projekten immer ein Kernbestandteil.

In welchem Bereich arbeitet ihr aktuell mit künstlicher Intelligenz?

Robin Hoske: Wir haben aktuell eine Gastprofessur an der HBK Saar und dort beispielsweise KI in den Gestaltungsprozess integriert. Da ging es darum den Studierenden dabei zu helfen, aus relativ komplexen, ökologischen Nachhaltigkeitszielen Visionen zu generieren und diese weiter zu iterieren. In diesem Kontext haben wir zum Beispiel mit Midjourney gearbeitet, um Prototypenentwicklungen schnell zu verändern. In unserem eigenen Gestaltungskontext arbeiten wir mitunter auch damit. Wichtig finden wir, dass die KI vorwiegend dazu verwendet wird für den Inhalt des Projekts die richtigen Bilder zu kreieren. Für uns ist es interessant zu sehen mit welcher Selbstverständlichkeit die Studierenden in den Entwurfsprozess starten, ganz anders als unsere Generation, die nicht mit diesen KI-gestützen Werkzeugen ausgebildet wurde. Und ihnen parallel zu helfen nicht in die Falle tappen, mit der KI ihren Entwurf zu expressiv werden zu lassen. Wenn das passiert, ist dieser meist nicht mehr realisierbar und die Gestaltung wird von dem Überfluss an Details durch die KI übermannt. Je abstrakter die Basis ist, umso mehr lässt sich mit der KI eine Typologie weiterentwickeln, auch das war eine Erkenntnis aus der Arbeit mit den Studierenden.

Installation auf der Maison & Object 2024 in Paris

Was ist euch in der Position als Lehrende wichtig der kommenden Generation zu vermitteln?

Robin Hoske: Der verantwortungsvolle Umgang mit der Technologie. Das Abwägen, was der Nutzen der Projekte ist. Eine Technologie nicht nur zu verwenden, weil sie neu ist, sondern weil sie einen echten Unterschied erzeugen kann. Nicht zu vergessen, was die Gestaltung neben der Technologie ausmacht, das physische Arbeiten. Die Technologie ist ein Werkzeug für die Gestaltung und sollte nicht von dieser ablenken. Papier und Stift bleiben wertvolle Werkzeuge für die Gestaltung, auch wenn es jetzt die künstliche Intelligenz gibt. Zudem ist es uns immer wichtig, dass die Studierenden verstehen, in welchem Kontext sie gestalten, was der Möglichkeitsraum ist. Als Gestalter muss man sich trotz aller Komplexität in den möglichen Zukünften positionieren. Vermitteln, wohin die eigene Gestaltung führen soll und erkunden, wie man dafür einen Entwurf formuliert.

Weder in eurem Namen noch in eurer Arbeit sieht man einen Anklang von Autorendesign. Als "Labor" ist die Auslegung eurer Arbeit relativ offen. Was war hierbei die Idee?

Felix Rasehorn: Wir haben das bewusst offengehalten, da wir mit vielen unterschiedlichen Personen zusammenarbeiten, mit denen wir eine Vision teilen. Zudem wollten wir uns in der Identität nach außen nicht auf "Design" beschränken, sondern Raum schaffen, um an vielen unterschiedlichen Themen zu arbeiten. Parallel können wir über unsere Arbeit und das Wording "Design-Lab" auch mitdefinieren, was ein "Design-Lab" eigentlich ist. Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Assoziationen bei dem Begriff sind.

Gibt es einen Bereich, den ihr gerne umkrempeln würdet?

Felix Rasehorn: Das Thema autarke Energieversorgung interessiert uns sehr – wie kann man die Objekte, die bereits Batterien in sich verbaut haben und die wir täglich nutzen, miteinander vernetzen? Wie kann man auch von anderen Kulturen lernen, wie man mit wenig Energie effizient umgeht?

Robin Hoske: Unsere Projekte haben meist eine Multistakeholder-Ebene, betreffen unterschiedliche infrastrukturelle Ebenen von den einzelnen Haushalten bis zur Stadt oder dem Land. In der Vergangenheit haben wir auch mit dem Fraunhofer-Institut an Citizen Science Projekten geforscht und sind der Frage nachgegangen, wie sich Systeme besser verbinden lassen und man die Kraft der Masse für Verbesserungen nutzen kann. Ebenso sind die individuellen Zonen spannend, wie elektronische Geräte. Wir nehmen meist die Abzweigung von dem Großen ins Kleine. Toll wäre es, wenn sich eine Zusammenarbeit mit einem Elektronikproduzenten für eine neue Vision ergeben würde.

"TRACKS": Prozess Robotisches Papierfalten

Eure Arbeit ist stark mit einer Verbesserung des alltäglichen Lebens und der Abläufe des Systems verbunden, mit einer gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Weiterentwicklung. Dennoch wird Gestaltung außerhalb der Branche oft eher unter Konsum verortet. Woran liegt es eurer Meinung nach, dass die Vermittlung der hohen Bedeutung von Design für unser Leben oft nicht ankommt?

Felix Rasehorn: Es gibt tatsächlich rückführende Zahlen der BewerberInnen für die Industriedesign-Studiengänge in Deutschland, ich meine sogar in Europa. Man kann schon sagen, dass das Design ein wenig in einer Kommunikationskrise steckt. In der Branche ist allen klar, dass es um Innovation und neue Produkte geht, um Nachhaltigkeit und Themen, die sehr eng mit dem Leben verbunden sind. Der Schlüssel liegt manchmal auch einfach im Wording: Wir erleben, dass sich Personen, die perfekt für ein Studium im Produkt- oder Industriedesign geeignet wären, auf einmal für einen anderen Studiengang interessieren, weil dort "Nachhaltige Innovation" oder ähnliches im Titel angegeben wird. Wir versuchen unsere Design-Dienstleistungen daher so klar wie möglich zu formulieren, um einordbar zu sein.

Robin Hoske: Wir interessieren uns für andere Kontexte und wollen Synergien schaffen. Daher haben wir uns auch für ein Studio am Flughafen Tegel entschieden – wir sitzen in einem der ersten Gebäude, in denen nachhaltige Startups arbeiten und sind hier das einzige Designstudio. Wenn man Tür an Tür mit anderen Disziplinen arbeitet oder auch regelmäßig die technischen Messen besucht, ergibt sich ein Austausch. Dennoch spielt Design als Treiber für neue Projekte oder Budgets, die eventuell überholt werden könnten, noch keine Rolle. Ich denke es geht nicht nur um die Kommunikationsschwäche der DesignerInnen, sondern auch um die fehlende Offenheit auf der anderen Seite. DesignerInnen interessieren sich für Lab-Residencies, aber ebenso müsste es ein Studio-Residency indem WissenschaftlerInnen den Zugang zur Gestaltung suchen, geben. Für die interdisziplinäre Zusammenarbeit müssen AkteurInnen aller Sparten bereit sein, sich ab und an in eine andere Stuhlreihe zu setzen.

Woran arbeitet ihr aktuell?

Felix Rasehorn: Wir forschen an einem Roboterarm, den wir dafür nutzen, Papier zu schneiden und zu falzen. Die handwerkliche Papierbearbeitung wird so in eine Automatisierung übertragen und dient dazu eine Fertigung auf Abruf zu testen, wie für Leuchtenschirme. Die Roboter-Papier-Skulpturen haben wir gerade im Rahmen des Rising Talent Award 2024 bei der Maison&Objet in Paris vorgestellt. Die Papierbranche ist sehr offen für Innovationen und dafür Massenprodukte anders zu denken, um mit wenig Material große Effekte zu schaffen.

Robin Hoske: Parallel arbeiten wir gemeinsam mit der Textildesignerin Silke Hofmann an einem Post-Mastektomie-BH, der modular und anpassbar ist und so die individuellen Bedürfnisse von Brustkrebspatientinnen unterstützt, indem er auf ihre Körpertypologie reagiert. Da werden wir im Laufe des Jahres noch ein neues Prinzip vorstellen. Ebenso entwickeln wir mit Adidas weitere Nachhaltigkeitstextilien und arbeiten an einem Konzept für zirkuläre Möbel mit lokalen Materialien.