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AKT und Hermann Czech, Beteiligung österreichischer Pavillion: Biennale Architettura 2023

Biennale Architettura 2023
Im Austausch

Das Architekturkollektiv AKT und der Wiener Architekt Hermann Czech gestalten den österreichischen Pavillon auf der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig. Wir sprachen mit AKT über das Projekt und den partizipativen Ansatz ihrer Arbeit.
von Alexander Russ | 02.05.2023

Das Motto der 18. Architekturbiennale von Venedig lautet "The Laboratory of the Future". Für den österreichischen Pavillon zeichnet ein generationenübergreifendes Team verantwortlich, das aus dem Architekturkollektiv "AKT Verein für Architektur, Kultur und Theorie" und dem Wiener Architekten Hermann Czech besteht. Der Titel ihres Konzepts lautet "Partecipazione / Beteiligung" und sieht vor, eine Hälfte des österreichischen Pavillons zum dahinterliegenden Stadtteil Sant’Elena zu öffnen. Nun wurde der dafür vorgesehene Durchbruch in der Außenmauer des Biennale-Geländes vom italienischen Denkmalamt abgelehnt. Wir sprachen mit AKT über ihre Arbeit, das Konzept für die Biennale und wie es nun weitergeht mit dem Pavillon.

Alexander Russ: Wie kam es zur Gründung von AKT?

AKT: AKT ist ein Zusammenschluss von Leuten, die mit dem Architekturbetrieb unzufrieden waren. Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der sich als Kollektiv versteht und 2019 von vierundzwanzig ArchitektInnen gegründet wurde. Momentan haben wir 17 Mitglieder. Unser Ziel ist es, andere Arbeitsbedingungen zu erzeugen und eigene Projekte herzustellen. Damit wollen wir loskommen von dem Warten auf Wettbewerbe und potenzielle BauherInnen. Das war anfangs auch mit finanziellem Einsatz verknüpft, weil wir zunächst keine Förderungen erhalten haben. In Wien gibt es aber prinzipiell eine gute Kulturförderung, weshalb wir nach unserer Vereinsgründung auch bald unterstützt wurden.

In den letzten Jahren gab es vermehrt junge Architekturbüros, die sich als Kollektiv verstehen, wie etwa Assemble aus London oder Lacol aus Barcelona. Inwieweit hat euch das inspiriert?

AKT: Eines unserer Gründungsmitglieder unterrichtete von 2013 bis 2018 an der University of East London. Aus dieser Zeit kannte er die Arbeit von Assemble. Deshalb wussten wir auch, dass es bei einem Kollektiv wichtig ist, viele Leute zusammenzubringen. So lässt sich die Arbeitslast entsprechend verteilen. Fast alle von uns haben immer noch eine Haupt-Erwerbstätigkeit, weil wir bei AKT bis jetzt keine Honorare auszahlen.

Europa Position; Britisch Folly

Wie würdet ihr euren Ansatz beschreiben?

AKT: Bei unseren Projekten geht es im konkreten Wortsinn um eine Herstellung. Das heißt, wir stellen etwas her, zu dem andere wiederum sich her-stellen. Das hat nichts mit einer Aneignung von Orten oder Dingen zu tun, da so etwas ja immer auch mit Eigentum assoziiert werden kann. Bei den Projekten gibt es keine Erklärungen. Stattdessen beobachten wir, wie sich die BesucherInnen damit auseinandersetzen. Wir arbeiten aber auch theoretisch. Das heißt, es gibt Texte, in denen die Projekte vorbereitet und aufgearbeitet werden und die einen diskursiven Rahmen bieten sollen.

Was waren eure ersten Projekte?

AKT: Eines unserer ersten Projekte hieß "Europa" und wurde 2019 zum ursprünglich geplanten Brexit-Ausstiegsdatum lanciert. Dafür haben wir eine alte Industriehalle gemietet und dort zehn Installationen hergestellt. Eine hieß zum Beispiel „British Folly“, für die ein Unterstand aus fünf Garagentoren gebaut wurde. Dabei ging es um das Ausformulieren von Grenzen, weshalb die BesucherInnen durch das Zu- und Aufklappen der Tore den Grad ihrer eigenen Isolation bestimmen konnten. Am Anfang haben wir uns noch in kleinere Gruppen unterteilt, die jeweils eine eigene Position ausformuliert und hergestellt haben. Bei unserem nächsten Projekt „Eingang“ ging es um eine Auseinandersetzung mit den oft leer stehenden Bürobauten der 1970er-Jahre. Wir haben deshalb verschiedene Installation in einen Bürokomplex eingebaut, um herauszufinden, wie sich solche Gebäude transformieren lassen. Es gab dort zum Beispiel Durchbrüche durch die abgehängten Decken oder neue Öffnungen und Zugänge, um so spezifische räumliche Erfahrungen zu schaffen.

Eure Projekte haben einen temporären Charakter. Gibt es auch Planungen für dauerhafte Projekte?

AKT: Unser Projekt "Gast" war ursprünglich als temporäres Projekt gedacht. Dabei handelt es sich um einen Pavillon, der im Rahmen des Club Hybrid, einem Veranstaltungsort für urbane Teilhabe und Stadtentwicklung in Graz, errichtet wurde. Der Pavillon sollte einen Sommer über Raum für Austausch bieten. Er steht jetzt aber schon seit fast zwei Jahren dort. Mittlerweile wird er auch von Pflanzen überwuchert, was uns große Freude bereitet. Wir haben auch nichts dagegen, wenn Leute unsere Projekte verändern und zum Beispiel etwas anbauen.

Nachbar*in_Position; Lina
Gast_Pavillon

Inwieweit haben eure Projekte ein partizipativen Ansatz?

AKT: Wir sind keine Sozialarbeiter. Insofern unterscheiden sich unsere Projekte von Partizipationspraktiken, wie man sie aus den 1970er-Jahren kennt. Ein Beispiel ist das Thema Nachverdichtung, wo es ja darum geht, Raum abzugeben. Daraus resultieren dann oftmals Konflikte. Unser Ansatz besteht in diesem Zusammenhang nicht darin, einen Konsens herzustellen, den man im Vorfeld in endlosen Sitzungen mit den NutzerInnen herbei zu moderieren versucht. Stattdessen akzeptiert man den Konflikt und sucht nach architektonischen Lösungen, um so partizipative Momente zwischen den NutzerInnen zu ermöglichen.

Ihr habt den österreichischen Pavillon für die diesjährige Architekturbiennale mit Hermann Czech entworfen. Wie kann man sich diese generationenübergreifende Zusammenarbeit vorstellen?

AKT: Die Zusammenarbeit und der Austausch mit Hermann Czech ist sehr fruchtbar. Wir lernen viel von ihm und er vielleicht auch etwas von uns. Seine Verknüpfung des Konzepts Partizipation mit dem Begriff Manierismus ist sehr interessant. Er geht damit einen eigenen Weg. Wir tun das in gewisser Weise auch. Uns verbindet die Lust, Projekte gedanklich zu präzisieren und textlich zu fassen, aus Gedanken Architektur werden zu lassen.

Eure Idee, den Pavillon durch einen Durchbruch zum angrenzenden Stadtteil Sant’Elena zu öffnen, wurde gerade abgelehnt.

AKT: Unser Konzept sieht vor, den Pavillon in zwei Bereiche zu teilen. Ein Bereich soll regulär über die Giardini zugänglich sein, während der andere Bereich ohne Eintrittskarte über den Stadtteil Sant’Elena zu erreichen ist. Es geht dabei um das Verschieben einer Grenze, weil sich die wenigsten BesucherInnen darüber bewusst sind, dass hinter der Grenzmauer der Biennale ein Stadtteil liegt. Diese Nachbarschaft zwischen Stadtteil und Giardini wollen wir aktivieren und die lokale Bevölkerung einbinden. Durch Recherchen haben wir herausgefunden, dass es in Sant’Elena kaum öffentliche Räume gibt, in denen man sich treffen kann. Wir sind seit etwa zwei Jahren mit den BewohnerInnen im Austausch und merken, dass ein großes Interesse an unserem Konzept besteht. Dafür war ursprünglich eine Öffnung in der das Gelände umschließenden Mauer vorgesehen, an die der Pavillon angrenzt.

Wie geht es mit dem Projekt weiter?

AKT: Es gibt ein alternatives Konzept in Form einer Brücke, mit der die Mauer nun überwunden werden soll. So könnte der Denkmalschutz gewährleistet werden, da der Boden des Denkmalensembles Giardini nicht berührt wird. Dazu haben wir aber noch keine Rückmeldung erhalten. Das Problem ist, dass unser Weg von der Mauer zum Pavillon vom Denkmalamt als Privatisierung eines öffentlichen Denkmals gewertet wird. Außerdem ist es fraglich, ob die Biennale ein Interesse daran hat, einen Zugang zu ermöglichen, ohne dass Eintritt bezahlt wird. Uns wurde deshalb vorgeschlagen, einfach Tickets zu kaufen und an die BewohnerInnen zu verteilen. Inwieweit das neue Konzept einer Brücke das Ganze nun löst, wird sich zeigen.

Biennale Architettura 2023
20. Mai bis 26. November 2023

Giardini / Arsenale / Forte Marghera
Öffnungszeiten vom 20. Mai bis 30. September 2023: 11 bis 19 Uhr (letzter Einlass 18:45 Uhr)
Bis 30. September (nur im Arsenale): freitags und samstags bis 20 Uhr (letzter Einlass: 19:45 Uhr)
Öffnungszeiten vom 1. Oktober bis 26. November: 10 bis 18 Uhr
Montags geschlossen
Außerordentliche Öffnungen: Montag, 22. Mai, 14. August, 4. September, 16. Oktober, 30. Oktober, 20. November 2023

Eingang_Herstellung
Eingang_Position; doppelbödig
Eingang_Position; Statusschaukel
Gast_Herstellung